Widerrufsjoker: Gerichtsurteil schafft Chancen bei Prolongation per Forward-Darlehen
Bisher galt beim Widerruf von Immobilienkrediten folgende Regel: Wurde das Darlehen beim gleichen Kreditinstitut verlängert (prolongiert), dann zählt diese Prolongation in der Regel nicht als eigenständiges Darlehen.
Für die Prüfung eines Widerrufs relevant war also stets der Ursprungskredit. Wurde dieser aber vor 2002 abgeschlossen, dann war ein Widerruf ausgeschlossen, denn erst zu diesem Zeitpunkt wurde das Widerrufsrecht für private Verbraucherdarlehen eingeführt. Kreditnehmer, die ihrer Bank als treu geblieben waren und das Darlehen über einen längeren Zeitraum prolongiert hatten, schauten also in die Röhre.
Nun könnte allerdings ein Urteil des OLG Frankfurt diese Spielregeln ändern. Die Frankfurter Richter urteilen nämlich wie folgt (Az.: 9 U 35/2014): Erfolgt die Prolongation vor Ablauf der Zinsbindung des davor gehenden Darlehens, so gilt diese Verlängerung als eigenständiges Darlehen, bei dem der Kreditnehmer korrekt über seine Rechte zum Widerruf belehrt werden muss.
Wer also seinen Kredit mit Hilfe eines Forward-Darlehens vorzeitig beim gleichen Kreditinstitut verlängert hat, der erhält dadurch eine neue Chance auf den Widerrufsjoker. Besonders aussichtsreich ist dieses Urteil insbesondere für zwei Gruppen von Kreditnehmern:
1. Verbraucher, die ein vor 2002 abgeschlossenes Darlehen mit Hilfe eines Forward-Darlehen verlängert haben. Diese Gruppe war bislang von der Möglichkeit eines Widerrufs ausgeschlossen. Das Urteil ändert dies. Beispiel: Sie haben 2001 einen Kredit mit einer Zinsbindung von zehn Jahren abgeschlossen. 2009 verlängern Sie dieses Darlehen vorzeitig und vereinbaren neue Konditionen, die ab 2011 gelten. In diesem Fall ist der Vertrag aus 2009 auf korrekte Widerrufsbelehrung zu prüfen.
2. Verbraucher, die nach 2002 eine Prolongation per Forward-Darlehen abgeschlossen haben und dabei keine Widerrufsbelehrung erhalten haben. Häufig haben Banken bei solchen Prolongationen keinen kompletten Kreditvertrag ausgestellt, sondern nur eine "Konditionsänderung" auf einer oder zwei Seiten festgehalten, ohne eine Widerrufsbelehrung auszustellen. Das könnte sich nun als schwer wiegender Fehler herausstellen, denn eine fehlende Widerrufsbelehrung ist gleich bedeutend mit einer falschen Widerrufsbelehrung.
Kreditnehmer, für die eine der genannten Konstellationen zutrifft, sollten ihren Kreditvertrag auf jeden Fall auf eine falsche Widerrufsbelehrung anwaltlich prüfen lassen. Dies können Sie bei den Kooperationsanwälten der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info) kostenlos tun. Im Rahmen dieser Prüfung erfahren Sie, ob der Kreditvertrag anfechtbar ist und wie die sinnvollen nächsten Schritte aussehen.
Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“. Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info
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