Leben Sie gesünder! - Teil 1
Laut WHO waren 2014 über 1,9 Milliarden Erwachsene übergewichtig.
Von Nina Hodzic, ESG-Spezialistin bei NN Investment Partners
Wir alle wollen lang und vor allem gesund leben. Dieses Ziel scheint jedoch für eine wachsende Zahl von Menschen rund um den Globus aufgrund unseres modernen und hektischen Lebensstils inzwischen unerreichbar zu sein. Wir verbringen unser Leben, tagein tagaus, vor Computerbildschirmen. Akuter Bewegungsmangel ist die Folge. Überernährung ist mittlerweile ein größeres Gesundheitsrisiko als Unterernährung. Das Durchschnittsgewicht der Weltbevölkerung ist in den letzten 35 Jahren gestiegen:
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren 2014 über 1,9 Milliarden Erwachsene übergewichtig, ein Drittel davon sogar adipös. Die WHO prognostiziert, dass die Zahl übergewichtiger sowie adipöser Kinder unter fünf Jahren von rund 42 Millionen im Jahr 2013 bis 2025 auf 70 Millionen ansteigen wird. Sogar bei Haustieren wird Fettleibigkeit zum Problem. Adipositas ist nicht zwangsläufig, sie lässt sich vermeiden bzw. beheben. Nach einem Bericht des McKinsey Global Institute von 2014 kosten die Kosten die Folgen der Fettleibigkeit weltweit zwei Billionen Dollar; in 5 Prozent aller Todesfälle ist Fettleibigkeit die Todesursache.
Starkoch Jamie Oliver propagiert das Kochen daheim und setzt sich für eine gesundheitsbewusste Ernährungserziehung unserer Kinder sowie ein gesünderes Essverhalten ein. 2010 wurde er dafür mit dem TED-Preis ausgezeichnet, der jedes Jahr an einen Menschen mit einer kreativen Vision für positiven globalen Wandel geht. In seinem TED-Talk "Teach Every Child about Food", der bisher sechs Millionen mal aufgerufen wurde, sagt Oliver: "Ich bin überzeugt, dass Essen als ein Urbedürfnis einen zentralen Platz in unserem Zuhause einnimmt." Zum Auftakt weist er darauf hin, dass während der 20-minütigen Dauer des Clips vier Amerikaner aufgrund ernährungsbedingter Erkrankungen sterben werden. "Die Erwachsenen der letzten vier Generationen haben ihre Kinder mit einem besonderen Vermächtnis bedacht: einer kürzeren Lebenserwartung als ihre eigenen Eltern. Ihr Kind hat eine um zehn Jahre kürzere Lebenserwartung als Sie selbst!" Das Publikum revanchierte sich mit einer stehenden Ovation für Olivers inspirierenden Vortrag.
Nicht zuletzt ist eine gesunde Lebensführung auch ein Bereich, in dem es zahlreiche Investmentmöglichkeiten gibt. Regierungen auf der ganzen Welt bemühen sich aktiv um eine Reduzierung der direkten (Gesundheitswesen) und indirekten (Produktivitätsverluste) Kosten der Fettleibigkeit. Staatlich geförderte Programme existieren in vielerlei Bereichen: medizinische Forschung, Aufklärungskampagnen mit dem Ziel, das Essverhalten zu ändern, Besteuerung gesundheitsschädlicher Produkte. Zahlreiche Gesundheitsbehörden drängen auf eine Verschärfung der Vorschriften im Lebensmittelsektor, wie beispielsweise Etikettierung, Vermarktung gegenüber Kindern und eine veränderte Zusammensetzung unserer Ernährung mit weniger Zucker, weniger Fett und weniger Salz. Daraus ergeben sich interessante Investmentgelegenheiten in den Bereichen Gesundheitsfürsorge und Biotechnologie, Lebensmittelhersteller sowie Unternehmen des Gesundheits- und Fitness-Sektors.
Fettsucht
Übergewicht und Fettleibigkeit werden als durch eine über das normale Maß hinausgehende Vermehrung des Körperfetts mit krankhaften Auswirkungen definiert. Nach der WHO Definition liegt Übergewicht bei einem Körpermasseindex (BMI) von 25 und Adipositas ab einem BMI von 30 vor. Der BMI bezieht die Körper-Masse auf das Quadrat der Körpergröße (kg/m²). Es handelt sich dabei um ein häufig verwendetes Maß zur Bestimmung von Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen.Fettleibigkeit ist ein weltweites Phänomen, das in Zukunft aller Voraussicht nach noch zunehmen wird. Die Zahl der Fettsüchtigen steigt nicht nur in den Industrieländern, sie wächst mit zunehmendem Wohlstand auch in den aufstrebenden Volkswirtschaften, insbesondere Chile, Mexiko, Russland und Brasilien.
