Interview

Schwellenländer-Experte: "China wird künftig moderater wachsen"

23.04.10 12:30 Uhr

China tritt immer selbstbewusster gegenüber den USA und den anderen Industrieländern auf. Beide Seiten sind aber weiterhin aufeinander angewiesen, erklärt Schwellenländer-Profi Mark Mobius.

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von Cornelia Heins

Der Rückzug von Google aus China, der kürzlich von Peking erzwungen worden ist, ist ein typisches Beispiel für das neue Selbstbewusstsein im Reich der Mitte. China kam nämlich stärker als von vielen erwartet aus der Finanzkrise heraus. Das Bruttoinlandprodukt wuchs 2009 nicht nur mit rund acht Prozent weit stärker als die Weltwirtschaft, auch der nationale Stolz ist grösser als je zuvor. So hat die Regierung von Präsident Hu Jintao im 2009 marktorientierte Reformen zurückgeschraubt und in den vergangenen Wochen zudem versucht, westliche Technologiefirmen zu zwingen, sensitive Patente im Austausch gegen freien Zugang zum chinesischen Markt preiszugeben.

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Seit Anfang Jahr hat China auch sein Engagement in US-Staatsanleihen drastisch verringert. China bleibt dennoch mit rund 900 Milliarden Dollar der grösste ausländische US-Gläubiger. Nicht nur in den USA spürt man den neuen Wind, der aus China zu wehen scheint. Verwiesen wird auf die vagen Antworten Chinas während der Klimakonferenz in Kopenhagen, auf die unbeantwortete Anfrage aus Grossbritannien, bei den Sanktionen gegen den Iran mitzuwirken, und auf Chinas gleichbleibend harte Haltung gegenüber Dissidenten. Darin sei aber kein verschärfter Konfrontationskurs zu sehen, wie der Schwellenländer-Profi Mark Mobius von der US-Fondsgruppe Franklin Templeton im Interview darlegt.

Berichte über den chinesischen Immobilienmarkt lassen aufhorchen. Zeitungen schreiben beispielsweise von einem Käufer in Shanghai, der innert kurzer Zeit über 50 Eigentumswohnungen gekauft und zu deutlich höheren Preisen wieder veräussert hat. Erinnern Meldungen wie diese nicht an die Immobilienspekulationsblase in den USA?
Mark Mobius: Bei einer Spekulationsblase gehen typischerweise zwei Dinge Hand in Hand: ein steigendes Angebot und überhöhte Preise, die langfristig nicht haltbar sind und daher kollabieren. Es gibt mit Sicherheit kein Überangebot von Eigentumswohnungen in China, und obwohl Immobilien keineswegs günstig sind, erwarte ich nicht, dass die Preise zusammenbrechen werden.

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Warum nicht?
Dafür ist die Sparquote in China viel zu hoch. Eigentumswohnungen werden nicht als Spekulationsobjekt betrachtet, sondern als Wohlstandssymbol. Ich bestreite nicht, dass es Spekulanten gibt, die in Shanghai ihr Unwesen treiben. Aber Käufer haben mehrheitlich die monetären Möglichkeiten, um die Immobilien zu behalten, sodass sie nicht gezwungen sind, sie weiterzuveräussern.

Kritiker monieren, dass die steigenden Immobilienpreise auch Ausdruck des billigen Geldes sein könnten, das die Regierung als Konjunkturstütze in die Wirtschaft gepumpt hat. Werden die Regierungsverantwortlichen in China – oder auch in Indien – den Wirtschaftsboom zugunsten tieferer Inflationsraten bremsen?
Beide Nationen sind auf die Schaffung von weiteren Arbeitsplätzen angewiesen und werden daher ihre Konjunkturprogramme fortsetzen. Die Inflation ist in beiden Ländern noch relativ niedrig, und solange dies der Fall ist, werden beide Regierungen den bisherigen politischen Kurs mit Hilfsprogrammen für die Wirtschaft weiterführen.

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Angesichts dessen: Wie sehen Ihre Prognosen für die chinesische Wirtschaft über die nächsten ein bis zwei Jahre aus?
Wir gehen davon aus, dass die chinesische Wirtschaft weiterhin expandieren wird, aber mit einem moderateren Tempo – dies nicht nur, um ein spekulatives Blasenszenario zu vermeiden. Die Absicht ist auch, Wohlstand gleichmässiger und gerechter unter der Bevölkerung zu verteilen.

Die Financial Times veröffentlichte kürzlich einen Artikel, der Chinas Rolle als Supermacht in Frage stellt. Wie beurteilen Sie den künftigen politischen Status von China?
Aus wirtschaftlicher Sicht kann China natürlich allein schon aufgrund seiner Bevölkerungsgrösse und seines rapiden Wachstums dem erhöhten Machtanspruch gerecht werden. Der Ausdruck «Supermacht» impliziert normalerweise auch militärische Macht. China hat zwar militärische Stärke, aber keineswegs im Rahmen der USA.

