Gender Pay Gap

DIW-Studie: Frauen verdienen 20 Prozent weniger als Männer - und die Deutschen denken geschlechtsübergreifend, dies sei gerecht

14.09.20 23:33 Uhr

DIW-Studie: Frauen verdienen 20 Prozent weniger als Männer - und die Deutschen denken geschlechtsübergreifend, dies sei gerecht | finanzen.net

Männer in ganz Europa verdienen mehr als Frauen. In Deutschland beträgt der sogenannte Gender Pay Gap ganze 20 Prozent - aber die Ergebnisse einer in diesem Jahr vom DIW veröffentlichten Studie ergeben überraschenderweise dennoch, dass die Lohnungleichheit von den Betroffenen als gerecht empfunden wird.

Gender Pay Gap: So ist die Lage in Deutschland

"Der Gender Pay Gap ist die Differenz des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes (ohne Sonderzahlungen) der Frauen [...] im Verhältnis zum Bruttostundenverdienst der Männer."

So steht es auf der Website des Statistisches Bundesamtes (destatis). In Erhebungen zum Gender Pay Gap, also der Lohnungleichheit, wird zwischen dem sogenannten "unbereinigten Gender Pay Gap" und "bereinigten Gender Pay Gap" differenziert: Der unbereinigte Gender Pay Gap betrachtet die Löhne erwerbstätiger Männer und Frauen, ohne auf Qualifikation, Position, Arbeitszeit und andere Kriterien zu achten - es werden sozusagen alle in einen Topf geworfen. Allerdings arbeiten destatis zufolge 47 Prozent der erwerbstätigen Frauen im Alter von 20 bis 64 Jahren in Deutschland in Teilzeit und zudem auch eher in Branchen mit niedrigeren Löhnen.

Deswegen ist der unbereinigte Gender Pay Gap für den direkten Vergleich unter beispielsweise Kollegen nicht sehr aufschlussreich. Der bereinigte Gender Pay Gap, der Personen mit gleicher Qualifikation vergleicht, dient derlei Gegenüberstellungen von Personen mit gleicher Qualifikation und Position. Er betrug 2014 sechs Prozent zu Ungunsten der Frauen, berichtet destatis. Aktuellere Zahlen gibt es nur zum unbereinigten Gender Pay Gap: 2019 betrug er deutschlandweit 20 Prozent - Männer verdienen im Median 22,16 Euro stündlich, während es bei Frauen lediglich 17,72 Euro pro Stunde seien, so destatis.

Man sollte meinen, diese Unterschiede würden als nicht fair betrachtet - insbesondere, da Deutschland neuesten Eurostat-Erhebungen zufolge im EU-weiten Ranking 2018 mit einem Gender Pay Gap von 21 Prozent vor Estland (23 Prozent) auf dem vorletzten Platz lag und andere Länder wie Rumänien (drei Prozent), Luxemburg und Italien (je fünf Prozent) Frauen deutlich besser entlohnen.

Die Studie: Wie viel Lohn ist gerecht?

Und genau dies hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mithilfe einer Studie untersucht, deren Ergebnisse erst in diesem Jahr veröffentlicht wurden: Werden niedrigere Löhne für Frauen als gerecht empfunden?

Für die Erhebung wurden sowohl männliche als auch weibliche Probanden verschiedener Altersklassen zu ihren Gehaltsvorstellungen für fiktive Personen befragt. Jede fiktive Person gab es dabei doppelt: Qualifikation, Position, Alter und alle weiteren Merkmale blieben identisch - aber das Geschlecht wurde geändert.

Offenbar befanden die Befragten im Schnitt in etwa drei Prozent höhere Löhne für Männer als gerecht. Interessant sei, dass der als fair empfundene Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen sowohl mit dem Alter der fiktiven Personen als auch mit dem Alter der Probanden größer wurde: Die 23- bis 33-Jährigen empfinden der Auswertung zufolge nur einen kleinen Gender Pay Gap von etwas mehr als null Prozent als gerecht, während die 42- bis 63-Jährigen schon etwa vier Prozent Gender Pay Gap für fiktive Personen mit den gleichen Merkmalen als gerechtfertigt betrachteten. Die ältesten Befragten haben den Studienautoren zufolge sogar einen Gap von über fünf Prozent abgesegnet - diese Verteilung unter jüngeren und älteren Probanden entspricht offenbar ungefähr den tatsächlichen Lohnverhältnissen auf dem Arbeitsmarkt.

