Wo Chefstrategen die besten Renditen wittern
€uro brachte die Chefstrategen der größten deutschen Fondsgesellschaften an einen Tisch. Wo sie Anlagechancen und Risiken sehen.
Moderation: €uro-Redakteure Ralf Ferken und Lucas Vogel
€uro: Die Renditen 10jähriger Bundesanleihen sind historisch niedrig. Was treibt Investoren in diese Anlage, obwohl sie nach Handelskosten und Steuern kaum Erträge erwarten lässt?
Anja Mikus: Die Risikoaversion ist hoch. Anleger verzichten lieber fünf Jahre auf Rendite als Verlustrisiken einzugehen. Hinzu kommt: Institutionelle Anleger wie Versicherungen haben das Problem, dass sie aus regulatorischen Gründen nur noch sehr eingeschränkt Risiken eingehen dürfen. Nur unter reinen Sicherheitsaspekten sind 10-jährige Bundesanleihen sinnvoll, bezüglich einer hohen Renditeerwartung natürlich nicht.
Stefan Hofrichter: Die Anleger erwarten aus unserer Sicht zu Recht, dass die Notenbanken die Zinsen niedrig halten werden und den Markt weiter mit Liquidität fluten. Das Rückschlagpotenzial bei Staatsanleihen ist aus unserer Sicht aber – zumindest kurzfristig – begrenzt.
Also sind Bundesanleihen doch noch interessant?
Hofrichter: Nein, da gebe ich Frau Mikus Recht: Aus Sicht eines Langfristinvestors sind deutsche Anleihen mit Renditen von 2,4 Prozent einfach zu teuer. Die Kurse implizieren ein schwaches Wirtschaftswachstum in Deutschland über die nächsten zehn Jahre. Das ist nicht unsere Einschätzung. Sobald die Anzeichen für einen selbst tragenden Aufschwung deutlicher werden, werden die Kurse nachgeben.
Sie würden die 10jährige Bundesanleihe Ihrer Schwiegermutter demnach nicht für die nächsten zehn Jahre empfehlen?
Hofrichter: Eindeutig nein.
Viererbande: (von links): Stefan Hofrichter (Allianz Global Investors), Anja Mikus (Union Investment), Victor Moftakhar (Deka Investments), Asoka Wöhrmann (DWS)
Herr Moftakhar, können die Renditen trotz des niedrigen Niveaus noch weiter fallen? Drohen uns japanische Verhältnisse?
Victor Moftakhar: Das glaube ich kaum, würde es aber nicht ausschließen. Wir rechnen für dieses Szenario mit einer Wahrscheinlichkeit von zehn bis 20 Prozent. Würde es eintreten, könnten die Renditen aber noch erheblich sinken. Wir haben aktuell 2,4 Prozent in Deutschland, die 10jährige Japan-Anleihe rentiert lediglich bei einem Prozent.
Asoka Wöhrmann: Als ich für die DWS Anfang des Jahrzehnts japanische Anleihen gemanagt habe, konnte ich erleben, wie eine 10-Jahres-Rendite auf 0,4 Prozent fällt. Ich würde meiner Schwiegermutter allerdings durchaus eine 10-jährige Bundesanleihe empfehlen, wenn es nur um den reinen Werterhalt geht, und Kursschwankungen keine Rolle spielen.
Warum sind die Renditen aus Ihrer Sicht so niedrig?
Wöhrmann: Es ist ein Paradoxon, das jeder Wirtschaftsbuch-Logik widerspricht. Wir haben in Deutschland das stärkste Wirtschaftswachstum seit der Wiedervereinigung, sinkende Arbeitslosenzahlen und gleichzeitig so niedrige Renditen. Der Grund liegt im Hunger institutioneller Investoren nach sicheren Anlagen. Die Lebensversicherer zum Beispiel sind verzweifelt. Sie brauchen sichere Renditen, die höher liegen, als die Verzinsung, die sie ihren Kunden versprochen haben. Deshalb sind sie gezwungen, immer länger laufende Anleihen zu kaufen.
Im Gegensatz zu deutschen Anleihen bieten griechische Bonds sehr hohe Renditen – was hohe Risiken impliziert. Warum glaubt der Markt nicht an eine Rettung des hoch verschuldeten Mittelmeerstaats?
