Der gute Hegemon

21.03.25 07:41 Uhr

Weltweit wird die USA oft als Akteur mit imperialistischen Machtinteressen, wahrgenommen, der zu geopolitischen Interventionen neigt. In ihrer Geschichte reihen sich nicht wenige dunkle Kapitel – wie der CIA-Putsch im Iran, die Gräuel des Vietnamkriegs und die Niederschlagung zahlloser sozialistischer Bewegungen. Besonders für die Generation, die die illegale Irak-Invasion 2003 unter George W. Bush erlebte, war das Bild der USA als „böses Imperium“ nahezu selbstverständlich. Doch je mehr man sich mit der Rolle der USA in der Weltgeschichte auseinandersetzt, desto klarer wird, dass dieses Bild zu kurz greift. So einseitig und verkürzt, wie Hollywood die USA oft als unfehlbaren Superhelden inszeniert, ist auch das Bild der USA als Inbegriff des Bösen.Der Blick auf die Geschichte zeigt, dass die USA mehr Gutes als Schlechtes in der Welt bewirkt haben.Der Blick auf die Geschichte zeigt, dass die USA – trotz ihrer oft kritisierten geopolitischen Ambitionen – mehr Gutes als Schlechtes in der Welt bewirkt haben. Sie sind weder der unfehlbare Held noch der ultimative Bösewicht der Weltgeschichte. Tatsächlich sind die USA wohl als der transparenteste, zurückhaltendste und am meisten Rechenschaft ablegende Hegemon in der Geschichte der Menschheit. Immer wieder haben sie den Versuch unternommen, ihre Macht verantwortungsvoll und in Übereinstimmung mit internationalen Normen auszuüben. Die Frage ist: Was passiert, wenn diese dominierende Macht sich zunehmend zurückzieht? Wer würde ernsthaft annehmen, dass ein vergleichbar mächtiges China oder Russland diese Prinzipien von Verantwortung und Transparenz einhalten würde?Wann immer puritanische Progressive den Untergang der USA herbeigesehnt haben, warnten weitsichtige Stimmen, dass wir die USA schmerzlich vermissen würden, sobald sie nicht mehr in der Lage wären, die globale Ordnung zu stabilisieren. Dieser Moment scheint nun tatsächlich gekommen zu sein. Dabei wird immer deutlicher, dass die USA trotz ihrer oft kontroversen militärischen Interventionen eine zentrale Rolle bei der Wahrung der internationalen Ordnung gespielt haben. Sie verhinderten etwa ethnische Säuberungen in Bosnien und im Kosovo, sie zwangen durch Sanktionen das Apartheid-Regime in Südafrika in die Knie und schützten Südkorea vor dem autoritären Norden.Auch in der Ukraine haben sich die USA einmal mehr als Stabilitätsgarant in einer zunehmend unberechenbaren Welt erwiesen. Fast 183 Milliarden Dollar an Militärhilfe wurden geleistet – nicht aus finanziellen Interessen, sondern aus einer tief verwurzelten moralischen Überzeugung heraus. Dies belegt die Haltung von Donald Trump, der die Unterstützung der Ukraine infrage stellt – gerade weil er sich keinen unmittelbaren Nutzen davon verspricht. Für ihn steht nicht die Verteidigung der liberalen Demokratie im Vordergrund, sondern einzig der Return on Investment. Dies zeigt, dass die geleistete amerikanische Hilfe nicht ihren finanziellen oder machtpolitischen Interessen zu verdanken ist, sondern einer moralischen Überzeugung – die Trump völlig fremd ist.Ein weiteres Beispiel für die moralische Dimension der amerikanischen Außenpolitik ist die Unterstützung der USA für Israel. Auch wenn viele die USA für die Brutalität des israelischen militärischen Vorgehens im Gazastreifen verantwortlich machen, beruhte diese Unterstützung immer auf einem moralischen Fundament. Für viele Amerikaner war und ist es eine historische Verpflichtung, ein jahrhundertelang verfolgtes Volk vor der Vernichtung zu schützen. Auch angesichts der dramatischen Ereignisse in der Folge des 7. Oktober 2023 wurde die moralische Verantwortung für den Schutz Israels wenig hinterfragt. Gleichzeitig haben die USA in den letzten 20 Jahren rund sieben Milliarden Dollar an das palästinensische Volk gespendet – Gelder, die ausschließlich für humanitäre Zwecke wie Bildung, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur verwendet wurden. Die amerikanische Außenpolitik war also nicht einseitig: Auch die Palästinenser erhielten Unterstützung, die als gerechtfertigt und notwendig erachtet wurde.Nicht nur im Nahen Osten, sondern weltweit leisteten die Vereinigten Staaten