Roland Klaus-Kolumne Roland Klaus

Widerrufsjoker: Wende in letzter Minute? Rückenwind durch den Bundesrat?

07.03.16 10:11 Uhr

Widerrufsjoker: Wende in letzter Minute? Rückenwind durch den Bundesrat? | finanzen.net

Die Bundesregierung hat dem Widerrufsjoker, also dem Widerruf einer Baufinanzierung aufgrund fehlerhafter Widerrufsbelehrung, den Garaus gemacht.

Mit Einführung des neuen Gesetzes für Immobilienkredite am 21. März werden Kreditnehmer nur noch eine kurze Frist von drei Monaten haben, um ihr Darlehen zu widerrufen. Danach verfällt diese Möglichkeit unwiderruflich. Dass dieses Vorgehen der Politik alles andere als verbraucherfreundlich ist, haben die Interessengemeinschaft Widerruf und andere Verbraucherschützer bereits mehrfach beklagt. Interessant ist jedoch zu sehen, dass sich auch innerhalb der Politik Kritik an dieser Vorgehensweise regt.

Wer­bung

So hat der Bundesrat nun empfohlen, die verbleibende Frist für Kreditnehmer für den Widerruf von drei Monaten auf ein Jahr und 14 Tage zu verlängern. Auch die Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info) hält dies für einen akzeptablen Kompromiss, da nach unserer Einschätzung viele Verbraucher von der Möglichkeit des Widerrufsjokers noch gar nicht wissen.

Ob diese verlängerte Frist noch Eingang in das Gesetz findet, bevor dieses am 21. März in Kraft tritt, ist offen. Denn bei der Aussage des Bundesrats handelt es sich lediglich um eine Empfehlung. Die Länderkammer hat bei diesem Gesetz kein Vetorecht. Die nächsten Tage werden also zeigen ob es hier noch zu einer Änderung "auf den letzten Drücker" kommt, die die Rechte der Verbraucher stärkt.

Wer­bung

Unabhängig davon sollten Kreditnehmer, die zwischen November 2002 und Juni 2010 eine Baufinanzierung abgeschlossen haben, ihren Darlehensvertrag so bald wie möglich auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung untersuchen lassen. Dies ist beispielsweise kostenlos bei der Interessengemeinschaft Widerruf möglich. Wird durch diese anwaltliche Prüfung festgestellt, dass der Darlehensvertrag angreifbar ist, so erhalten Verbraucher dort auch konkrete Unterstützung dabei, den Widerruf umzusetzen.

Die Erfahrung der IG Widerruf aus mehr als 6000 geprüften Kreditverträgen zeigt, dass ein Widerruf ohne anwaltliche Unterstützung wenig erfolgversprechend ist. Bei etlichen Kreditinstituten zeigt sich jedoch Kompromissbereitschaft, wenn der Kunde einen qualifizierten Anwalt hinzu zieht. Dann kann auch ohne Prozess und Klage ein wirtschaftlich sehr lohnender Vergleich erzielt werden, der beispielsweise vorsieht, dass der Zinssatz der Immobilienfinanzierung trotz laufender Zinsbindung auf das aktuelle Marktniveau abgesenkt wird. Zu den Kreditinstituten, bei denen dies möglich ist, zählen beispielsweise der Marktführer ING DiBa, viele Volks- und Raiffeisenbanken, die Sparda-Banken, die PSD Banken, sowie etliche Versicherungen wie beispielsweise die Debeka, R&V, Victoria, Ergo und Allianz.

Wer­bung

Dem stehen aber auch Banken gegenüber, die sich außergerichtlich grundsätzlich kaum kompromissbereit zeigen. Dort ist dann eine Klage nötig, um den Widerruf erfolgreich durchzusetzen. Zu diesen Instituten zählen beispielsweise die Deutsche Bank, die DSL, die Commerzbank und die DKB. Die Kosten für eine außergerichtliche Begleitung durch einen Fachanwalt oder für eine Klage vor Gericht übernimmt in vielen Fällen die Rechtsschutzversicherung.

Unabhängig davon, ob die Initiative des Bundesrats in letzter Minute dazu führt, die Galgenfrist für den Widerrufsjoker zu verlängern, sollten Verbraucher also keine Zeit verlieren. Die Prüfung der eigenen Baufinanzierung auf fehlerhafte Widerrufsbelehrung ist der sinnvollste erste Schritt, um zu erfahren, ob der Widerrufsjoker gezogen werden kann.

Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“. Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.