Euro am Sonntag-Einschätzung

Italien: Droht jetzt auch der Quitaly?

02.09.16 16:00 Uhr

Italien: Droht jetzt auch der Quitaly? | finanzen.net

Der Unmut der Bürger über Euro und Sparen wächst. Um den Euro-Austritt zu vermeiden, muss Ministerpräsident Renzi seine Popularität steigern und das Defizit ausweiten. Anleger bleiben skeptisch.

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von Jörg Billina, Euro am Sonntag

Das schwere Erdbeben vom vergangenen Mittwoch ist für den bereits stark geforderten Matteo Renzi eine weitere Prüfung seiner Führungsqualitäten. Der Herausforderung stellt er sich bislang mit großem Engagement. "Wir lassen niemanden allein", verspricht Renzi und stellt 225 Millionen Euro als Soforthilfe bereit.



Vielleicht gelingt es dem Ministerpräsidenten Italiens und Vorsitzenden der sozialdemokratischen Partito Democratico, seine Popularitätswerte wieder zu erhöhen. Sein Ansehen ist zuletzt gesunken. Die von dem Kabarettisten Beppe Grillo gegründete Fünf-Sterne-Bewegung M5S erfreut sich dagegen wachsender Zustimmung. Das macht nicht nur Brüssel, Berlin und Paris Angst, das beunruhigt auch die Investoren: Nach dem Brexit ist vor dem Quitaly? Grillos Movimento 5 Stelle will zwar nicht den Austritt aus der EU, macht sich aber für eine Volksbefragung zum Verbleib in der Eurozone stark. Sollte die drittgrößte Volkswirtschaft der Währungsunion zur Lira zurückkehren wollen, dürfte dies erhebliche Turbulenzen auslösen.

Unzufriedene Italiener

Ganz unwahrscheinlich ist ein Quitaly nicht. Bei den Kommunalwahlen im Juni hat M5S schon die Bürgermeisterämter in Rom und Turin erobern können. Dem Movimento werden gute Chancen eingeräumt, auch auf nationaler Ebene stärkste Kraft zu werden. Die deutsche Bundeskanzlerin und der französische Staatspräsident, die Anfang der Woche mit Renzi zusammentrafen, wollen dies verhindern.

Eine Verschärfung der keineswegs überwundenen Krisen in Südeuropa könnte nicht nur François Hollande das Amt und Angela Merkel Stimmen kosten. Die Staatschefs fürchten vielmehr einen Dominoeffekt, der den Fortbestand der EU und der Eurozone in ihrer aktuellen Zusammensetzung gefährdet. 65 Prozent der Spanier, 66 Prozent der Franzosen, 92 Prozent der Griechen und 68 Prozent der Italiener sind nach einer Umfrage des Pew Research Center mit der EU-Wirtschafts- und Sparpolitik unzufrieden.


Die Unsicherheit über den weiteren Weg Südeuropas spiegelt sich auch in den Aktienindizes wider. Der spanische Ibex hat in diesem Jahr zehn, der portugiesische PSI 20 mehr als elf Prozent verloren. Griechenlands ASE wiederum gab bislang neun Prozent ab. Die höchsten Verluste erlitten Anleger an der Börse in Mailand: Der FTSE MIB weist ein Minus von 22 Prozent auf. Derartige Rücksetzer motivieren antizyklische Investoren eigentlich zum Einstieg. Doch Vorsicht: Die erhoffte Erholung kann dauern. Ein dazu notwendiger kräftiger Aufschwung zeichnet sich nicht ab - was wiederum den Unmut der Bürger sowohl über Brüssel als auch über ihre eigenen Eliten nährt.

Vor allem Italiens Bürger sind die ineffiziente Bürokratie, die korrupten Politiker und deren leere Versprechungen leid. Nicht nur in Erdbebengebieten mussten die Menschen erfahren, dass Zusagen aus Rom nicht eingehalten werden.


Ihre Zukunftsaussichten beurteilen Italiener daher zunehmend als düster. Die Einführung der Gemeinschaftswährung hat ihren Wohlstand nicht gemehrt. Die Wirtschaftsleistung Italiens verharrt auf dem Niveau von vor 17 Jahren, als das Land der Eurozone beitrat.

Daran vermochte bisher auch der vor zwei Jahren mit großem Eifer gestartete Renzi nichts zu ändern. "Pro Woche eine Reform" hatte er angekündigt. Zwar gelang es ihm, den Kündigungsschutz zu lockern. Auch den Senat hat Renzi entmachtet, um den Gesetzgebungsprozess zu beschleunigen. Doch dann ist nicht mehr viel passiert. Vor allem nicht auf wirtschaftlichem Gebiet - die erhofften positiven Effekte der auf den Weg gebrachten Reformen sind jedenfalls nicht zu spüren.

