Berufsunfähigkeit

BU versichern: Kein Job, aber Geld

aktualisiert 15.09.11 11:45 Uhr

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung sollte jeder haben, der arbeitet. Die Auswahl ist groß, die Unterschiede sind riesig. Was eine gute Police ausmacht, wer sie bietet.

von Markus Hinterberger, €uro am Sonntag

Ein 8,2 Millionen Euro teurer Hoffnungsträger – das war Sebastian Deisler, als er mit Anfang 20 beim FC Bayern unterschrieb. Fünf Jahre später war er berufsunfähig. Ständige Verletzungen und Depressionen hatten die Karriere des Spielmachers gebremst und ihr schließlich ein Ende bereitet.

Deisler ist kein Einzelfall. Jedes Jahr müssen Tausende ihren Job vorzeitig verlassen. Nicht nur Jobs, in denen körperlich hart gearbeitet wird, sind riskant. Auch Schreibtischtäter sind betroffen. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts sind psychische Krankheiten auf dem Vormarsch. Fast jeder Vierte, der berufsunfähig wird, klagt über Nerven­leiden. Vor zehn Jahren war das nicht einmal jeder Fünfte.

Nur einer von vier Werktätigen hat eine Berufsunfähigkeitspolice. Der Rest scheint auf sein Glück oder ­Vater Staat zu vertrauen. Ob der hilft, hängt vom Alter ab: Wer vor 1961 ­geboren ist, kann mit 60 Prozent seines letzten Bruttogehalts als Rente rechnen. Alle anderen bekommen höchstens 32 Prozent, wenn sie auch einfachste Arbeiten nicht mehr verrichten können. „An der Berufsunfähigkeitsversicherung führt kein Weg vorbei“, sagt Hajo Köster vom Bund der Versicherten.

Eine gute Police deckt alle Krankheitsbilder ab. Voraus­gesetzt, der Versicherte hat keine Vorerkrankungen beziehungsweise verschweigt sie nicht (siehe unten).

€uro am Sonntag hat selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherungen getestet. Das sind Angebote, die ausschließlich vor Berufsunfähigkeit schützen. Die 25 Versicherungen stellen mehr als 90 Prozent des Markts. Ziel des Tests war es, den Anbieter mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis und dem besten Service herauszufinden. Gemeinsam mit der Düsseldorfer Agentur Vierpartner hat die Redaktion zwei Musterfälle entwickelt. Diese wurden zweifach, einmal für eine Frau und einmal für einen Mann, abgefragt.

Die Versicherungsprämie machte für die Gesamtwertung 30 Prozent aus. Mit 40 Prozent schlugen die Konditionen, also Angebotsprozess wie die Gesundheitsprüfung und die Auswahlmöglichkeiten, zu Buche. Die übrigen 30 Prozent galten dem Kundenservice und dem Informationsmaterial. Hier gab es über 300 Anrufe und E-Mails von anonymen Testkunden.

Ein Blick auf das Gesamtergebnis (Tabelle unten) zeigt ein gutes Bild: Kein Anbieter bekam die Schulnote „ausreichend“ oder schlechter. Beim Testsieger Ergo Direkt, der früheren Karstadt Quelle Versicherung, stimmen sowohl Preis und Leistung als auch der Service. HDI Gerling musste sich wegen seiner im Vergleich schwachen Internetseite mit Platz 2 begnügen. Deutscher Ring, ebenfalls mit einer 1 bewertet, zeigte leichte Schwächen im Service, bot aber wie die anderen beiden Topkonditionen. Gewaltige Unterschiede gab es beim Preis. Hier trennte sich die Spreu vom Weizen: Im Testfall 2 verlangte die teuerste Versicherung, die Neue Leben, für den Mann den 4,3-fachen Bruttobeitrag der AXA, die den günstigsten Tarif bietet.


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Um das Preis-Leistungs-Verhältnis zu ermitteln, wurden die Er­gebnisse des Preischecks und des Konditionenvergleichs zusammengerechnet. Hier siegte die Alte Leipziger knapp vor HDI und Ergo Direkt. Beim Service siegten Ergo Direkt und HDI, aber auch die sonst eher mittelmäßige Mamax konnte punkten. Anbieter wie VHV oder Zurich lagen hier wie auch in der Gesamtwertung weit hinten.

Fall 1:
Versicherter ist 35 Jahre alt, angestellter Betriebswirt, beantragt eine BU-Rente über 2.000 Euro monatlich, die Versicherung soll bis zum 67. Lebensjahr laufen. Folgende Merkmale wurden angegeben: Nichtraucher/in, kein Drogenkonsum, aktiver Sportler/in, schwimmt regelmäßig und taucht gelegentlich im Urlaub, keine Extremsportarten. Krankheiten: normaler Heuschnupfen, keine ärztliche Behandlung. Bei keiner Versicherung führten die Angaben zu einer Aufstockung der Beträge.