Ein besonderes Problem ist dabei die Fettleibigkeit bei Kindern. Übergewichtige Kinder werden aller Wahrscheinlichkeit nach zeitlebens unter Gesundheitsbeschwerden, wie Diabetes und hohem Cholesterinspiegel leiden, häufig zusammen mit geringem Selbstwert und Depressionen. Die Ursachen der steigenden Fettleibigkeit sind außerordentlich komplex und umfassen evolutionsbedingte, biologische, psychologische, soziologische, wirtschaftliche und institutionelle Faktoren. Fettleibigkeit erhöht das Risiko von Krankheit, Behinderung und geringerer Lebenserwartung. Fettleibigkeit wird vor allem mit Erkrankungen wie Diabetes, Gallensteinen, Bluthochdruck, Arthritis, Schlaganfall und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht. Nicht zuletzt bedeutet all dies auch nachlassende Produktivität. Fettleibigkeit ist mit zusätzlichen Kosten für die Gesellschaft verbunden und daher auch ein soziales Problem. McKinsey hat die aktuellen gesellschaftlichen Folgen der 14 größten menschgemachten Probleme bewertet. Nach dieser Einschätzung zählt Fettleibigkeit zu den drei größten vom Menschen verursachten sozialen Lasten weltweit.
Nach McKinseys Schätzungen umfasst die wirtschaftliche Belastung durch Fettleibigkeit auch die Kosten für Produktivitätsverluste durch die entgangenen produktiven Lebensjahre, die direkten Bürden des Gesundheitssystems sowie die Investitionen, die notwendig sind, um die wirtschaftlichen Lasten der Adipositas zu mindern. Der größte Kostenfaktor scheinen Produktivitätsverluste zu sein, sie machen weltweit nahezu 70 Prozent der durch Adipositas verursachten Kosten aus. Diese Schätzungen basieren übrigens auf den gegenwärtigen Kostenlasten. Bei Berücksichtigung künftiger Kosten würde Fettleibigkeit einen noch höheren Rang einnehmen.
Achtung: (versteckter) Zucker
Der Zusatz von Zucker zu unserer Ernährung ist eine relativ junge Erscheinung in der Menschheitsgeschichte. Erst im 18. Jahrhundert wurde mit der Entstehung der Zuckerplantagen auf den Westindischen Inseln und dem amerikanischen Kontinent der Zuckeranbau erheblich ausgeweitet. Die Produktion im großen Maßstab ermöglichte niedrigere Preise. Im Ergebnis wurde der Zuckeranbau so profitabel, dass man Zucker das "weiße Gold" nannte. Der weltweite Siegeszug von Zucker geht Hand in Hand mit Industrialisierung und höherem Lebensstandard. Doch Zucker ist ein völlig überflüssiger Bestandteil in unserer Kalorienzufuhr: Er hat keinen Nährwert, macht nicht satt und gilt allgemein als wichtiger Mitverursacher von Adipositas und Diabetes.
Die Lebensmittelindustrie setzt unserer Nahrung immer mehr Zucker zu. Der Verbraucher bekommt davon meistens nicht viel mit, da es sich dabei um versteckte Zucker handelt. Ein zusätzliches Problem besteht darin, dass Zucker häufig als Konservierungsmittel oder Geschmacksverstärker in industriell verarbeiteten oder abgepackten Lebensmitteln eingesetzt wird. In den USA werden rund 600.000 unterschiedliche Lebensmittelprodukte verkauft - 80 Prozent davon enthalten Zuckerzusätze. Klar ist, dass Erfrischungsgetränke und Eiscreme viel Zucker enthalten. Doch auch in Lebensmitteln wie aromatisierten Wässern, Joghurt, Dosensuppen, Fertiggerichten und sogar Brot steckt jede Menge Zucker.
Da Zucker auf den Produktetiketten gelegentlich unter Kohlenhydraten aufgeführt werden, lässt sich der genaue Zuckergehalt nur schwerlich feststellen. Fruchtsäfte, die als gesündere Alternative zu Erfrischungsgetränken gelten, enthalten viel Zucker, und auch Gemüsesafte, die als "entgiftend" vermarktet werden, weisen einen hohen Gehalt an Fruchtzucker auf.
Nach Empfehlungen der WHO sollen Erwachsene und Kinder höchstens zehn Prozent ihrer täglichen Kalorien in Form von Zucker aufnehmen. Noch besser sei es, den freien Zucker gleich auf unter fünf Prozent zu reduzieren (das entspricht in etwa 25 Gramm, also ungefähr zehn Stück Würfelzucker). Gar nicht so leicht, wenn man sich das Bild unten anschaut.
Warum ist Zucker so gefährlich? Der menschliche Körper ist nicht auf den Konsum von Zucker in hohen Dosen eingestellt. Zucker löst im Blutkreislauf - wo er bereits wenige Minuten nach seinem Verzehr ankommt - die Produktion einer großen Menge an Insulin aus. Insulin ist ein Hormon der Bauchspeicheldrüse, dessen Hauptaufgabe es ist, den aus der Nahrung stammenden Zucker aus dem Blut zu entfernen und ihn stattdessen in Leber und Muskeln anzulagern. Das vorstehende Diagramm veranschaulicht den vom Zucker ausgelösten Suchtkreislauf.
