Euro am Sonntag-Ausland

Aufsteiger: Bei chinesischen A-Aktien jetzt zugreifen?

09.06.18 11:00 Uhr

Aufsteiger: Bei chinesischen A-Aktien jetzt zugreifen? | finanzen.net

Die Jugend büffelt für die Zukunft, Wirtschaft und Firmen ­profitieren. Etliche Unternehmen sind schon im MSCI Emerging Markets gelistet. Nun sind A-Aktien neu in den Schwellenländer-Index gekommen.

von Jörg Billina, Euro am Sonntag

Viel Zeit, um noch eventuelle Wissenslücken zu schließen, bleibt nicht mehr. In wenigen Tagen müssen sich Millionen chinesischer Schüler der Abschlussprüfung - dem "Gaokao" - stellen. Zwei Tage lang schreiben sie Klausuren in Mathematik, Englisch, Chinesisch und ihrem Wahlfach.



Spickzettel zu nutzen ist riskant. Die Prüfungsräume werden von Kameras überwacht. Wer sich erwischen lässt, wird hart bestraft. Es geht schließlich um die Zukunft: Von der erreichten Punktezahl hängt es ab, ob die Ausbildung nach zwölf Schuljahren an einer Eliteuniversität fortgesetzt oder nur eine zweitrangige Hochschule besucht werden darf. Je angesehener die Universität ist, umso besser sind die Chancen auf dem Jobmarkt. 750 Punkte sind beim Gaokao maximal zu erreichen. In den vergangenen 40 Jahren hat dies kein Schüler geschafft.

Um dem Nachwuchs beste Perspektiven zu ermöglichen, nehmen Chinas Eltern viel Geld in die Hand. Nach einer Studie der Bank HSBC investieren sie pro Kind von der Grundschule bis zum Abschluss im Schnitt 42.000 Dollar. Damit liegen sie nur knapp unter dem die Industriestaaten einschließenden weltweiten Durchschnitt von 44.000 Dollar. In keinem anderen Schwellenland engagierten sich Eltern stärker für die Ausbildung ihrer Kinder als im Reich der Mitte, stellt HSBC fest.


Vom Lerneifer beziehungsweise Leistungsdruck profitiert New Oriental Education. Das Unternehmen bietet Nachhilfekurse in eigenen Schulungszentren, aber auch online an. Zudem können sich Studenten auf Zulassungstests an ausländischen Universitäten vorbereiten. Auch Lehrer, die sich weiterbilden wollen - ihre Leistung wird von den Eltern kontrolliert -, zählen zu den Kunden.

Die Nachfrage ist enorm. Im vergangenen Jahr erzielte das 1993 gegründete Unternehmen Erlöse in Höhe von umgerechnet 1,74 Milliarden Euro. In diesem Jahr trauen Experten New Oriental Education eine Umsatzsteigerung um 40 Prozent zu. An der Börse sind die Aktien daher gefragt. In den vergangenen fünf Jahren legte der Bildungstitel um 420 Prozent zu.


Gelistet ist New Oriental Education unter anderem im MSCI Emerging Markets. In dem Index notieren Unternehmen aus 24 Schwellenländern. Auch die chinesischen Internetriesen Alibaba und Tencent sind vertreten. Mit den beiden Werten haben Anleger ebenfalls gut verdient. Mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen von um die 30 sind die Aktien allerdings nicht mehr günstig.

Nun aber bieten sich interessante Alternativen an. Am 1. Juni nahm der in New York ansässige Indexanbieter MSCI 234 neue chinesische Unternehmen in den MSCI Emerging Markets auf, das Börsenbarometer der Schwellenländer. Die als A-Aktien bezeichneten Titel werden an den festlandchinesischen Börsen Shenzhen und Shanghai gehandelt. Zu diesen beiden Marktplätzen haben ausländische Anleger allerdings nur beschränkten Zugang. Sind die Werte jedoch Teil des MSCI Emerging Markets, stoßen Anleger beim Erwerb auf keinerlei Hindernisse.

Noch ein weiter Weg

Die Aufnahme der A-Aktien wird von institutionellen Investoren als ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur Liberalisierung des chinesischen Kapitalmarkts gewertet. Zuvor schon hatte Peking unter anderem die Beteiligungsgrenze für ausländische Banken ab­geschafft. Ausländische Investoren ­können so Kontrollmehrheiten unter anderem an Wertpapierhäusern und Vermögensverwaltern erwerben.

