Langzeit-Arbeitsausfall

72 Wochen-Frist: Krankengeld ausgeschöpft - was nun?

02.10.23 22:57 Uhr

Nach 72 Wochen: Wie finanzielle Unterstützung erhalten, wenn das Krankengeld endet? | finanzen.net

Bei Erkrankungen bis zu sechs Wochen zahlt der Arbeitgeber den Lohn weiter, man spricht von Entgeltfortzahlung. Anschließend übernimmt die gesetzliche Krankenkasse und zahlt das so genannte Krankengeld, allerdings nur bis zu einer Dauer von 72 Wochen. Was also tun, wenn die Erkrankung darüber hinaus anhält?

Am Ende des Krankengeldes bleiben drei Optionen

Im Krankheitsfall beschäftigt viele Menschen nicht nur die Frage nach dem Gesundwerden, sondern auch die finanzielle Situation während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit. Ist man arbeitstätig und erkrankt dann, zahlt der Arbeitgeber das Gehalt wie gewohnt weiter - allerdings nur bis zu sechs Wochen und auch nur, wenn das Arbeitsverhältnis seit mindestens vier Wochen besteht, so der Sozialverband VdK. Nach Ablauf der sechs Wochen endet die Entgeltfortzahlung. Ab diesem Zeitpunkt setzt das Krankengeld ein, welches von der gesetzlichen Krankenkasse gezahlt wird. Vorsicht bei privaten Krankenversicherungen: Das Krankengeld ist eine Zusatzleistung und muss dementsprechend dazugebucht werden, so die Verbraucherorganisation Stiftung Warentest. Erhält man nun Zahlung durch die Krankenversicherung, ist es wichtig, auf eine lückenlose Einreichung der Krankmeldungen bei der Krankenkasse zu achten. Fehlende Krankmeldungen können zur Einstellung des Krankengeldes führen, erläutert der VdK. Das Krankengeld kann ab dem Tag der durch den Arzt festgestellten Arbeitsunfähigkeit beansprucht werden. Bei Aufenthalten in einer Vorsorge- oder Reha-Einrichtung gilt dies bereits ab dem ersten Tag.

Prinzipiell liegt die maximale Dauer für Krankengeld-Zahlungen bei 78 Wochen. Da die Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers jedoch abgezogen wird, bleibt eine Dauer von maximal 72 Wochen, so der Sozialverband. Dabei ist laut Haufe zu beachten, dass es sich um dieselbe Krankheit handelt und die 78 respektive 72 Wochen Arbeitsunfähigkeit innerhalb von drei Jahren stattfinden müssen. Wird die Zahlung beendet, spricht man von der Aussteuerung des Krankgeldes.

Ab diesem Zeitpunkt wird es kritisch und eine Entscheidung muss getroffen werden. Fehlt nämlich das Einkommen, können Betroffene laut Haufe auch ihren Krankenversicherungsschutz verlieren und durch das soziale Auffangnetz fallen. Deshalb ist es laut Dorothee Czennia, Referentin beim Sozialverband VdK, besonders wichtig, sich frühzeitig mit der Zeit nach der Aussteuerung zu beschäftigen. "Versicherte sollten sich unbedingt kümmern, solange sie noch Krankengeld erhalten", appelliert sie in einem Interview mit Stiftung Warentest. Dabei gibt es drei Optionen, die nach der Aussteuerung möglich sind: (1) Man kehrt wieder zurück in den Beruf; (2) Man erhält Arbeitslosengeld I; (3) Man erhält Erwerbsminderungsrente.