Mikus: Zwar hat die griechische Politik harte, richtige Maßnahmen eingeleitet und der Rettungsschirm der Europäischen Union bringt Zeit. Der Markt vermutet aber, dass zwischenzeitlich Pläne für eine Restrukturierung der griechischen Staatsschulden erarbeitet werden. Solche Pläne, die mit Verlusten verbunden sind und negative Ausstrahleffekte auf andere Euro-Peripherieländer haben werden, können die Marktteilnehmer nicht gutheißen. Das Vertrauen der Investoren ist deshalb gering und die griechischen Renditen hoch.
Moftakhar: Die Renditen bei lang laufenden Griechenland-Anleihen deuten eher darauf hin, dass der Markt mit einer Teilrestrukturierung der Schulden – also der nicht vollständigen Rückzahlung aller Schulden – in irgendeiner Form rechnet. Selbst wenn alle Maßnahmen umgesetzt würden, wäre die Schuldenquote 2014 immer noch bei 144 Prozent der Wirtschaftsleistung. Diese Zahl wäre noch viel zu hoch, als dass sie für Griechenland tragbar wäre.
Wöhrmann: Lang laufende griechische Anleihen notieren derzeit zwischen 60 und 50 Prozent, der Markt antizipiert also, dass die Anleihen nur zu rund der Hälfte zurück gezahlt werden.
Wie bewerten Sie den 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirm der EU, der ja in Deutschland scharf kritisiert wurde?
Wöhrmann: Sehr positiv. Die Politik hat gezeigt, dass sie handlungsfähig ist. Über Nacht haben sich Politiker aller Couleur zusammengeschlossen, um Europa mit einem 750-Milliarden-Schirm zu retten. Und zur deutschen Kritik nur eines: Es klingt komisch, aber eigentlich müssen wir den Griechen dankbar für eines der größten Stimulusprogramme sein, die Deutschland je erlebt hat. Der schwache Euro hilft unseren Exporten. Gleichzeitig haben wir dank der Nachfrage in Bundesanleihen die niedrigsten Zinssätze in der Geschichte.
Mikus: Europäische Marktteilnehmer waren sehr froh über den Rettungsschirm. Angelsächsische Investoren hingegen können und wollen den politischen Schulterschluss einer gemeinsamen Garantiezusage der Euroländer nicht beurteilen. Ihre Einschätzung basiert rein auf Fundamentalwerten, und deshalb sind sie sehr negativ beim Thema Griechenland.
Ein anderer „sicherer Hafen“, den Investoren derzeit suchen, ist Gold. Aber ist er wirklich sicher?
Mikus: Das ist eine andere Dimension. Wer jetzt Anleihen kauft, ist sehr pessimistisch für die Weltkonjunktur. Wer jetzt Gold kauft, hat ein Horrorszenario mit Hyperinflation, Geldentwertung und Währungsreform im Kopf. Und es gibt vermögende Investoren, die zumindest einen Teil ihres Geldes in Gold investieren – eben aus teilweise diesen Ängsten heraus.
Moftakhar: Die Risikoaversion nimmt mittlerweile irrationale Züge an. Gold ist der beste Beweis dafür. Eigentlich soll es ein krisensicheres Wertaufbewahrungsmittel sein. Mittlerweile sehe ich aber viele kurzfristig orientierte Käufer. Es ist eine Menge Spekulation im Goldpreis. Da macht es wenig Sinn, heute noch Gold zur Absicherung seines Vermögens zu kaufen
Lesen Sie, wie die Chefstrategen über Inflationsgefahren denken
Wenn wir mit unabhängigen Vermögensverwaltern sprechen, ist die Begeisterung für die Anlageklasse Gold größer. Warum gibt es so wenige Menschen bei großen Fondsgesellschaften, die Gold gut finden?
Moftakhar: Wir glauben ja auch, dass Gold zunächst noch weiter steigen kann. Nur hier investieren mittlerweile eben viele Kleinanleger. Die sind in der Regel prozyklisch, springen also erst auf einen Markttrend auf, wenn die Kurse schon lange gestiegen sind und haben dann ein hohes Rückschlagpotenzial.
Wöhrmann: In der Vermögensverwaltung haben wir auch Kunden, die mit Gold als Währung ihr Vermögen sichern wollen. Aber wir haben natürlich viele institutionelle Kunden, denen ein Markt wie Gold viel zu klein und illiquide ist. Bundesanleihen sind für diese Kunden der sichere Hafen. Die können sie jederzeit rund um den Globus verkaufen.