Anleger hätten nun wirklich keinen Grund mehr, China-Aktien zu ignorieren, kommentiert Howard Wang von JP Morgan Asset Management. Der Einstieg sollte sich lohnen. Der China-­Experte schätzt, dass die Gewichtung von A-Aktien im Index MSCI Emerging Markets von bislang unter einem Prozent in den kommenden Jahren auf neun Prozent ansteigen werde. Citi­group wiederum geht davon aus, dass jährlich rund 40 Milliarden Dollar in die neu aufgenommen Werte investiert werden. Zu den Käufern zählen unter anderem Exchange Traded Funds (ETFs), die den Schwellenländerindex nachbilden.

Zunächst aber werden die neuen Aktien mit einem deutlich niedrigeren Gewicht aufgenommen, als es ihrer aktuellen Marktkapitalisierung entspricht. In der ersten Runde werden nur 2,5 Prozent der Streubesitzkapitalisierung ­berücksichtigt, ab September wird der Beteiligungsfaktor auf fünf Prozent erhöht. In den kommenden Jahren dürfte er sukzessive angehoben werden. Sobald die A-Aktien mit 100 Prozent ihrer Streubesitzkapitalisierung im MSCI-EM-­Index berücksichtigt sind, dürfte ihre Gewichtung laut Schätzungen bei 14 bis 18 Prozent liegen.

Zusammen mit den außerhalb der Festlandsmärkte notierten chinesischen Aktien, etwa den H-Papieren in Hongkong, werden China-Titel die Schwellenländer-Benchmark dann mit rund 40 Prozent dominieren. Ein solcher Anteil würde auch Chinas Bedeutung als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt viel besser widerspiegeln, analysiert die Commerzbank. Doch das wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Bis südkoreanische Aktien im MSCI Emerging Markets voll reflektiert waren, vergingen sieben Jahre.

Virtuelle Welten, reale Gewinne

Nicht nur die börsengehandelten Indexfonds (ETFs) kaufen, auch aktiv gemanagte Fonds erwägen ein Engagement in A-Aktien. "Wir sind froh, wenn wir gut gelaufene Titel verkaufen und die Erlöse in vielversprechende neue Aktien investieren können", sagt Vanessa Donegan. Sie ist bei Columbia Threadneedle Investments verantwortlich für die Asien-Strategie. Auch die ­Investmentgesellschaft Janus Capital Henderson rät zum Einstieg. Viele Investoren würden von der hohen Qualität der Unternehmen überrascht sein, meint Fondsmanager Charles Awdry.

An neuen aussichtsreichen Aktien ist tatsächlich kein Mangel. Gelistet werden beispielsweise Shanghai Electric, Group Zhangzhou Pientzehuang Pharmaceutical und das Modeunternehmen Heilan Home. Auch Perfect World ist ­dabei. Das Unternehmen zählt zu den führenden Online-Spieleentwicklern Chinas. In den von Softwaretechnikern gestalteten virtuellen Welten, deren Inhalte nicht selten an chinesische Sagen angelehnt sind, spielen die Nutzer mit-und gegeneinander. Während des Spiels können sie gegen Bezahlung Figuren erwerben, die sie dann zu ihrem Vorteil einbringen können.

Das Unternehmen operiert in einem boomenden Geschäftsfeld. Mittlerweile spielen 470 Millionen Chinesen online, in keinem anderen Land ist die Nutzerzahl höher. Weiter Luft nach oben gibt es dennoch. Das Marktvolumen kann nicht zuletzt aufgrund steigender Konsumausgaben laut Analysehaus Niko Partners von derzeit jährlich 22 Milliarden Dollar innerhalb von nur vier Jahren auf 42 Milliarden Dollar steigen. Trotz starker Geschäftsmodelle und hoher Gewinnchancen der Unternehmen: Viele Anleger sind dennoch vorsichtig.

Die Top-down-Analyse nährt die Bedenken wegen erheblicher Kursschwankungen. Für Verunsicherung sorgen vor allem Chinas enorme Verbindlichkeiten. "Mit über 29 Billionen Dollar ist der chinesische Schuldenberg der zweithöchste der Welt, die Schuldenquote mit mehr als 250 Prozent für eine he­ranreifende Volkswirtschaft enorm und ihr Anstieg um über 100 Prozentpunkten in den vergangenen zehn Jahren gigantisch", meint Stefan Bielmeier von der DZ Bank. Der Experte warnt: Eine Korrektur der Häuserpreise, ein Konjunkturabschwung, aber auch der Kollaps eines Großkonzerns könnte eine Welle von Kreditausfällen auslösen.