Aufgrund der Ergebnisse wird die Politik zum Handeln aufgefordert

Dass die Verteilung der Ergebnisse dem Arbeitsmarkt entspricht, sei aber kein Indiz für eine gerechte Lage auf dem Arbeitsmarkt, erklären die Studienautoren - vielmehr würden die Probanden ihr Urteil anhand ihrer Erlebnisse fällen, ohne selbst Gerechtigkeit bezüglich ihres Entgelts erfahren zu haben. Deswegen würde dazu aufgefordert, diese Erlebnisse, also die Einstellung der Arbeitnehmer und -geber, zu verändern:

"Im Berufsleben erfahrene Ungleichheiten scheinen sich also in stereotypen Einstellungen widerzuspiegeln. Das kann den Gender Pay Gap letztlich zementieren. Um dem entgegenzuwirken, braucht es unter anderem mehr weibliche Vorbilder in klassisch männlich konnotierten Rollen und umgekehrt. Die Politik sollte dafür nötige Rahmenbedingungen setzen und beispielsweise Geschlechterquoten für Führungspositionen erwägen und die Zahl der Partnermonate beim Elterngeld erhöhen." So könnten sich Väter mehr an der Kinderbetreuung beteiligen.

Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz nicht ausreichend

In einigen Bereichen hat sich in den letzten Jahren bereits etwas verändert: So wird laut destatis im öffentlichen Dienst auf einen geringen Gender Pay Gap geachtet - zumindest deutlich geringer als in der Privatwirtschaft. Außerdem gibt es mittlerweile das sogenannte "Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern", welches allerdings viel kritisiert wird.

Denn: Frauen dürfen nun zwar nicht mehr aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Mutterschaft geringer entlohnt werden als ihre männlichen Kollegen - sie müssen ein höheres Gehalt oder eine Entschädigung allerdings vor Gericht einklagen. Genügend Geld für die Anwaltskosten hätten sie allerdings oftmals nicht, so der in diesem Feld tätige Anwalt Klaus Michael Alenfelder gegenüber der Zeit. Und: "Die meisten Frauen wollen es sich nicht mit ihrem Arbeitgeber verscherzen, deshalb klagen sie nicht."

In diesem Rahmen kritisiert wird auch das Ehegattensplitting, welches zwar theoretisch nicht geschlechterspezifisch aufgezogen ist, Frauen aber oftmals davon abhält, mehr zu arbeiten - also davon, mehr Qualifikationen und Arbeitserfahrung zu sammeln, welche ihnen später mehr Lohn einbringen könnten.

Jemand muss den ersten Schritt machen: Vorbilder sind das A und O

Gäbe es, wie die DIW-Autoren es sich wünschen, mehr Väter in der Kinderbetreuung, wäre vielleicht nicht mehr knapp jede zweite deutsche Erwerbstätige Teilzeitkraft - denn laut destatis ist der hierfür häufigste Grund die Pflege von Angehörigen sowie die Kinderbetreuung.

Eine derartige Entwicklung würde den unbereinigten Gender Pay Gap verringern, denn: Eine weitere Studie aus dem Jahr 2019 besagt, dass die Geburt eines Kindes auf das Gehalt des Vaters momentan kaum Einfluss hat, auf das der Frau allerdings schon - in Deutschland verdienen Frauen nach der Geburt ihres ersten Kindes den Studienergebnissen zufolge auch nach zehn Jahren noch bis zu 61 Prozent weniger als vor ihrer Mutterschaft, weil sie beispielsweise in Teilzeit arbeiten.

Helfen könnten laut DIW-Autoren bereits einige wenige, die den Anfang machen: "Empirische Studien haben gezeigt, dass Vorbilder hier eine große Wirkung haben können. Mehr Frauen in männlich geprägten Berufen können die geschlechter-stereotypen Vorstellungen ihrer Kolleginnen und Kollegen verändern."

Übrigens: Destatis berichtet, dass der Gender Pay Gap im Osten Deutschland bei nur sieben, im Westen bei 21 Prozent liegt. Baden-Württemberg sei 2019 mit 25 Prozent das Bundesland mit dem höchsten Gender Pay Gap innerhalb Deutschlands gewesen.

Olga Rogler / Redaktion finanzen.net

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