Mikus: Wir sind nicht gegen Gold. Wer Ängste hat, sollte auch einen kleinen Teil seines Vermögens hier investieren. Aber es ist ein rein emotional getriebener Rohstoff, der keine Rendite abwirft.
Sind denn alle Privatanleger, die jetzt Gold kaufen naiv und irrational?
Hofrichter: Naja, es gibt schon eine schlüssige Erklärung für den starken Preisanstieg. In der Zeit nach dem Platzen einer Blase, wie wir sie aktuell durchleben, werden extreme Entwicklungen nun einmal wahrscheinlicher. Zwar sind eine Deflation wie in Japan oder eine hohe Inflation nicht unsere Hauptszenarien. Aber die Wahrscheinlichkeiten dafür sind im Vergleich zu vor fünf Jahren gestiegen. Gold ist eine Anlageklasse, die in diesen beiden Szenarien gut laufen sollte.
Wöhrmann: Diese Meinung teile ich nicht. Inflation ist einfach nicht in Sicht. Seit Ausbruch der Finanzkrise wird darüber geschrieben – und man lag falsch.
Mikus: Das sehen wir ähnlich – auch wenn unsere Kunden verstärkt nach Inflationsschutz fragen. Angesichts der konjunkturellen Aussichten ist das irrational.
Ist die Inflationsangst ein deutsches Phänomen?
Mikus: Nein, es ist ein Phänomen, das in allen westlichen Industriestaaten zu beobachten ist.
Sind all diese Menschen irrational?
Mikus: Die Menschen setzen Staatsverschuldung mit Inflation gleich. So einfach ist es aber nicht. Die größere Gefahr ist Deflation, weil man aus ihr nur schwer wieder heraus kommt, wie das Beispiel Japan zeigt.
Aber die Anlageklassen, die vor Geldentwertung schützen sollen, etwa Gold und inflationsgeschützte Anleihen, haben in der Finanzkrise stark zugelegt. Bisher hat der „irrationale“ Investor also gut verdient.
Wöhrmann: Da muss ich widersprechen. Inflationsgeschützte Anleihen sind gestiegen, weil sie überdurchschnittlich lange Laufzeiten haben und nicht, weil die Inflationsprämie über normalen Anleihen gestiegen ist. Alle Anleihen mit langen Laufzeiten sind stark gestiegen, auch die ohne Inflationsschutz.
Hofrichter: Hinzu kommt der enorme Ausschlag nach unten bei diesen Anleihen vor rund zwei Jahren. Das war eine einmalige Chance, weil er liquiditätsbedingt war. So gesehen relativieren sich die guten Anlageergebnisse wieder.
Was ist mit der Inflation von Vermögenspreisen?
Wöhrmann: Sicher, das starke Wachstum der Schwellenländer hat schon zu Preissteigerungen bei Rohstoffen wie Kupfer geführt. Das ist für mich eine mögliche Quelle von Inflation – mittelfristig. In den Schwellenländern wächst die Wirtschaft stark. Zum einen zieht das die Rohstoffpreise nach oben. Zum anderen waren die Lohnsteigerungen in China in den letzten Wochen und Monaten beträchtlich. Importierte Inflation – also über teurer werdende Güter aus Asien – könnte mittelfristig ein Problem werden.
Sind Schwellenländer wegen ihres Wachstums auch gute Orte, um zu investieren?
Mikus: Eindeutig ja. Besonders im Anleihenbereich sehen wir große Chancen. Die Staatsfinanzen vieler Schwellenländer haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Aber immer noch scheuen Investoren Anleihen aus Lateinamerika oder Asien, weil die Bezeichnung „Schwellenländer“ bei vielen noch für Instabilität und Risiko steht.
Hofrichter: Das sehen wir auch so. Die Ausfallrisiken dieser Länder werden von Anlegern überschätzt, aber das Wachstum, günstige demographische Entwicklungen und die Währungsreserven unterschätzt.
Wöhrmann: Eine Anlageklasse, die meines Erachtens noch attraktiver ist, sind Unternehmensanleihen von Firmen aus den Schwellenländern. Dort entstehen gerade die neuen Weltkonzerne. Zu den Top 50 Unternehmen zählen beispielsweise Unternehmen aus Mexiko, Brasilien und Chile sowie chinesische Banken und indische Technologiekonzerne.
Mikus: Auch für Union Investment gehören Unternehmensanleihen aus Schwellenländern zu den wichtigen Zukunftsthemen. Es werden zunehmend Großunternehmen in den Schwellenländern entstehen, die für Anleihen-Investoren investierbar werden.