Fall 2: Versicherter ist 40 Jahre alt, ­angestellter Verkäufer im Einzelhandel, beantragt eine BU-Rente von 1.000 Euro monatlich, die Versicherung soll bis zum 65. Lebensjahr laufen. Folgende Merkmale wurden angegeben: Nichtraucher/in, kein Drogenkonsum, Brillen­träger (links: -3,0, rechts: -2,5 Dioptrien), leichtes Übergewicht (Mann: 1,80 m groß, 90 Kilo, BMI: 27,78; Frau: 1,70 m groß, 75 Kilo, BMI: 25,95). Er/sie treibt keinen Sport und hat keinerlei Vorerkrankun­gen. Bei keiner Versicherung führten die Angaben zu einer Aufstockung der Beträge.

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Berufsunfähigkeit
richtig versichern

Um möglichst lang umfassend geschützt zu sein, raten Verbraucherschützer, eine Berufsunfähigkeitsversicherung, kurz BU, so früh wie möglich abzuschließen. Hier die Hauptkriterien für eine der wichtigsten Versicherungen.

Alter
Es heißt zwar „je jünger, desto besser“, aber wer bereits als Schüler versichert sein möchte, landet oft in einer hohen Risikogruppe, da der künftige Beruf noch offen ist. Leichter fällt es Studenten, bei denen der spätere Beruf meist schon feststeht. Zudem gilt: Berufsunfähige Akademiker können nicht mehr gezwungen werden, als Pförtner zu arbeiten.

Azubis, Hausfrauen und -männer
sollten auf eine echte BU pochen. Oft bekommen sie nur Schutz vor Erwerbsunfähigkeit angeboten. Einen Beruf hat aber fast jeder.

Beamte
Staatsdiener sollten in ihrem BU-Vertrag auf eine Dienstunfähigkeitsklausel achten, die Dienstunfähigkeit mit Berufsunfähigkeit gleichsetzt.

Beratung
Verbraucherzentralen oder der Bund der Versicher­ten erteilen gegen Honorar oder Beitrag allgemeine Ratschläge. Versicherungsmakler helfen, den passenden Vertrag zu finden, und stellen für Kunden mit Vorerkrankungen anonyme Anfragen. Für die Vermittlung kassieren sie eine Provision.

Beruf
Auf die Frage, welcher Beruf wie gefährlich ist, hat ­jeder Versicherer eine andere Antwort. Gemeinhin gelten Berufe mit hoher körperlicher Belastung als die gefährlicheren. So zahlt ein Maurer – sofern eine Versicherungen ihn nimmt – mehr für seine Versicherung als ein Sachbearbeiter bei einer Bank. Doch auch vermeintlich ungefährliche Bürojobs können aus Sicht des Versicherers ein hohes Risiko darstellen. So gelten Manager, Jour­nalisten, Handlungsreisende und Lehrer als anfällig für psychische Erkrankungen. Bei vielen Versicherern können Interessierte bereits online ihre Risikogruppe abschätzen lassen.

Erwerbsunfähigkeit
Versicherungen gegen Erwerbs­unfähigkeit zahlen seltener als die BU, da der Versicherte praktisch unfähig sein muss, überhaupt einen Beruf auszuüben.

Gesundheitstest
Schummeln bei den Gesundheitsfragen kann zum Ausschluss aus der BU führen. Ein Sonderfall sind Krankheiten, von denen der Kunde bei Versicherungsabschluss noch nichts wusste. In guten Policen sind diese Krankheiten kein Ausschlusskriterium.

Kapitalbildende BU
Verbraucherschützer warnen vor Kombiprodukten aus einer BU und einer kapitalbildenden Lebensversicherung. Das Problem: Kann der Versicherte, etwa weil er arbeitslos wird, die hohen Beiträge nicht mehr zahlen, verliert er nicht nur seine Lebensversicherung, sondern auch den BU-Schutz. Eine eigenständige BU ist sinnvoller.

Laufzeit
Eine BU sollte bis zum Rentenbeginn laufen.

Rechnen Die BU-Rente sollte alle Kosten für den Lebens­unterhalt, Versicherungen und Altersvorsorge abdecken. Eine Beitragsdynamik hilft, die Inflation auszugleichen.

Risikolebensversicherung
Bei BU-Policen mit integrier­ter Risikolebensversicherung gilt: Wer keine Risikovorsorge braucht, sollte die Todesfallsumme begrenzen. Preisunterschie­de zu selbstständigen Policen gibt es dann nicht.

Unfallversicherung
Sie hilft etwa einen teuren Klinikaufenthalt zu finanzieren. Sie ersetzt jedoch nicht die BU, da sie, wie der Name schon sagt, nur bei Unfällen leistet.

Verweisung
Ein guter Vertrag sollte die abstrakte Verweisung ausschließen. Denn sonst kann der berufsunfähige Versicherte gezwungen werden, einen anderen Beruf auszuüben.

Testsieger Berufsunfähigkeitsversicherungen (pdf)

Bestes Preis/Leistungs-Verhältnis (pdf)