Die Sparkarte
Seit Oktober gibt es für gesetzlich Versicherte die neue Gesundheitskarte. Sie soll Behandlungen billiger machen. Was Patienten erwartet.
von C. Marwede-Dengg, €uro am Sonntag
Mit Revolutionen tun sich die Deutschen bekanntlich schwer. Das gilt auch, wenn es um neue Techniken geht. Jüngstes Beispiel ist die elektronische Gesundheitskarte, kurz eGK, über die das Gesundheitswesen technisch runderneuert und die medizinische Versorgung wirtschaftlicher werden soll. Nach einem mühsamen Beginn im Jahr 2005 sollen nun bis zum Jahresende mindestens zehn Prozent der rund 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten die neue Karte bekommen.
Den Austausch der bisherigen Versichertenkarte gegen die eGK bezahlen die Krankenkassen. Die Kosten pro Karte beziffert Rainer Höfer, Abteilungsleiter IT-Systemfragen beim GKV-Spitzenverband, auf rund zwei Euro. Wesentlich teurer sind die neuen Lesegeräte bei Ärzten, Krankenhäusern und Therapeuten. Hier liegen die Kosten zwischen 400 und 550 Euro. Unterm Strich stehen allein für dieses Jahr Kosten von 170 Millionen Euro. Damit es keine Probleme beim Übergang von alt auf neu gibt, können die Terminals beide Karten lesen. „Für den Versicherten ändert sich erst einmal gar nichts“, sagt IT-Experte Höfer. Auch wenn der Hausarzt noch kein Lesegerät hat und der Versicherte trotzdem schon die neue Karte zückt.
Die sichtbarste Veränderung im Vergleich zur alten Versichertenkarte ist das Lichtbild des Versicherten auf der Vorderseite. Damit soll der heute häufige Missbrauch ausgedienter oder fremder Karten verhindert werden. Wie bisher sind die Verwaltungsdaten des Versicherten gespeichert: Name, Geburtsdatum, Anschrift, Versichertennummer und Versichertenstatus. Neu ist die Angabe des Geschlechts. Außerdem ist auf der Rückseite die Europäische Krankenversicherungskarte aufgedruckt. Sie gewährleistet den Zugang zu medizinischer Versorgung innerhalb der 27 EU-Mitgliedsstaaten sowie in Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz.
Die eigentliche Revolution verbirgt sich aber in der Karte. Statt einer einfachen Speicherchip- ist sie eine Prozessorchipkarte, sodass medizinische Daten sicher gespeichert werden können. Vorerst kann die neue Karte aber kaum mehr als die alte Krankenversichertenkarte.
Die Beteiligten – wie Ärzte- und Apothekerverbände sowie der GKV-Spitzenverband – haben sich für den nächsten Schritt auf vier Anwendungen geeinigt. So sollen die Verwaltungsdaten künftig online aktualisiert werden können. Damit entfällt der heute übliche Austausch der Karte, wenn sich der Status des Versicherten oder dessen Adresse ändert. Darüber hinaus können Versicherte auf freiwilliger Basis notfallrelevante Daten speichern lassen, zum Beispiel über Medikamente, Allergien, Arzneimittelunverträglichkeiten, Implantate, die Anschrift des behandelnden Arztes oder Kontaktdaten der nächsten Angehörigen. Auch Hinweise auf eine Patientenverfügung, eine Organspendeerklärung oder ein Impfpass können hinterlegt werden.
Dazu sollen dank der neuen Karte Ärzte ihre Befunde online übermitteln können. Das erspart Doppeluntersuchungen und damit letztlich Kosten. Heute gelangen Diagnosen und Dokumente über Therapien meist auf Papier per Post von Arzt zu Arzt. Auch wenn verschiedene Ärzte und Kliniken gemeinsam behandeln, hilft die Karte künftig den Überblick zu behalten.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik soll dafür sorgen, dass die Karten und die auf ihnen gespeicherten Daten sicher sind. Laut BSI-Sprecher Bernd Kowalski können die Daten nur dann gelesen werden, wenn sich der Patient mit seiner Karte und der Arzt mit seinem Arztausweis am Terminal in der Praxis anmelden.
Wann und in welcher Reihenfolge die einzelnen Anwendungen realisiert werden, ist noch völlig offen. Carl-Heinz Müller, Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, sieht die Möglichkeit, dass Ärzte und Kliniken mit der Karte als Schlüssel online auf Server zugreifen und Befunde von einzelnen Patienten herunterladen, „wohl erst in fünf Jahren Wirklichkeit“ werden. Die Krankenkassen wollen sich auf keinen Zeitraum festlegen lassen, drängen aber andererseits darauf, die Onlineprüfung der Stammdaten möglichst schnell einzuführen.
Privatversicherte bleiben bei der Gesundheitskarte außen vor: Ihre Versicherungsgesellschaften sind 2009 auf dem Höhepunkt der Querelen um die Gesundheitskarte aus der Entwicklung ausgestiegen. Zum einen, so sagt Oliver Stenzel, Pressesprecher des Verbands der Privaten Krankenversicherung (PKV), weil damals viele Ärzte signalisiert hätten, dass sie die Karte nicht akzeptieren würden. Zum anderen, weil der Gesetzgeber – im Unterschied zu den Mitgliedern der GKV – für Privatversicherte keine verpflichtende Nutzung der eGK vorgesehen habe. Ob sich die Privatversicherer diese Abstinenz für ihre rund zehn Millionen Kunden auf Dauer leisten können, bezweifeln Beobachter der Branche allerdings.
Sollte sich das System bewähren, bedeutet das zwar einen weiteren Schritt hin zum gläsernen Patienten, aber auch sinkende Kosten für die Versicherer. Mit etwas Glück sorgt dies dann auch dafür, dass sich die Preisspirale der medizinischen Versorgung für die Patienten etwas langsamer entwickelt.