Euro am Sonntag-Interview

Flossbach von Storch-Fondsmanager über Schwellenländermärkte: "Hohe Wachstumsdynamik"

12.03.22 15:07 Uhr

Flossbach von Storch-Fondsmanager über Schwellenländermärkte: "Hohe Wachstumsdynamik" | finanzen.net

Emerging Markets: Die Pandemie hat den Aufschwung in den Schwellenländern gebremst. Belastende Faktoren nehmen ab und US-Zinserhöhungen müssen Investoren nicht fürchten.

von Jörg Billina, Euro am Sonntag

Die Pandemie hat den Aufschwung in den Schwellenländern gebremst. Die Börsen entwickelten sich daher schwach, innerhalb eines Jahres verlor der MSCI Emerging Markets zehn Prozent. "Die langfristigen Kurstreiber sind jedoch intakt", sagt Michael Altintzoglou, Manager des mit Note 1 beurteilten Flossbach von Storch Global Emerging Markets. "Innovation, dynamische Bevölkerungsentwicklung und eine hohe Wachstumsdynamik wird man weiterhin vor allem in den Schwellenländern finden."

Euro am Sonntag: Herr Altintzoglou, der Flossbach von Storch Global Emerging Markets hat seit Jahresanfang neun Prozent verloren. Holen Sie die Verluste bis Ende des Jahres noch auf?

Michael Altintzoglou: Da gibt es leider keine Garantie an den Kapitalmärkten, zu keinem Zeitpunkt. Uns geht es vielmehr darum, langfristig attraktive Renditen für unsere Anleger zu erwirtschaften. Wir reden da über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Und ich bin optimistisch, dass uns das auch gelingen wird. Einzelne Monate, einzelne Jahre sind dagegen immer nur Momentaufnahmen - im Negativen wie im Positiven.

Resultieren aus der geldpolitischen Wende der US-Notenbank Risiken für Schwellenländer- Anleger?

Das hängt nicht zuletzt davon ab, in welchem Land sie investiert sind und wie hoch die Auslandsverschuldung ist. Generell aber gilt: Für Staaten und Unternehmen aus den Emerging Markets, die Anleihen in US-Dollar aufgelegt haben, steigen die Refinanzierungskosten. Für einzelne Emittenten kann das problematisch sein, insgesamt aber ist die Situation heute doch deutlich entspannter als in früheren Phasen.

2013 sorgte allein die Andeutung einer möglichen Zinserhöhung des damaligen Fed-Chefs Ben Bernanke für kräftige Verluste an den Börsen der Schwellenländer. Drohen bei fünf bis sieben möglichen US-Zinserhöhungen im Lauf des Jahres noch massivere Korrekturen?

Nicht zwingend. Seinerzeit waren Investoren auf eine mögliche Zinserhöhung in keiner Weise vorbereitet und reagierten daher panisch. Diesmal ist es anders. Die Kommunikation der US-Notenbank ist vorwärtsgerichtet, die Anleger sind informiert, zumindest ein Teil der Zinserhöhungen ist in den Kursen eingepreist. Hinzu kommt, dass ausländische Investoren heute weniger stark in den Schwellenländern positioniert sind und die heimische Investorenbasis stark gewachsen ist.

Auslöser für den Kursrutsch waren auch die zum Teil erheblichen Leistungsbilanzdefizite der Schwellenländer.

Richtig. Mittlerweile haben die Staaten die Ungleichgewichte abgebaut. Auch ihre Devisenreserven sind gestiegen. Indien etwa ist aktuell in der Lage, 13 Monate lang alle seine Importe zu bezahlen, im Jahr 2013 waren es nur sieben Monate. Das beruhigt Investoren.

Sie haben indische Werte mit rund 17 Prozent gewichtet. Was spricht für ein Engagement?

Für Indien spricht das hohe Wachstumspotenzial des Landes. Das Entwicklungsniveau ist in vielen Bereichen ausbaufähig, das eröffnet den Unternehmen Entfaltungsmöglichkeiten. Außerdem finden wir in Indien viele Qualitätsfirmen, deren Unternehmensführung vor allem den langfristigen Erfolg im Auge hat. Häufig sind die Gründerfamilien noch an Bord und unterstützen als Ankeraktionäre einen auf Nachhaltigkeit ausgelegten Kurs. Banken wie HSDF Bank und IT-Servicedienstleister zählen zu unseren Favoriten.

