Gute Versicherung, schlechte Versicherung
Die Überschussbeteiligungen sind 2015 so niedrig wie nie zuvor. €uro am Sonntag zeigt, woran das liegt, bei welchen Anbietern noch einiges zu holen ist - und was alte und neue Kunden tun können.
von Martin Reim, Euro am Sonntag
Es hatte so gut angefangen. Mitte November gab der Lebensversicherer Ideal als erster Branchenakteur bekannt, welche Rendite er Neukunden für 2015 bietet - satte vier Prozent. Mittlerweile haben fast alle Konkurrenten ihre Zahlen veröffentlicht, und es ist klar: Der Name "Ideal" war Programm, alle anderen waren schlechter. Das kleine Berliner Unternehmen ist der Spitzenreiter, wie eine Auswertung von €uro am Sonntag zeigt. Sie umfasst 66 Unternehmen, die weit mehr als 90 Prozent des Marktes abdecken (siehe Tabelle).
Gesamtergebnis: Die Kunden erhalten so wenig wie nie zuvor. Im Schnitt sind es 3,16 Prozent, im Vorjahr gab es noch 3,39 Prozent. Auch das ist schon ein Rekordtief gewesen. Am weitesten ist der Absturz mit jeweils einem halben Prozentpunkt bei Concordia Oeco, DEVK AG, Ergo, HDI und VHV.
Kein einziger Lebensversicherer hat die Überschussbeteiligung erhöht, gerade mal neun sind konstant geblieben. Alle Werte gelten für neu abgeschlossene ungeförderte Kapitallebens- und private Rentenversicherungen mit Garantiezins.
Hintergrund des Niedergangs: Weil sie jedes Jahr zumindest den Garantiezins erwirtschaften müssen, investieren die Assekuranzen den Großteil der Kundengelder in Anleihen. Hier sinken die Renditen stetig und haben im vergangenen Jahr immer neue Rekordtiefs markiert.
Hohe Garantien belasten
Verschärft wird die Lage durch die Tatsache, dass bei älteren Verträgen teilweise hohe Garantiezinsen gelten. So bekommt derjenige zumeist vier Prozent, der seinen Vertrag zwischen Mitte 1994 und Mitte 2000 abgeschlossen hat. Um diese Ausschüttungen auch langfristig darstellen zu können, müssen die Versicherer eine Zinszusatzreserve bilden. Sie wächst stetig und schmälert das sowieso schon schrumpfende Guthaben der Neukunden. Umgekehrt bedeuten die mageren Ergebnisse der Kapitalanlage für viele Altkunden: Mehr als der Garantiezins ist nicht drin.
Weiterhin wichtig: Sämtliche Prozentzahlen zeigen die sogenannte laufende Verzinsung und beziehen sich auf den Sparanteil, also die Einzahlungen minus den Kosten. Nach groben Schätzungen beträgt dieser Sparanteil - je nach Anbieter, Laufzeit und Vertragstyp - lediglich 75 bis 90 Prozent der Prämien. Die laufende Verzinsung ist, einmal definiert, für dieses Jahr verbindlich; sie wird manchmal auch als Überschussbeteiligung bezeichnet.
Bei allen Anbietern kommen noch unverbindliche Zusagen hinzu, beispielsweise die Schlussüberschuss-Anteile. Für Kontrakte, die in einem bestimmten Jahr auslaufen, gibt es außerdem bei vielen Versicherern eine Mindestbeteiligung an den Bewertungsreserven. Solche Reserven entstehen, wenn Investments über ihrem Kaufpreis notieren. Allerdings gilt seit vergangenem August ein neues Gesetz, das die Ausschüttung dieser Reserven stark einschränkt.
HDI ganz hinten
Zurück zur Statistik: Der Ideal am nächsten kommen Mylife (3,85 Prozent) und Targo (3,7 Prozent), die ihre Produkte über die Targobank vertreibt. Besonders knausrig sind HDI (2,5 Prozent), Ergo (2,7 Prozent) sowie Öffentliche Berlin-Brandenburg und SV Sparkassenversicherung mit jeweils 2,75 Prozent.