Es scheint, dass China über kurze Zeit einen neuen Stolz entwickelt hat, der sich gegen den Westen aufbäumt. Reagiert der Westen auf diese Entwicklung überzogen oder weht jetzt tatsächlich ein anderer Wind aus China?
China setzt auf ein neu strukturiertes wirtschaftliches und politisches Modell, das erfolgreich zu sein scheint. Der Westen interpretiert das als Trotz und Herausforderung. Dabei verfolgt China lediglich einen politischen und ökonomischen Pfad, der für das Land augenblicklich richtig erscheint.

Wie interpretieren Sie die Beziehungen zwischen den USA und China?
Die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse werden, trotz allem Säbelgerassel, auch künftig gut sein, denn beide Nationen haben ähnliche Interessen. So sind die USA die perfekten Abnehmer für chinesische Produkte, und China ist ein guter Abnehmer für amerikanische Technologie und Rohmaterialien. Beide leben in einer Zweckgemeinschaft.

Im vergangenen Jahr profitierten alle Nationen, die direkt in Kontakt mit der chinesischen Wirtschaft standen, etwa Lateinamerika und Ostasien, von der chinesischen Wirtschaftsrally. Wird sich dieser Trend fortsetzen?
Absolut. China repräsentiert sieben Prozent der Weltimporte, und diese Zahl steigt ständig. Viele vergessen, dass China damit zu einer Importnation geworden ist. Länder, die Güter produzieren oder Rohstoffe fördern, die China benötigt, werden profitieren. Das an Eisenerz reiche Brasilien ist nur ein Beispiel.

Wie beurteilen Sie die Emerging Markets im Ganzen über die nächsten zwölf bis 24 Monate?
Es ist sehr schwierig, Bewegungen in einem so breiten Marktfeld vorherzusagen, aber die Prognosen für die Volkswirtschaften der Schwellenländer bleiben nach wie vor vielversprechend und gut. Möglicherweise wird es einige kurzfristige Marktkorrekturen geben.

In welchen Emerging Markets investieren Sie augenblicklich am stärksten?
Unsere grössten Beteiligungen im Global Emerging Market Fund erfolgen derzeit in Brasilien, China, Indien, Russland und in der Türkei.

Was spricht aus Ihrer Sicht für diese fünf Länder?
Brasilien hat eine enorme Transformation erlebt: Neben Rohmaterialien gibt es mittlerweile eine immer breiter werdende Bevölkerungsschicht, die heftig konsumiert. China ist die schnellstwachsende Weltwirtschaft mit einem stark anziehenden Pro-Kopf-Einkommen. Russland verfügt über enorme Rohstoffe wie Öl und Nickel, und die Bevölkerung hat enormes technologisches Talent. Last but not least die Türkei: Sie ist seit einiger Zeit eine meiner Favoritinnen aufgrund des unternehmerischen Geistes der Bevölkerung. Wir haben dort vor allem in Banken und Ölunternehmen investiert.

Währungsschwankungen spielen für die Performance Ihrer Fonds eine Rolle. Wie beurteilen Sie die Entwicklung der chinesischen Währung Renminbi?
Vom aktuellen Zeitpunkt aus sehen wir langfristig keine weiteren grösseren Schwankungen des Renminbi. Aber man muss natürlich bedenken, dass die Volatilität der Währungsmärkte enorm gross ist und Preise von Tag zu Tag dramatisch variieren können.

Ihr Team ist in 15 Nationen verteilt. Wie können Sie mit dieser Organisation transparent managen und Ihre Investmententscheide rasch fällen?
Wir sind ständig über E-Mail, Telefon oder Fax in Kontakt. Wir reisen häufig in Gruppen, um Firmen zu analysieren und deren Management zu treffen. An einem Tag sind wir in Ghana, an einem anderen in Kairo und am nächsten in Shanghai.

Was ist Ihrer Meinung nach das grösste Missverständnis gegenüber Emerging Markets?
Viele Anleger gehen davon aus, dass diese Märkte korrupter oder risikoreicher als jene der entwickelten Länder seien. Das ist ein Fehlschluss.

Was war während Ihrer Karriere die grösste Herausforderung?
Die Auffassung von Anlegern zu ändern, dass man nur in guten Zeiten in Schwellenländermärkte investieren soll.

Sehen Sie hier ein Liste der Fonds, die Mark Mobius seit Beginn verwaltet:
Fonds-Liste von Mark Mobius

ZUR PERSON:
Mark Mobius gilt als der Kenner von Schwellenländern. Das Magazin Asiamoney nennt ihn denn auch einen der 100 einflussreichsten Menschen. Mobius ist verantwortlich für die Templeton Global Emerging Markets Equity Group der US-Fondsgruppe Franklin Templeton und verwaltet über zwölf Milliarden Dollar. Mobius wuchs als Sohn eines Leipziger Mathematikers und einer Puertoricanerin in Long Island, New York, auf und lebt heute in Asien. Er erwarb den Doktor der Wirtschaft am Massachusetts Institute of Technology. Mobius ist bekannt dafür, dass er neue Anlagemöglichkeiten auf ausgedehnten Reisen sucht. Er bezeichnet sich daher als «Vollzeit-Nomaden». So bleibt ihm wenig Zeit für Hobbys; trotzdem gönnt er sich ein tägliches Fitnesstraining.
Seine Reisen und Anlagetipps lassen sich über seinen Blog mitverfolgen:
mobius.blog.franklintempleton.com

Quelle: Stocks 8/2010

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