Robert Lustig, amerikanischer Endokrinologe von der University of California ("Dr. Sugar"), macht vor allem ein Übermaß an Fruchtzucker und eine Unterversorgung mit Ballaststoffen für die Volkskrankheit Fettleibigkeit verantwortlich. 75 bis 80 Prozent aller Adipositasfälle seien auf einen gestörten Insulinhaushalt zurückzuführen. Lustig zufolge ist Zucker ein Gift und eine massive Gefahr für die Volksgesundheit. Nicht alle Kalorien seien gleich, eine reduzierte Kalorienzufuhr sei daher nicht die Lösung. So bestehe ein Unterschied zwischen der Aufnahme von 100 Kalorien aus Stärke (beispielsweise durch Verzehr einer Kartoffel) und 100 Kalorien aus Zucker, da sie unterschiedlich umgewandelt werden und sich unterschiedlich auf unsere Körper auswirken.
Laut Dr. Lustig funktioniert der Stoffwechsel bei 20 Prozent aller fettleibigen Menschen völlig normal und beeinträchtigt nicht ihre Lebenserwartung. Bei Normalgewichtigen liegt dieser Wert bei 60 Prozent. Sorge macht allerdings, dass 40 Prozent aller Normalgewichtigen - ohne es zu wissen - an einer Stoffwechselstörung leiden.
Lösungen für Gesundheit und Wohlbefinden
Lebensmittel und Getränke
Eine wachsende Zahl von Lebensmittel- und Getränkeherstellern ergreift mittlerweile Maßnahmen durch Reduzierung der Portionsgrößen, Verwendung gesünderer Zutaten, Reduzierung von Zucker, Fett und Salz sowie transparentere Informationen auf Verpackung und Etikett. Damit werden die Produkte dieser Unternehmen für ernährungsbewusste Verbraucher attraktiver. Gleichzeitig senken sie auch das Risiko, von potenziellen Steuern auf stark kalorienhaltige Lebensmittel betroffen zu sein.
Zudem bringen die Hersteller gesündere Produktvarianten auf den Markt und experimentieren mit bekömmlicheren Zusammensetzungen. So werden zunehmend hochintensive Süßstoffe eingesetzt. Seit Kurzem ist auch der Süßstoff Stevia in der EU als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen. Der aus der in Südamerika beheimateten Pflanze Stevia rebaudiana ("Süßkraut", auch "Honigkraut") gewonnene Süßstoff ist wegen der Assoziation mit Natur sowie der Tatsache, dass er sich kaum auf den Blutzuckerspiegel auswirkt, bei Verbrauchern besonders beliebt.
Aufgrund der positiven Wahrnehmung dieser Produkte sind Wachstumserwartungen für Hersteller naturbelassener und organischer Lebensmittel und Getränke daher ausgesprochen gut. Gerade im Lebensmitteleinzelhandel mit organischen Produkten, wo es hohe Gewinnspannen gibt, bestehen interessante Chancen. Doch organisch bedeutet nicht unbedingt weniger Zucker. Auch sogenannte Superfoods werden allerorten angepriesen. Die gesundheitsfördernde Wirkung dieser Zutaten ist indes oftmals umstritten bzw. nicht wissenschaftlich belegt. Als Superfoods gelten Chia, Quinoa, Hanfsamen, Goji-Beeren und Weizengras, aber auch "gewöhnliche" Gemüsesorten wie Zwiebeln, Knoblauch und Grünkohl. Man sollte es mit dem Verzehr jedoch nicht übertreiben, andernfalls könnte es durchaus zu einer einseitigen Mangelernährung kommen. Einige Länder haben bereits Maßnahmen ergriffen, um die Ernährungsgewohnheiten ihrer Bevölkerung zu beeinflussen. So hat Norwegen eine Zuckersteuer eingeführt, die auch für Erfrischungsgetränke gilt. Auch in Dänemark, Frankreich, Finnland, Ungarn und Lettland werden zuckerhaltige Lebensmittel und Getränke besteuert. Von den Emerging Markets ist vor allem Mexiko zu nennen, wo eine Steuer von 5 Prozent auf Junkfood und Softdrinks erhoben wird. Letztendlich ist es die Mischung verschiedener Stoffe in einem Nahrungsmittel, die unserem Körper guttut. Last but not least sind auch Preis- und Kapitalflussdynamik positiv. Insofern gibt es überzeugende Gründe, nicht nur an unserer Übergewichtung festzuhalten, sondern sie noch weiter auszubauen.
Lesen Sie im 2. Teil der Kolumne, welche Firmen eine gesündere Lebensweise ernst nehmen und wie wir diese Themen in unseren Nachhaltigkeitsfonds umsetzen.
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**Stand: Q1 2015, 31. März 2015
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