Unter den zehn größten Versicherern (nicht gesondert in der Tabelle angegeben) führt die Nürnberger mit 3,5 Prozent. Hier hatte €uro am Sonntag in der vergangenen Woche fälschlicherweise einen Wert von 3,25 Prozent genannt. Dahinter rangieren AXA, Debeka und der Marktprimus Allianz mit jeweils 3,4 Prozent. Bei der Allianz gibt es eine Besonderheit: Für die Produktlinie "Perspektive" gibt es 3,5 Prozent. Ganz hinten bei den Großen liegt Ergo (2,7 Prozent), gefolgt von Zurich Deutscher Herold (2,8 Prozent) und Generali (2,9 Prozent).
Nun sind selbst die Zahlen der Nachzügler in heutigen Zeiten hervorragende Werte, auch wenn sie sich nur auf den Sparanteil beziehen. Selbst bei den besten Anbietern von Festgeld mit einem Jahr Laufzeit sind gerade mal 1,4 Prozent zu holen. Bei Tagesgeld gibt es noch weniger. Sollte man also derzeit eine Kapitallebens- oder private Rentenversicherung abschließen?
Eher nein. Hauptgrund ist die Zinszusatzreserve, die immer weiter steigen und die Renditen für Neuverträge auf Jahre belasten wird. Außerdem legt man sich mit solchen Kontrakten extrem lange fest, Kündigungen sind verlustreich. Attraktiv sind allenfalls die staatlich geförderten Verträge à la Riester und Rürup sowie die betriebliche Altersvorsorge - aufgrund der teilweise ansehnlichen Subventionen - falls die persönliche Situation zur Förderart passt.
Außerdem sind Renten gegen Einmalzahlung für all jene überlegenswert, die eine größere Summe auf einen Schlag einzahlen und in eine Rente verwandeln wollen, die garantiert bis ans Lebensende reicht. Allerdings ist bei solchen Policen die Überschussbeteiligung manchmal niedriger als bei Verträgen mit laufender Beitragszahlung.
Wer dennoch eine ungeförderte Police abschließen will, sollte genau auf die Auswahl der Anbieter achten, beispielsweise mithilfe historischer Renditen. Laut einer Auswertung des Branchendiensts "Map-Report" liegen bei Policen mit zwölf Jahren Laufzeit InterRisk, Debeka und WGV vorn. Bei 20 Jahren sind es Europa, Debeka und Cosmos Direkt, bei 30 Jahren HUK-Coburg, Europa und Cosmos Direkt.
Sollte man seine vorhandene Police weiterlaufen lassen? Das hängt von der Antwort auf die folgenden vier Fragen ab:
Kündigen oder nicht
Wofür braucht man das Kapital? Rentenpolicen sind das einzige Altersvorsorgeprodukt, bei dem die Leistung exakt bis zum Lebensende reicht. Es bleibt weder Geld übrig, noch ist das Kapital vor dem Tod aufgebraucht. Wer das mag, sollte dabeibleiben.
Wie alt ist der Vertrag? Wer einen Kontrakt mit hohem Garantiezins besitzt, sollte ihn im Zweifelsfall weiterlaufen lassen. Falls der Vertrag vor 2005 geschlossen wurde, sind die Auszahlungen zudem im Regelfall komplett steuerfrei, was ebenfalls für das Weiterlaufenlassen spricht.
Wie lange läuft der Vertrag noch? Ist der Kontrakt kurz vorm Auslaufen, sollte man ihn im Zweifelsfall behalten. Am Schluss ist der Zinseszinseffekt am größten.
Welche Zusatzversicherungen existieren? Oft ist eine Berufsunfähigkeitspolice mit dem Vertrag verbunden oder es wurde eine hohe Todesfallleistung vereinbart. Dann sollte man prüfen, ob ein vergleichbarer Schutz zu erträglichen Konditionen erhältlich ist. Falls nein, spricht das gegen eine Kündigung.
Alternativen zur Kündigung sind: beitragsfrei stellen (das Angesparte wird weiterhin verzinst), Wahl einer billigeren Variante (etwa jährliche statt monatliche Zahlung), beleihen (über den Versicherer oder spezialisierte Finanzdienstleister) oder verkaufen (Kriterien für seriöse Ankäufer stehen unter www.bvzl.de).
Überschussbeteiligungen: Welche Versicherung was zahlt (PDF)
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