Moftakhar: Auch hier sieht man: Die Finanzmarktkrise hat die Verschiebung der Kräfte beschleunigt. Die Bedeutung der Schwellenländer wird noch weiter zunehmen.
Hofrichter: Besonders spannend ist die Anlage in lokalen Währungen. Schwellenländer-Währungen werden gegenüber dem US-Dollar und dem Euro strukturell aufwerten. Das höhere Wachstum dort und die lockere Geldpolitik hier werden diesen Prozess unterstützen. Das ist eine zusätzliche Ertragschance für Anleger.
Moftakhar: Statt Gold empfiehlt es sich für Anleger, Schwellenländer-Anleihen in lokaler Währung zu kaufen, wenn sie einen sicheren Hafen suchen.
Zuerst Aktien, jetzt Anleihen – nahezu alle Börsenexperten empfehlen, Schwellenländer ins Depot zu nehmen. Mahnt so viel Einigkeit Anleger nicht zur Vorsicht?
Wöhrmann: Wir haben uns vorher nicht abgesprochen, wenn Sie das vermuten. Anlagemöglichkeiten in Schwellenländern sind zwar sehr präsent in den Medien. Aber es investieren tatsächlich erst sehr wenige Investoren dort.
Mikus: Gemessen an ihrer enorm gestiegenen Wirtschaftskraft sind Schwellenländer bei institutionellen Investoren unterrepräsentiert. Es werden traditionelle Risikosysteme verwendet, die diese Investments risikoreicher als Aktien und Anleihen der Eurozone einstufen. Viele institutionelle Investoren dürfen nach diesen Modellen nicht investieren.
Moftakhar: Die Mehrheit konzentriert sich eben momentan eher auf die vermeintliche Sicherheit von Bundesanleihen und Gold. Die Masse der Anlegergelder geht nicht in Schwellenländer-Fonds.
Hofrichter: Das wichtigste Zeichen für eine Übertreibung in einer Anlageklasse ist die Bewertung. Aber ich sehe bei Anleihen von Brasilien, Türkei und Co noch keinerlei Übertreibungen.
Und wie sehen die Bewertungen an den internationalen Aktienmärkten aus?
Hofrichter: Die Bewertung ist in Europa eher attraktiv, in den USA nicht so sehr. Generell sind alle Märkte, die keine große Immobilienblase hatten, interessanter. Auf Sicht von zwölf bis 15 Monaten erwarten wir keine exorbitanten Kursbewegungen, aber ein kleines Plus sollte in den entwickelten Märkten möglich sein.
Wie interpretieren Sie die Seitwärtsbewegung des DAX seit dem Frühjahr?
Hofrichter: Die aktuelle Seitwärtsbewegung haben wir schon vor einem Jahr erwartet. Sie erklärt sich durch den Gegenwind durch die Konjunkturabschwächung – die Staatsprogramme laufen langsam aus sowie dem Rückenwind durch die lockere Geldpolitik und dem überraschend starken Wachstum der Schwellenländer. Die lockere Geldpolitik wird vorerst andauern und die Binnennachfrage in den Schwellenländern wird weiter für Wachstum sorgen.
Mikus: Wenn man mit Unternehmen spricht, ist das Konjunkturbild weit positiver, als die Meinung der meisten Volkswirte. Ein Beleg dafür ist der starke Auftragseingang bei der Nutzfahrzeugsparte von Daimler – ein sehr guter Frühindikator.
Hofrichter: Bei Aussagen von Unternehmenslenkern wäre ich vorsichtig. Die waren in der Vergangenheit eher ein nachlaufender Indikator. Noch im Juli 2008, nur wenige Wochen vor der Lehman-Pleite und als schon verschieden Daten auf Rezession gezeigt haben, haben mir viele von ihnen von vollen Auftragsbüchern vorgeschwärmt.
Moftakhar: Die Aktie als Anlageklasse hat die Anleger in den vergangenen zehn Jahren enttäuscht. Verständlich, dass sowohl institutionelle Anleger als auch Privatanleger noch sehr vorsichtig sind. Antizyklisch ist das ein guter Einstiegszeitpunkt. Und: Wenn das Vertrauen in die Weltwirtschaft zurückkommt, wenn das Vertrauen in die Nachhaltigkeit der Unternehmensgewinne da ist, werden Aktien zwangsläufig steigen.