Schulden drohen weiter zu steigen

Staatspräsident Xi Jinping, vom jüng­sten Volkskongress zum Herrscher auf Lebenszeit gewählt, ist sich der Gefahren wohl bewusst. Der Abbau von Schulden hat für den Präsidenten Priorität. Maßnahmen wurden bereits ergriffen. Die Finanzierungskosten für Unternehmen sind zuletzt gestiegen. Auch gegen Schattenbanken beziehungsweise spekulative Finanzierungsformen geht die Regierung in Peking vor.

Erste Erfolge sind sichtbar. "Der Bankensektor stabilisiert sich, der Anteil an faulen Krediten geht zurück", sagt ­China-Expertin Donegan. Eine klare Trendumkehr ist aber noch nicht zu erkennen. Falls nicht vehementer gegengesteuert wird, droht dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge die Gesamtverschuldung bis zum Jahr 2022 auf 320 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu klettern. Dann aber dürfte es auch der die Wirtschaft kontrollierenden Regierung schwerfallen, bei möglichen Schieflagen das Finanzsystem noch zu stabilisieren.

Mit Sorge verfolgen Investoren auch den Handelsstreit zwischen Washington und Peking. US-Präsident Donald Trump ist der Technologiediebstahl chinesischer Unternehmen, vor allem aber das hohe Ungleichgewicht im Warenaustausch ein Dorn im Auge. Im vergangenen Jahr überstiegen die Einfuhren der USA aus China die Ausfuhren dorthin um 375 Milliarden Dollar. Nach den Vorstellungen Trumps soll das Defizit um 200 Milliarden Dollar sinken. Jetzt wird verhandelt.

Nach einer Phase der Entspannung wird der Ton nun wieder rauer. Obwohl Peking bereits Entgegenkommen signalisiert hat, wollen die USA Mitte Juni eine Liste chinesischer Produkte veröffentlichen, die mit Zöllen im Gegenwert von insgesamt 75 Milliarden Dollar belegt werden.

Allerdings werden die Auswirkungen von US-Sanktionen auf Chinas Konjunktur auf lediglich 0,3 bis 0,6 Prozentpunkte geschätzt. Die Wachstumsraten werden daher weiterhin hoch bleiben. Für 2018 wird ein Plus von 6,6 Prozent erwartet. Zudem dürfte Xi Jinping klug genug sein, eine Eskalation des Streits zu vermeiden. Er verfolgt langfristige Ziele. Bis zum Jahr 2049, 100 Jahre nach Gründung der Volksrepublik, soll das Reich der Mitte politisch und ökonomisch eine Weltmacht sein. Gut möglich, dass dann einige der Absolventen des aktuellen Gaokao in den Chefetagen mächtiger Unternehmen sitzen.

Investor-Info

FTSE A50 China Indexzertifikat
Zugang zum Festland

Das von der Deutschen Bank aufgelegte ­Zertifikat ist an die Wertentwicklung des FTSE A50 China gebunden. Der Index bildet die Wertentwicklung der 50 größten chinesischen Unternehmen ab, die an den Börsen in Shenzhen oder Shanghai ­notieren. Dazu ­zählen der Versicherungs­konzern Ping An ­Insurance, der Finanzwert China Merchants Bank sowie der Hersteller von Haushaltsgeräten Midea. Binnen eines Jahres legte das ­Zertifikat um rund 13 Prozent zu.

MSCI EM. Mkts. Indexzertifikat
Dollar drückt

Das von der Commerzbank aufgelegte Indexzertifikat bezieht sich auf den Schwellenländerindex MSCI Emerging Markets. In diesem notieren 840 Unternehmen aus 24 Ländern. China-Werte wie Tencent oder New Oriental Education sind derzeit mit 27 Prozent gewichtet. Der China-Anteil im Index wird künftig deutlich steigen. Binnen eines Jahres legte das Zertifikat um circa sechs Prozent zu. Die Kurs­entwicklung in den Schwellenländern wird derzeit durch die Dollarstärke belastet.

Schroder ISF Greater China
Taiwan inklusive

1,2 Milliarden Dollar haben Anleger Louisa Lo anvertraut. Die Mittel investiert die Fonds­­managerin zu zwei Drittel in chinesische ­Unternehmen, die in Hongkong oder an den Festlandbörsen Shenzhen und Shanghai ­notieren. Auch Firmen aus Taiwan wie Taiwan Semiconductor finden sich in dem derzeit 70 Aktien umfassenden Portfolio. Techwerte wie Alibaba sind mit 29 Prozent gewichtet, ­Titel aus der Finanzbranche mit 25 Prozent. Binnen drei Jahren gab es ein Plus um 24 ­Prozent.




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16.05.2019Alibaba BuyThe Benchmark Company
31.01.2019Alibaba OverweightBarclays Capital
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