Wiedereinstieg in den Beruf

Entscheidet man sich für einen Wiedereinstieg in den Beruf, lassen sich unterschiedliche Modelle nutzen. Im besten Fall nutzen Arbeitnehmer das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM), welches der Arbeitgeber bei Erkrankungen, welche länger als sechs Wochen andauern, verpflichtend bereitstellen muss. Eine mögliche Verfahrensweise des stufenweisen Wiedereinstiegs bietet laut Stiftung Warentest das Hamburger Modell. Dabei wird mit dem Arzt ein Stufenplan festgelegt, welcher sukzessive die Arbeitszeit erhöht, um anschließend wieder auf die benötigten Stunden zu kommen. Häufig beginnt man mit vier Stunden, steigert sich dann auf sechs und landet schließlich wieder bei acht Stunden. Der Plan muss jedoch individuell gestaltet und letztlich auch vom Arbeitgeber abgesegnet werden. Im Rahmen des BEM ist der Arbeitgeber jedoch auch dazu verpflichtet, Maßnahmen zur Wiedereingliederung zu ermöglichen, indem bestimmte Hilfen zur Verfügung gestellt werden. Beispiele hierfür können behindertengerechte Zugänge, ergonomische Bürostühle oder höhenverstellbare Schreibtische sein. Doch was tun, wenn eine Rückkehr in den Berufsalltag noch nicht möglich ist?

Arbeitslosengeld I

Um die nun drohende Versorgungslücke zu schließen, kann das Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit (ALG I) gemäß Paragraf 145 SGB III beantragt werden. Dies wird von der Agentur für Arbeit geregelt und wird auch trotz eines weiter bestehenden Arbeitsverhältnisses ausgezahlt. Das ALG I stellt Haufe zufolge eine besondere Form des Arbeitslosengeldes dar, denn es wird bis zu einer nachfolgenden Leistung gezahlt (Nahtlosigkeitsregelung) und stellt damit ebenso wie die anderen Maßnahmen nur eine Übergangslösung dar. Anspruch auf ALG I hat man, wenn man mindestens zwölf Monate versicherungspflichtig war, so Stiftung Warentest.

Um Arbeitslosengeld I zu beantragen, muss man das Schreiben mit dem Hinweis, dass die Zahlungen der Krankenkasse bald beendet werden, bei der Arbeitsagentur einreichen. Dieses Schreiben erhält man etwa zwei oder drei Monate vor Aussteuerung des Krankengeldes. Ist dies nicht der Fall, empfiehlt die Verbraucherorganisation, dringend bei der Krankenkasse nachzuhaken. In der Regel beträgt das ALG I rund 60 Prozent des Nettoentgelts, bezieht man Kindergeld, erhöht sich der Prozentsatz auf 67.

Erwerbsminderungsrente

Wird nun eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit festgestellt, bleibt meist nur noch die Option der Erwerbsminderungsrente. Relevant ist hierbei jedoch die allgemeine Arbeitsunfähigkeit, also jegliche Art der Tätigkeit und nicht nur die zuvor ausgeübte. Neben der allgemeinen Arbeitsunfähigkeit gilt auch eine fünfjährige Mindestversicherungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung. Darüber hinaus müssen Pflichtbeiträge in den letzten fünf Jahren mindesten drei Jahre lang entrichtet worden sein. Dabei zählen jedoch nicht nur sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen als Pflichtbeitragzeiten, sondern auch Zeiten der Kindererziehung beziehungsweise Pflege.

Bei der Erwerbsminderungsrente gilt, dass Personen, welche aufgrund von Erkrankungen oder Unfällen weniger als drei Stunden am Tag arbeiten können, die volle Leistung erhalten, so die Verbraucherorganisation. Bei drei bis sechs Stunden pro Tag reduziert sich die Höhe der Erwerbsminderungsrente bereits auf die Hälfte. Problem bei der Erwerbsminderungsrente ist laut Stiftung Warentest jedoch, dass rund 40 Prozent der Anträge abgelehnt werden. Die Organisation empfiehlt daher, sich frühzeitig um eine private Berufsunfähigkeitsversicherung zu bemühen, um rechtzeitig vorzusorgen.

J. Vogel / Redaktion finanzen.net

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