einen erheblichen Beitrag zur humanitären Hilfe. Sie stellen fast 40 Prozent der globalen Auslandshilfe bereit, finanzierten mehr als ein Viertel des UN-Friedensbudgets und trugen die Hälfte des Budgets des Welternährungsprogramms. Doch noch bedeutender ist vielleicht Folgendes: Fast 80 Jahre lang standen alle Demokratien der Welt zusammen – unter den schützenden Armen der größten Militärmacht der Geschichte.Viele genossen die Sicherheit unter dem nuklearen Schutzschirm der USA, während sie gleichzeitig oft selbstgerecht über die enormen Ausgaben für das US-Militär spotteten, das ihre Sicherheit erst ermöglichte. Es ist eine faszinierende Eigenart der Geschichte, dass die größten Nutznießer der US-Hegemonie seit dem Zweiten Weltkrieg wahrscheinlich die beiden Nationen sind, die während des Zweiten Weltkrieges ihre größten Gegner waren. Ironischerweise war es die Entmilitarisierung von Deutschland und Japan, die es diesen Ländern möglich machte, ihre Ressourcen in den Wiederaufbau der Wirtschaft und in das Wohlergehen der Bevölkerung zu stecken, statt in die teuren Belange der nationalen Verteidigung. Zwischen 1960 und 2020 betrugen die Militärausgaben Japans im Durchschnitt weniger als ein Prozent des BIP, die Deutschlands etwa 2,3 Prozent. Die Militärausgaben der USA dagegen lagen bei durchschnittlich 5,5 Prozent des BIP. Auf den ersten Blick wirkt es womöglich, als würden diese kleinen Zahlen keinen großen Unterschied machen. Doch über Jahrzehnte hinweg ergibt sich eine enorme Kluft. Während die USA die Last der militärischen Verteidigung beider Nationen trugen, konnten Japan und Deutschland ihre Ressourcen für den Ausbau sozialer Sicherheitssysteme nutzen. Sie finanzierten eine universelle Gesundheitsversorgung, subventionierten das Bildungswesen und schufen ein soziales Netz, das in den USA so gar nicht vorstellbar ist.Die Welt hat sich daran gewöhnt, dass die Vereinigten Staaten die Rolle des globalen Beschützers übernehmen.Die Welt hat sich daran gewöhnt, dass die Vereinigten Staaten die Rolle des globalen Beschützers übernehmen, stets bereit, die Last der internationalen Stabilität und Sicherheit zu tragen. Doch über Jahrzehnte wurde den USA mit wenig mehr als Undankbarkeit gedankt. Wo immer die USA nicht eingriffen, wurde dies lautstark beklagt; griffen sie jedoch ein, blieben Dank und Anerkennung rar. Stattdessen hagelte es Kritik, oft begleitet von dem Vorwurf, sie hätten ihre Interessen auf Kosten anderer durchgesetzt.Nun, unter der Führung von Donald Trump, ziehen sich die USA zurück, um sich ausschließlich auf ihre eigenen Interessen zu konzentrieren. Trumps Administration markiert einen klaren Bruch mit den altruistischen Prinzipien früherer Jahre. Sie hat sich entschieden hat, auf die weltweiten Eingriffe und Unterstützungsleistungen zu verzichten, die lange Zeit das amerikanische Selbst- und Weltbild prägten. Es ist leicht, Trump dafür zu kritisieren, dass er die Ideale der internationalen Zusammenarbeit und der Unterstützung aufgibt. Aber spiegelt sich darin nicht auch das Verhaltens der Weltgemeinschaft? Die USA sind nicht länger ideologisch auf dieselben Prinzipien des globalen Führens und der demokratischen Solidarität verpflichtet. Nach Jahren der Bereitstellung von Schutz und Hilfe ist es verständlich, dass sich die amerikanische Führung von dieser Rolle zurückzieht. Dass diese Rolle von den Partnern weltweit erwartet wird – ohne Gegenleistung oder Anerkennung –,  stößt der amerikanischen Gesellschaft mittlerweile bitter auf. Warum sollte man weiterhin geben, wenn die eigenen Bemühungen stets als selbstverständlich erachtet werden?Nun tritt die Welt in eine neue Ära ein: eine, die weniger gerecht, weniger wohlhabend und weniger sicher ist. Es hat einen wie Trump gebraucht, um der Weltgemeinschaft bewusst zu machen, wie gut sie es zuvor hatte. Das goldene Zeitalter der liberalen Demokratie ist vorbei, und mit ihm das langjährige Vertrauen auf die USA, die globale Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Folgen dieses Wandels werden nicht nur von der Welt, sondern auch von den Amerikanern selbst getragen werden müssen. Weiter zum vollständigen Artikel bei IPG Journal

Quelle: IPG Journal