Schwellenländer: Wieso Experten jetzt zum Einstieg raten
Mutigen Anlegern bietet das Stimmungs- und Kurstief bei Aktien aus Emerging Markets gute Investment-Möglichkeiten. Davon sind Anlagestrategen überzeugt.
von Thomas Strohm, Euro am Sonntag
Krisen, Deviseneinbrüche, Zinsängste, Handelsspannungen - von Emerging Markets war in den vergangenen Monaten eher in negativen Zusammenhang die Rede. Die Stimmung der Investoren bezüglich der Schwellenländer ist entsprechend angeschlagen: Der Aktienindex MSCI Emerging Markets büßte seit Jahresanfang wesentlich stärker ein als der Industrieländerindex MSCI World. Einige Strategen sehen angesichts des gesunkenen Kursniveaus und der erreichten attraktiven Bewertungen gute Einstiegsmöglichkeiten.
So hat die DZ Bank vor Kurzem chinesische Aktien in ihr Musterportfolio aufgenommen. Das Wirtschaftswachstum in der Volksrepublik habe sich im dritten Quartal zwar abgeschwächt, bleibe aber auf hohem Niveau und insgesamt auf Kurs, heißt es. Bei einer weiteren konjunkturellen Eintrübung dürfte es zudem staatliche Stützungsmaßnahmen geben.
"Wir gehen nicht davon aus, dass die chinesische Regierung ein Wachstum unterhalb des offiziellen Ziels von 6,5 Prozent dauerhaft zulassen wird", meinen die Anlagestrategen. Nach ihrer Ansicht sind zudem die Risiken aus dem Handelsstreit mit den USA angesichts der starken Verluste ausreichend in den Kursen enthalten.
Hohes Gewinnwachstum
Die Kapitalmarktstrategen der Raiffeisen Bank International in Wien sehen im Handelskonflikt zwischen den USA und China zwar einen Belastungsfaktor für Schwellenländer. Anfang der Woche haben sie dennoch Emerging-Markets-Aktien in ihrer taktischen Anlageempfehlung für die kommenden zwölf Monate von "untergewichten" auf "neutral" hochgestuft.
Zur Begründung verweisen sie aufs anhaltend hohe Gewinnwachstum der Unternehmen in den aufstrebenden Volkswirtschaften. Mit den steigenden Gewinnen bei zugleich sinkenden Aktienkursen seien die Bewertungen an den Börsen der Emerging Markets noch günstiger geworden als an den Handelsplätzen der Industrieländer.
Der aggregierte Einkaufsmanagerindex der Schwellenländer als konjunktureller Frühindikator sei in den vergangenen Monaten zwar gesunken, liege aber dennoch über dem langjährigen Schnitt. Im Konsens erwarten Analysten ein Wachstum der Weltwirtschaft um 3,8 Prozent fürs laufende Jahr und um 3,6 Prozent für 2019. Die Wirtschaftsleistung der Schwellenländer soll den Prognosen zufolge 2018 sogar um 4,8 Prozent und im kommenden Jahr um fünf Prozent zulegen.
Übertriebene Zinssorgen
Auf die Emerging Markets als Wachstumsmotor der Weltwirtschaft verweisen auch die Experten von Franklin Templeton. Sie bezeichnen die Ängste bezüglich der Anlageklasse als überzogen. Die Länder, die für negative Schlagzeilen sorgten, stünden nur für einen kleinen Teil der Emerging Markets.
Sorgen wegen steigender Zinsen in den USA hält Franklin Templeton für übertrieben. Die vergangenen vier Straffungszyklen der Fed hätten keine Abwärtsspiralen bei Schwellenländeraktien zur Folge gehabt.
Angesichts des Handelsstreits zwischen den USA und China wird auf den florierenden Handel zwischen den Schwellenländern verwiesen. Und auch der Schuldenstand ist nach Ansicht der Experten vertretbar: Die staatliche Verschuldung in den Emerging Markets sei gemessen an der Wirtschaftsleistung im Durchschnitt deutlich niedriger als in den Industrieländern. Die kurzfristigen Marktturbulenzen sieht man bei Franklin Templeton als langfristige Investmentchancen.
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