Droht den EM-Börsen Druck, wenn die Europäische Zentralbank die geldpolitische Wende einleiten sollte?

Nein. Das dürfte keine Auswirkungen haben. Die EZB ist im weltweiten Kontext weit weniger bedeutend als die Fed.

Viele Schwellenländer haben die Zinsen bereits mehrmals angehoben, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Neigt sich der Erhöhungszyklus dort dem Ende zu?

Allzu viele Zinsschritte sind vermutlich nicht mehr zu erwarten. In Brasilien beispielsweise beträgt der Leitzins mittlerweile 10,75 Prozent. Die Aussicht auf einen baldigen Stopp der geldpolitischen Straffung ist neben den hohen Preisen für Rohstoffe ein weiterer Grund für die derzeit kräftigen Kurssteigerungen brasilianischer Aktien.

Trotz der Zinserhöhungen ist die Inflationsrate in Brasilien aber weiterhin hoch.

Ja, die zweistellige Inflationsrate ist vor allem auf stark gestiegene Lebensmittelpreise und die verteuerte Stromerzeugung infolge einer anhaltenden Dürre zurückzuführen. In diesem Bereich dürfte es in der Zukunft eine Entlastung geben. Auch das Geldmengenwachstum hat sich in Brasilien bereits deutlich entschleunigt. Das spricht dafür, dass das Land im Zinserhöhungszyklus bereits relativ weit fortgeschritten ist.

Motiviert allein ein mögliches Ende der Zinserhöhungen Investoren zum Einstieg?

Das ist nur ein Aspekt. Eine Top-down-Analyse muss wesentlich umfangreicher die ökonomischen Daten, aber auch die politische Lage prüfen, um eine solide Investitionsentscheidung treffen zu können.

Wie beurteilen Sie die politischen Entwicklungen in der Türkei und in Russland?

Wir machen seit Jahren um diese beiden Länder einen Bogen. Die politischen Risiken in der Türkei und Russland erscheinen uns einfach zu hoch, auch wenn an den dortigen Börsen interessante Unternehmen notieren. In der Türkei gefällt uns der politische Druck auf die Notenbank nicht. Das kann auf Dauer nicht gut gehen.

Chinas Börsen, insbesondere die großen Technologiekonzerne, litten im vergangenen Jahr unter dem Regulierungskurs der Regierung. Belastet dies weiterhin die Märkte?

Wir denken, dass das Schlimmste vorüber sein könnte, und rechnen im Lauf des Jahres eher mit positiven Überraschungen. So hat die Notenbank die Mindestreserven für die Geschäftsbanken reduziert und die Zinsen gesenkt, was die Kreditvergabe und die Konjunktur stimulieren sollte.

Wie hoch haben Sie chinesische Aktien gewichtet?

Derzeit mit gut einem Viertel. Zu unseren Favoriten zählen beispielsweise Tencent und der Online-Lieferservice Meituan. Allerdings bleibt die No-Covid- Strategie der Regierung ein Risiko. Auch bei einer nur geringen Anzahl von Infizierten werden weiterhin ganze Stadtteile in den Lockdown versetzt. So aber fehlen in den Betrieben Arbeitskräfte, es kommt zu Produktionsausfällen.

Sind Sie auch in Argentinien investiert?

Ja, die Ländergewichtung resultiert jedoch vor allem aus unserem Engagement in das E-Commerce-Unternehmen Mercadolibre. Das in Argentinien ansässige Unternehmen ist in ganz Lateinamerika aktiv und bietet mit Mercado Pago Finanzdienstleistungen via Internet an.

Wie finden Sie grundsätzlich attraktive Unternehmen?

Wir reden mit dem Management der Unternehmen, sind bei Investorenkonferenzen dabei, wenn auch im Moment nur virtuell. Vor Corona sind wir auch immer in die Länder gereist und haben die Unternehmenschefs vor Ort gesprochen. Ich hoffe, dass dies bald wieder möglich sein wird. Und nicht zuletzt: Wir lesen alles, was mit den Unternehmen und deren Umfeld zu tun hat. Geschäftsberichte, Mitteilungen, Presseberichte. Wichtig ist, ein möglichst tiefes Verständnis für die Unternehmen und ihre Geschäftsmodelle zu entwickeln.

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