Wöhrmann: Mittel- bis langfristig werden die Aktienrenditen in den entwickelten Märkten im historischen Vergleich eher unterdurchschnittlich sein. Demographie, Schuldenproblematik und das Schrumpfen des Finanzsektors sind die Gründe. Aber: Obwohl ich ein alter „Rentenmann“ bin, muss ich zugeben, dass Aktien heute attraktiver bewertet sind als Anleihen.
Lesen Sie, welche Aktiensegmente die Strategen für attraktiv halten
Welche Aktien-Segmente sind denn für einen langfristig orientierten Investor momentan besonders attraktiv?
Mikus: Die Dividendenrenditen sind im Vergleich zu den Anleiherenditen derselben Unternehmen viel attraktiver. Teilweise doppelt so hoch! Und das gilt nicht nur für Europa. Auch in vielen anderen Regionen gibt es gerade für Anleger, die mit etwas weniger Risiko in den Aktienmarkt einsteigen möchten, interessante Dividendenwerte.
Moftakhar: Die Dividendenrendite als Teil des Gesamtertrags wird bei der Aktienanlage oft unterschätzt. Vor allem bei niedrigem Wirtschaftswachstum sind Dividendenstrategien interessant. Allerdings muss das Geschäftsmodell eines Unternehmens die Dividenden nachhaltig verdienen. Solche Modelle findet man in den verschiedensten Branchen.
Sind Schwellenländer-Aktien nach der guten Wertentwicklung der vergangenen Monate zu teuer?
Hofrichter: Wenn man sich die Bewertungen im Hinblick auf Profitabilität, Gewinnwachstum und Dividendenausschüttungen ansieht, sind sie nicht teuer. Das Risiko liegt hier eher in einer Überhitzung, die noch kommen kann, wenn zu viel Geld in die Schwellenländer fließt.
Mikus: Eine Überhitzung ist derzeit nicht erkennbar.
Wöhrmann: Vom Wachstum in den Schwellenländern kann man aber auch über im Westen ansässige Unternehmen profitieren, die einen zunehmenden Anteil ihrer Gesamtgewinne in aufstrebenden Volkswirtschaften machen. Ich denke da auch an DAX-Unternehmen, zum Beispiel die Autobauer.
Konjunkturell konnten sich die Schwellenländer während der Finanzkrise von den USA und Europa abkoppeln. Die Aktienbörsen konnten das allerdings nicht und sind stark gefallen. Können sich Anleger mit Schwellenländer-Aktien vor der nächsten Wirtschaftskrise in der westlichen Welt schützen?
Hofrichter: Nein, denn immer noch sind diese Märkte nicht so liquide wie die USA, Europa und Japan. Dies bedeutet, dass in hektischen Börsenphasen die Ausschläge nach unten größer sind.
Moftakhar: Es sind ja internationale Investoren, die die Märkte bestimmen. In Krisen ziehen sie ihre Gelder ab – und ferne Aktienmärkte leiden darunter meist mehr, als die Heimatmärkte der Investoren.
Wöhrmann: In Crashs wie nach der Lehmann-Pleite gehen alle risikoreichen Anlagen erst einmal in eine Richtung: nach unten. Aber wenn Sie sich ansehen, wie schnell sich die Schwellenländer-Börsen erholt haben, sind die Anleger mit ihnen wesentlich besser durch die Krise gekommen.
Zum Abschluss: Was wird die Börsenüberraschung 2011?
Hofrichter: Japanische Aktien könnten steigen. Sie leiden derzeit unter dem starken Yen, der überbewertet ist. Wenn der Yen schwächer wird, was wir für möglich halten, gäbe es hier Überraschungspotenzial.
Mikus: Die USA werden wieder schneller wachsen und die Renditen der US-Staatsanleihen doch noch vor denen der Euro-Zone steigen Nebeneffekt: ein stärkerer Dollar.
Wöhrmann: Wir werden eine deutliche Aufwertung des Renmimbi erleben. Im Schatten der chinesischen Währung werden auch andere asiatische Währungen zulegen.
Moftakhar: Schaut man sich an, wie stark die Investoren nach wie vor zur Vorsicht neigen und Risiken in den Vordergrund stellen, dann liegt das Überraschungspotential eher auf der positiven Seite. Wenn die Konjunkturerholung sich fortsetzt wird früher oder später echte Zuversicht zurück in die Finanzmärkte kommen. Der Goldpreis sollte in den nächsten zwölf Monaten seinen Hochpunkt erreichen und dann nach Süden gehen.
Vielen Dank für das Gespräch.