JP Morgan-Anlagestratege Schöwitz: "Wir lagen meist recht gut"
Langfristprognose: Der Anlagestratege Patrik Schöwitz über Wachstum, Aktienbewertungen und den langen Weg aus dem Zinstal.
€uro am Sonntag: Herr Schöwitz, zum Jahresende gibt es wieder viele Ausblicke fürs kommende Jahr. Sie wagen sogar eine Prognose für zehn bis 15 Jahre. Was ist schwieriger?
Patrik Schöwitz: Die langfristige Betrachtung ist sicherlich einfacher. Denn bei vielen Aspekten ist klar, dass sich was ändern wird. Es ist aber schwer vorherzusagen, wann es sich ändert. Nehmen Sie die Zinsen: Die Zinsen müssten steigen, und es ist relativ einfach zu sagen, in zehn Jahren sind die Zinsen höher als heute. Schwieriger ist, einen Zeitpunkt zu nennen.
Worauf basieren Ihre langfristigen Einschätzungen?
Wir analysieren das volkswirtschaftliche Umfeld, das Wirtschaftswachstum, die Inflation. Unsere Erwartungen fließen dann in Modelle, und als Ergebnis bekommen wir Prognosen für verschiedene Anlageklassen wie Aktien, Anleihen, Währungen oder Rohstoffe und verschiedene Weltregionen wie die USA, die Eurozone oder Japan.
Verglichen mit der 2016 vorgelegten Prognose - hat sich bei der aktuellen Betrachtung etwas grundlegend geändert?
Erstmals seit einem Jahrzehnt haben wir die Wachstumsprognose für eine große Weltregion erhöht: Die Wirtschaft der Eurozone wird in den nächsten zehn bis 15 Jahren im Schnitt um 1,5 Prozent pro Jahr wachsen, 2016 hatten wir 1,25 Prozent erwartet.
Ihre Ertragserwartungen für Aktien aus der Eurozone haben Sie aber von sechs auf 5,75 Prozent pro Jahr gesenkt. Warum?
Das liegt an der hohen Bewertung. Wer zu aktuellen Kursen kauft, kann in den nächsten Jahren nur mit der etwas niedrigeren Rendite rechnen. Generell sind die Ertragserwartungen für Aktien der meisten Weltregionen in den vergangenen Jahren gesunken, weil die Bewertungen gestiegen sind. Hinzu kam: Die Prognosen fürs Wirtschaftswachstum sind gesunken, unter anderem wegen der demografischen Entwicklung, also wegen der alternden Bevölkerung, aber auch wegen schwächerer Zuwächse bei der Produktivität. Die Wachstumsprognosen haben sich jetzt aber stabilisiert, vor allem in den Industrieländern.
In den Schwellenländern nicht?
Für die Emerging Markets insgesamt sind die Wachstumserwartungen auch stabil geblieben. Für China haben wir die Prognose jedoch nochmals gesenkt. Das Land schließt zu den Industrieländern auf, ein etwas langsameres Wachstum ist da normal.
Für Anleger zählt, was bei weltweiten Investments an Rendite in eigener Währung übrig bleibt. Wie entwickelt sich der Euro?
Wir betrachten bei Wechselkursen die Kaufkraftparität zweier Währungsräume. Danach wird der Euro aufwerten. In den USA wurden wir in den vergangenen Jahren oft gefragt, ob der Euro in einem Jahrzehnt überhaupt noch existiert. Diese Frage wird uns nicht mehr gestellt. In zehn bis 15 Jahren gibt es für einen Euro 1,34 Dollar, heute sind es 1,18. Bei Investments in den USA kann es sich somit lohnen, das Währungsrisiko abzusichern.
Sie haben gesagt, die Zinsen werden steigen. Wie schnell?
Die Normalisierung der Zinsen hat begonnen, die Talsohle ist durchschritten. Wobei die USA schon weiter sind als Europa. Allerdings bleibt das Tempo sehr niedrig. Deshalb wird es weiter sehr schwer, mit einem Anleiheportfolio nach Inflation eine reale Rendite zu erzielen. Unter Ertragsgesichtspunkten interessant bleiben Unternehmens- und Schwellenländeranleihen, trotz ihrer hohen Bewertung.
Was bedeuten diese Erkenntnisse denn nun für Anleger?
Trotz eher moderater Erträge für viele Anlageklassen wird es durchaus Möglichkeiten für Ertragssteigerungen geben, etwa durch aktive Asset-Allokation und Diversifizierung. Wenn das "Beta" des Markts sinkt, wird das "Alpha", also der aktive Mehrertrag, umso wichtiger.
Den langfristigen Ausblick wagt JP Morgan Asset Management nun zum 22. Mal in Folge. Waren Sie einigermaßen treffsicher?
Wir lagen meist recht gut. Umso besser, je breiter das Portfolio gestreut ist, für das Prognose und Ergebnis verglichen werden.
Prognose von JPMorgan Asset Management (pdf)
Das Interview führte Thomas Strohm
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