Weniger zum gleichen Preis

Shrinkflation bei Inflation: So tricksen Lebensmittelhersteller bei Verpackungsgrößen und -inhalten

07.10.22 06:23 Uhr

Shrinkflation bei Inflation: So tricksen Lebensmittelhersteller bei Verpackungsgrößen und -inhalten | finanzen.net

Verbraucherschützer schlagen Alarm: In Deutschland greift mittlerweile nicht mehr nur die Inflation um sich, sondern auch die sogenannte "Shrinkflation". Unzählige Lebensmittelhersteller reduzieren heimlich ihre Produktinhalte, um bei gleichbleibenden Preisen mehr zu verdienen. Kunden sollen so unbemerkt stärker zur Kasse gebeten werden.

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Was ist eine Shrinkflation?

Wie man bei der Betrachtung des Begriffs "Shrinkflation" erkennen kann, setzt er sich aus den zwei Wörtern "shrink", englisch für "schrumpfen", und "Inflation" zusammen. Damit soll das Vorgehen von vielen Lebensmittelherstellern beschrieben werden, die im Zuge einer Inflation ihre Produktinhalte beziehungsweise Abfüllmengen bei gleichbleibender Verpackungsgröße weitestgehend unbemerkt reduzieren, um Preiserhöhungen zu kaschieren und Verbraucher nicht abzuschrecken. Kundinnen und Kunden reagieren psychologisch gesehen viel stärker auf Änderungen am Preisschild als bei der Inhaltsangabe, besonders, wenn die Verpackung ihr Aussehen nicht ändert. So fällt es vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern auch erstmal gar nicht auf, dass sich etwas geändert hat. Für Unternehmen mag das ein cleverer und wohl auch legitimer Trick sein, Verbraucherschützer sehen darin allerdings eine klare Täuschung der Kundschaft. "Größe und Aufmachung der Produktverpackung sind unverändert, so dass die Menschen die indirekte Preissteigerung gar nicht oder erst beim Öffnen wahrnehmen. Das ist nicht fair", kommentiert Wiebke Franz von der Verbraucherzentrale Hessen in einer Pressemitteilung. Die Lebensmittelhersteller sehen sich indes zu dem Schritt gezwungen. Die Inflation lässt für sie die Kosten steigen und macht Preisanpassungen notwendig. Wenn sie dies allerdings schlicht über eine offenkundige Erhöhung machen, schrecken sie die Konsumenten ab und verlieren an Absatz. Da macht sich eine Reduzierung des Produktinhalts besser - selbst wenn man damit den Kunden wahrscheinlich bewusst etwas hinters Licht führt.

In Deutschland reduzieren etliche Unternehmen ihre Füllmengen - behalten aber die Preise bei

Für Verbraucherschützer ist eine Shrinkflation nichts Neues. In den letzten Monaten sollen laut Wiebke Franz die Beschwerden darüber jedoch deutlich zugenommen haben. "Wir erleben gerade die erste Welle solcher versteckter Preiserhöhungen", sagt Armin Valet, Lebensmittelexperte bei der Verbraucherzentrale Hamburg, der Deutschen Presse-Agentur. Der Höhepunkt dieser Entwicklung soll allerdings erst noch kommen. Für die Durchführung solcher Maßnahmen benötigen die Unternehmen schließlich eine gewisse Vorlaufzeit. Ein bekannter und aktueller Fall von Shrinkflation sind die berühmten Goldbären von Haribo. Wie der Deutschland-Chef Gordon Kaup gegenüber der Lebensmittelzeitung bekannt gab, reduziert sich der Inhalt der Gummibären-Tüte von 200 auf 175 Gramm, der Preis bleibt aber gleich. Haribo kann dabei immerhin als eines der wenigen Unternehmen gesehen werden, das ganz offen über die kleinere Füllmenge spricht und ebenfalls die Verpackung merklich kleiner gestaltet. Gegenüber dem Kunden möchte man schließlich transparent sein und weiterhin erschwinglich bleiben. Nicht ganz so transparent sollen zahlreiche andere Hersteller sein. Wie die Verbraucherzentrale Hamburg berichtet, hat Upfield sein Produkt Rama von 500 auf 400 Gramm pro Becher abgespeckt und verdient somit gleich 25 Prozent mehr am Verkauf einer Einheit. Nach Angaben der Verbraucherzentrale soll das Unternehmen in der Vergangenheit schon öfter versteckte Preiserhöhungen bei Marken wie Lätta, Sanella und Becel durchgeführt haben. Laut Tagesschau sah sich auch der Knabberartikel-Hersteller Intersnack "zur Anpassung der Füllmenge der ültje-Erdnüsse" gezwungen. Weitere Beispiele soll es bei Marmelade, Chips und Tiefkühlpizzen geben. Auch über die Lebensmittelbranche hinweg ist eine Shrinkflation möglich. So habe nach Angaben der Tagesschau Henkel bei seinem Weichspüler der Marke "Vernel" die Füllmenge bereits reduziert.

Beim Einkaufen ist Vorsicht geboten

Um sich vor der Shrinkflation so gut es geht "zu schützen", ist beim Einkauf deutlich mehr Wachsamkeit gefordert. Die Reduzierung des Inhalts wurde von vielen Unternehmen, wie bereits erwähnt, bewusst unauffällig gestaltet. Um den Tricksereien der Hersteller auf die Schliche zu kommen, müssen Preis und Füllmenge genau überprüft werden. Wie Wiebke Franz erklärt, sind die Unternehmen sogar äußerst einfallsreich beim Kaschieren der Shrinkflation: "Doppelte Böden, kleinere Sichtfenster oder geringfügig dünnere Schokoladentafeln - die Anbieter nutzen viele Tricks, damit die Konsumenten den geschrumpften Inhalt beim Einkauf nicht mitbekommen." Auf der Website der Verbraucherzentrale Hessen rät die Verbraucherschützerin, immer auf die Menge in Gramm oder Liter zu achten. Wer das Lebensmittel öfter kaufe, erkenne so den geschrumpften Inhalt. Doch nicht nur beim Gewicht oder dem Volumen kann sich etwas ändern, um ein bekanntes Produkt günstiger zu machen. Mittels "neuer Rezepturen" passen Hersteller die Zusammensetzung ihrer Produkte an und drücken dadurch mit anderen Zutaten die Kosten. Der Preis bleibt auch in diesem Fall gleich. "'Neu' steht für die meisten Menschen für etwas Positives. Sie erwarten eine Verbesserung, obwohl 'neu' nicht automatisch 'besser' heißt", meint Franz. "Wir empfehlen, die Zutatenliste aufmerksam zu prüfen, ob und wie sich die Rezeptur verändert hat. Stehen beispielsweise plötzlich Wasser und Bindemittel weiter vorne und dafür hochwertige Zutaten weiter hinten, ist das ein Hinweis darauf, dass sich die Qualität verschlechtert hat. Denn die Hersteller müssen die Zutaten in absteigender Menge in der Zutatenliste aufzählen", führt sie weiter aus. Damit Konsumenten nicht der Shrinkflation zum Opfer fallen, lohnt es sich, genauer hinzusehen und zu vergleichen. Womöglich findet man Alternativen, die mehr für das gleiche Geld bieten.

Nicolas Flohr / Redaktion finanzen.net

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