Stress im Job kann man anhand der Stimme erkennen
Ein Team aus Psychologinnen und Psychologen der Universität des Saarlandes haben in einer Studie gemessen, dass sich Stress auf die Stimme auswirkt. Gestresste Personen sprechen in einer anderen Lautstärke, Schnelligkeit und Stimmlage - auch wenn das für viele Menschen kaum wahrnehmbar ist.
Stress lässt sich nur schwierig nachweisen und messen
Ob eine Person gestresst ist, lässt sich objektiv und aus wissenschaftlicher Sicht nur schwierig nachweisen und messen. Rein subjektiv können Beobachter in manchen Situationen sagen, dass es auf sie so wirke, als seien gewissen Menschen gerade gestresst. Bekommen Kollegen oder Freunde beispielsweise mit, dass eine Person aus ihrem Umfeld wegen der Fertigstellung eines wichtigen Projekts erheblich unter Zeitdruck steht und sowohl von Seiten des Vorgesetzten als auch der Kunden mit Nachfragen gelöchert wird, liegt es nahe, dass er oder sie aktuell Stress empfindet. Das Stressgefühl variiert jedoch von Person zu Person, sodass es sich nicht pauschal sagen lässt, ob jemand gestresst ist. Während manche selbst unter hohem Leistungsdruck immer noch komplett cool bleiben, kommen andere mit angespannten Situation weniger gut klar. Dies hängt mit der individuellen Belastbarkeit jeder einzelnen Person zusammen. "Sagen zu können: 'Diese Person hat Stress, die in der Nachbarabteilung jedoch nicht', das war bisher gar nicht so leicht", schreibt Thorsten Mohr in der Pressemitteilung der Universität des Saarlandes. In der Vergangenheit habe man unter anderem durch Abstriche im Mund den Cortisolspiegel für den Nachweis von Stress gemessen. In anderen Untersuchungen wurden hingegen die Hände von Freiwilligen zeitweise in eisgekühltes Wasser getaucht, um Stress über körperlichen Schmerz zu simulieren. Anschließend konnte ein gewisses Stressniveau in der Stimme festgestellt werden. Einen deutlich besseren Hinweis, dass man die Stimme einer Person für den Nachweis von Stress heranziehen kann, lieferten Auswertungen von Situationen, in denen ohne jeden Zweifel Stress empfunden wurde. "Es gab auch Auswertungen der Stimmen von Piloten, kurz vor einem Flugzeugabsturz. Deren Stimmen haben Stressanzeichen gezeigt, was vielleicht nicht weiter überraschend ist", erklärt Dr. Markus Langer vom Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität des Saarlandes in der Pressemitteilung zur Studie. Ob dieser Einfluss von Stress auf die Stimme auch im Arbeitsalltag festgestellt werden kann, untersuchten die Forscher der Universität des Saarlandes rund um Dr. Markus Langer in ihrer jüngsten Studie.
Psychologen untersuchten die Stimmen von Angestellten
Für ihre Untersuchung, ob man einen Zusammenhang zwischen tatsächlichem Alltagsstress auf der Arbeit und Veränderungen in der Stimme messen kann, befragten die Psychologinnen und Psychologen der Universität des Saarlandes 111 berufstätigen Probanden. Diese sendeten den Forscherinnen und Forschern eine Woche lang jeden Abend nach der Arbeit eine Sprachnachricht. In dieser sprachen sie unter anderem über Termine, Konflikte und den Zeitdruck auf der Arbeit. Wie bereits bei den Piloten, konnte auch bei den gestressten Angestellten Veränderungen in der Stimme beobachtet werden. Ein anderes Resultat lieferte jedoch die Analyse der Frage, ob sich eine Person aktuell gestresst fühle. Während sich bei Gesprächen über Termine, Konflikte und Zeitdruck die Stressanzeichen in der Stimme mit dem wiedergegebenen Stressniveau auf der Arbeit deckten, war dies bei der Beantwortung der Frage, ob man Stress empfinde, nicht der Fall. Selbst wenn Personen sagten, dass der Stress auf der Arbeit aktuell noch in Ordnung sei, zeigten sie laut den Ergebnissen der Studie schon stressbedingte Veränderungen in der Stimme. "Das ist eine wichtige Erkenntnis, denn: Fragt man die Leute, ob sie gestresst sind, sagen viele 'Ach, nein, das geht schon', obwohl es schon längst an der Zeit wäre, etwas an der Arbeitsorganisation zu ändern. Oft ist das Belastungslevel dann schon so hoch, dass die Personen nicht mehr wirklich mit dem täglichen Stress umgehen können - bis hin zu Fällen, die dann schon fast im klinischen Bereich anzusiedeln sind", erläutert Dr. Markus Langer.
Gestresste Personen sprechen höher, schneller und lauter
Die Psychologinnen und Psychologen der Universität des Saarlandes konnten nicht nur feststellen, dass sich die Stimmen von gestressten Personen verändern, sondern auch wie sie sich verändern. Gaben die Studienteilnehmer laut der Pressemitteilung an, an einem Tag tatsächlich von einem Termin in den anderen gehetzt zu sein oder vom Chef einen Rüffel bekommen zu haben, konnten die Wissenschaftler rund um Dr. Markus Langer signifikante Veränderungen der Stimme in eine bestimmte Richtung messen. "Zum einen stieg die Intensität der Stimme, das heißt, die Menschen haben etwas lauter gesprochen. Darüber hinaus war die Stimme höher, und sie haben schneller gesprochen als üblich", erklärt der Psychologe. Für diese Feststellung wurden die Höhe, Geschwindigkeit, Lautstärke jedes einzelnen Sprechers über die Woche gemittelt und dann Abweichungen zu diesem Mittelwert pro Tag gemessen. "Die kleinen Veränderungen, die wir so messen konnten, sind oft für menschliche Ohren gar nicht auffällig, aber im Computer sind die Unterschiede signifikant messbar", erklärt Dr. Markus Langer. Im Mittel würden Personen mit einer Lautstärke von 60 Dezibel sprechen. Unter Stress erhöhe sie sich hingegen auf 61 Dezibel. Dies sei ein Unterschied, der Menschen eher nicht auffalle, eine Software erkenne diesen aber auf jeden Fall.
Die Erkenntnisse der Studie könnten künftig dabei helfen, durch Untersuchungen der Stimmen das Stressniveau auf der Arbeit besser festzustellen und so ein gesünderes Arbeitsumfeld zu schaffen.
Nicolas Flohr / Redaktion finanzen.net
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