Viertagewoche: Ist das neue Arbeitsmodell auf dem Vormarsch?
Immer größer wird die Debatte um die Viertagewoche. In manchen Ländern bereits erfolgreich integriert, ist man in Deutschland noch zurückhaltend. Doch wird sich das in Zukunft ändern?
Arbeitsmodell kann Stress fördern
Bereits seit einigen Jahren werden die Möglichkeiten und Probleme der Viertagewoche immer wieder umrissen. Als Beispiel dient unter anderem Belgien, das 2022 das neue Arbeitsmodell gesetzlich eingeführt hat. Ziel der Viertagewoche ist die Steigerung der Produktivität bei Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit, um für mehr Zufriedenheit zu sorgen und Fachkräfte ins eigene Unternehmen zu locken. Neben Belgien starteten auch andere Länder bereits Projekte, welche die Viertagewoche testen sollten. So berichtet die Tagesschau, dass in Island rund 2.500 Arbeitskräfte die verkürzte Arbeitswoche über vier Jahre ausprobieren durften - statt 40 Stunden arbeiteten sie noch 36 beziehungsweise 35 Stunden, und das ohne Lohnkürzungen. Dieses Konzept wurde größtenteils auch nach Ende des Versuchs noch beibehalten. Auch Großbritannien entschloss sich dazu, die Viertagewoche anhand von 61 Unternehmen zu testen. Im Anschluss an das Projekt behielten 56 dieser Unternehmen die Viertagewoche bei, wie es weiter heißt.
Zu unterscheiden sind dabei zwei Modelle: Während in Belgien die Arbeitszeit gleichbleibt und einfach nur auf vier Tage umverteilt wird, existiert auch der so genannte "100-80-100"-Ansatz. Besonders die erste Variante bietet viel Angriffsfläche für Kritik, da eine Umverteilung der Arbeitsstunden schnell zu einer Arbeitszeitverdichtung führen kann. Statt acht Stunden am Tag müssen nun zehn Stunden am Tag gearbeitet werden, wodurch ein Tag die Woche frei bleibt - die anderen Tage jedoch kaum Zeit für private Angelegenheiten und Aktivitäten übriglassen. Das soll bei dem "100-80-100"-Ansatz umgangen werden, indem sowohl die Arbeitszeit als auch die Arbeitslast reduziert werden. Bei gleichbleibendem Gehalt soll die wöchentliche Arbeitszeit sich auf 80 Prozent reduzieren, um hundertprozentige Produktivität zu ermöglichen, wie die Tagesschau erläutert.
Problematisch ist vor allen Dingen, dass nicht jeder Berufsgruppe eine Viertagewoche ermöglicht werden kann. Insbesondere bei Schichtbetrieben müssten die Schichtsysteme vollständig revidiert werden. Auch Berufe, in denen bereits jetzt Kapazitätsgrenzen erreicht werden, könnten vor neue Herausforderungen gestellt werden. Betroffen sind hierbei unter anderem Pflegefachkräfte oder Erzieher. Grundsätzlich stellen sich viele Fragen bei der Umsetzbarkeit, da beispielsweise die Unternehmen in Großbritannien Unterstützung bei der Implementierung und Ausgestaltung erhielten, so die Tagesschau.
Immer mehr Stellenanzeigen zu finden
Trotz dieser Problematiken lassen sich immer mehr Stellenanzeigen finden, welche mit einer Viertagewoche werben. So konnte eine Datenanalyse der Berliner Employer Branding Beratung Index - welcher WELT exklusiv vorliegt - zeigen, dass sich die Anzahl der Stellenanzeigen seit 2019 mehr als versechsfacht haben. Untersucht wurden 200 Printmedien, 275 Onlinemedien, das Stellenportal der Bundesagentur für Arbeit und rund 650.000 Firmenwebsites. Der Analyse zufolge werben insbesondere Stellenanzeigen in Branchen wie dem Bauwesen, Handwerk und technischen Berufen mit der Viertagewoche. Am wenigsten vertreten ist das neue Arbeitsmodell in Wirtschaftsbereichen wie dem Einkauf oder der Materialwirtschaft.
Redaktion finanzen.net
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