Die harten Fakten: 4,6 Millionen Italiener gelten mittlerweile als absolut arm. Im Juni waren 11,6 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung ohne Job, die Jugendarbeitslosenquote beträgt 36,5 Prozent. Die Beschäftigungslosigkeit droht weiter zu steigen - nicht zuletzt bauen Geldinstitute wie UniCredit, Banca Popolare oder Banca Popolare di Milano Personal ab. Auch Saipem, ein Zulieferer für die Gas- und Ölindustrie, und Telecom Italia streichen Stellen.

Dabei wäre dringend Wachstum notwendig, um die Probleme zu lösen. Noch vor wenigen Monaten hatte Renzi für das laufende Jahr ein Plus von 1,2 Prozent prognostiziert. Doch im zweiten Quartal gab es nur Stagnation. Um den Zielwert zu erreichen, müsste das Bruttoinlandsprodukt in den verbleibenden Monaten um 1,3 Prozent zulegen. Es wäre der größte Wachstumssprung seit 16 Jahren. Dass das nicht zu schaffen ist, weiß auch Renzi.

Eine Belebung der Wirtschaft wäre aber auch dringend notwendig, um Italiens Banken zu sanieren. In ihren Büchern haben sie 360 Milliarden Euro an faulen Krediten stehen. Den jüngsten Stresstest der europäischen Bankenaufsicht haben gleich neun italienische Institute nicht bestanden.

Am schlechtesten schnitt das Institut Monte dei Paschi ab. Zwar gibt es mittlerweile einen Rettungsplan: Die in Siena ansässige Bank bemüht sich um eine Kapitalerhöhung und will einen Teil der uneinbringlichen Forderungen an den italienischen Bankenrettungsfonds Atlante weitergeben. Aus der Gefahrenzone ist Monte dei Paschi damit aber wohl noch nicht.

Mehr Schulden geplant

Ohne Wachstum lassen sich auch die Staatsschulden nicht abbauen. Diese entsprechen mittlerweile 132 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - 2,2 Billionen Euro. Unter den Euroländern ist nur Griechenland höher verschuldet. Um endlich mehr Dynamik zu entfalten, will Renzi eine Vereinbarung mit der EU kippen. Mit dieser hatte er sich zunächst auf ein Haushaltsdefizit im kommenden Jahr von 1,8 Prozent geeinigt. Die EU-Kommission hatte diesen Wert als erforderlich erachtet, um endlich den Abbau des Schuldenbergs und die damit einhergehende Entlastung des Staatshaushalts einzuleiten.

Nun aber will Renzi sich von Brüssel ein Defizit von 2,4 Prozent genehmigen lassen. So könnte er unter anderem Sozialhilfe, Renten und Staatsgehälter erhöhen und Geld in die Infrastruktur stecken. Der Ökonom Alberto Bagnai befürwortet Renzis Plan: "Die Strategie, Schulden durch Budgetkürzungen abzubauen, ist jedenfalls klar gescheitert."

Renzi hofft, mit dem Brüssel-Deal auch bei der Bevölkerung zu punkten. Voraussichtlich im November will er über seine Verfassungsreform abstimmen lassen. Die Wähler könnten die Gelegenheit jedoch nutzen, um ihren Frust loszuwerden. Renzi hatte - in Erwartung einer klaren Mehrheit - im Fall einer Niederlage mit Rücktritt gedroht. Davon ist er mittlerweile wieder abgerückt. Dennoch: Verliert Renzi, dürfte Beppe Grillo noch massiver ein Euro-Referendum verlangen.

Es steht viel auf dem Spiel. Die Bundeskanzlerin hat deshalb schon ihre Einwilligung zu einer Defizitausweitung signalisiert. Ihrer Meinung nach enthält der Stabilitäts- und Wachstumspakt genügend Flexibilität, die man clever nutzen sollte. Ein Grund, sich schon jetzt am italienischen Aktienmarkt zu engagieren, ist das aber nicht.

Investor-Info

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Fokus auf Unterbewertung

950 Millionen Euro haben Anleger Alberto Chiandetti anvertraut. Das Geld investiert der Fondsmanager in seiner Meinung nach unterbewertete Unternehmen wie Enel, Eni oder Telecom Italia. Seit Jahresanfang hat der Fonds 21 Prozent verloren. Damit schneidet er zwar besser ab als der Vergleichsindex, doch eine Erholung zeichnet sich in Mailand noch nicht ab. Für den Einstieg ist es zu früh.

Dt. Postbk. EuropaFonds Akt.
Perlensucher in Mailand

Marco Scherer hat italienische Aktien mit acht Prozent vergleichsweise hoch gewichtet. Chancen sieht der Fondsmanager unter anderem bei Brillenhersteller Luxottica und Intesa San Paolo. Das Bankhaus hat den jüngsten Stresstest bestens bestanden, die Aktie legte seither gegen den Trend ordentlich zu. Die restlichen Mittel streut der Manager breit in Europa, auf deutsche Werte entfallen 30 Prozent des Kapitals. Insgesamt besteht das Portfolio derzeit aus 92 Aktien. Auf Sicht von fünf Jahren hat der Fonds 70 Prozent zugelegt. In den vergangenen zwei Monaten schaffte er ein Plus von elf Prozent.

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