Fonds: Aktives Management bringt einfach mehr!
Welcher Investmentansatz ist bei Fonds der erfolgreichere - aktiv oder passiv? Anhand der Kennzahl Active Share wird sichtbar, dass aktive Fondsmanager besser abschneiden.
von Florian Uleer, Gastautor von Euro am Sonntag
Stellen Sie sich vor, Sie bummeln über einen Wochenmarkt. An einem Stand entdecken Sie Marmelade: "Aus eigener Herstellung nach Familienrezept" suggeriert das Etikett. Die Marmelade ist zwar teurer als die aus dem Supermarkt, aber dafür verspricht sie ein besonderes Geschmackserlebnis. Also warum nicht etwas mehr dafür bezahlen? Da sehen Sie plötzlich, wie der Verkäufer hinter dem Tresen Marmelade aus einem großen Plastikbehälter in die kleinen Gläschen umfüllt und mit einem hübschen Etikett dekoriert. Und das Herstellerlogo auf dem Plastikbehälter ist das, welches sie aus dem Supermarktregal kennen.
Auf ähnlich anmutende Fälle in der Fondsbranche haben Aufsichtsbehörden in den vergangenen Monaten hingewiesen: Die dänische Regulierungsbehörde Finanstilsynet hat im September 2014 einen Bericht veröffentlicht, dem zufolge jeder dritte Aktienfonds auf dem heimischen Markt mehr oder weniger den Vergleichsindex nachbildet, der ihm zugrunde liegt - obwohl er als aktiv gemanagtes Produkt vertrieben wird und Anleger dafür eine jährliche Gebühr zahlen. Kurz darauf hat der schwedische Finanzminister eine ähnliche Untersuchung für den schwedischen Markt angekündigt. Auch die britische Financial Conduct Authority will Medienberichten zufolge prüfen, wie verbreitet das Phänomen der verkappten Index-Tracker ist.
Signifikant höhere Renditen
als bei indexnahen Fonds
In jedem Fall wirft dieses Phänomen ein neues Licht auf Studien, die der Mehrzahl der aktiven Portfoliomanager die Fähigkeit absprechen, höhere Renditen zu erzielen als der Markt. Entsprechende Analysen machen immer wieder die Runde und heizen die Debatte darüber an, welcher Investmentansatz der erfolgreichere sei: aktiv oder passiv? Bei genauerem Hinsehen stellt sich allerdings heraus, dass die Datensätze der entsprechenden Studien durch vermeintlich aktiv gemanagte Portfolios verwässert sein können.
Um zu messen, inwieweit Portfoliomanager tatsächlich aktiv investieren, sprich sich bei Anlageentscheidungen von ihren Vergleichsindizes lösen, haben die Professoren Martijn Cremers und Antti Petajisto vom International Center for Finance an der Yale School of Management im Jahr 2006 eine neue Kennzahl eingeführt: den Active Share. Dieser misst den Nettoanteil von Long- Only-Aktienfonds, der sich vom Vergleichsindex des Fonds unterscheidet. Ein Active Share von 100 Prozent zeigt demnach, dass ein Fondsmanager in allen Positionen von der Benchmark abweicht. Ein Active Share von null Prozent bedeutet, dass der Fonds den Index eins zu eins abbildet.
Mit Blick auf den Active Share hat Petajisto im Jahr 2013, als er Finanzprofessor an der NYU Stern School of Business war, bestimmt, welcher Investmentansatz mehr Rendite bringt - sich möglichst nah am Index zu orientieren oder sich weit davon zu lösen. Die historische Analyse des Wissenschaftlers zeigt: Fonds, deren Manager weitgehend unabhängig von ihren Vergleichsindizes investieren, erzielen im Schnitt signifikant höhere Renditen als ihre Kollegen, die nah am Index bleiben - und zwar sowohl vor als auch nach Abzug von Gebühren und Transaktionskosten.
Für seine Auswertung hat Petajisto die Renditen aller Aktienfonds auf dem US-Markt zwischen Januar 1990 und Dezember 2009 analysiert, ausgenommen Indexfonds, Branchenfonds und Fonds mit verwalteten Vermögen unterhalb von zehn Millionen Dollar. Im betrachteten Zeitraum verzeichneten die 20 Prozent Fonds mit den höchsten Active Shares im Durchschnitt Renditen, die annualisiert nach Gebühren und Transaktionskosten um 1,26 Prozentpunkte oberhalb ihres jeweiligen Vergleichsindex lagen. Vor diesen Kosten schlugen sie ihre Benchmark sogar um 2,61 Prozentpunkte. Fonds, die stets nah am Index blieben, schnitten vor Kosten nur wenig besser als der jeweilige Index ab. Die Überrenditen waren so gering, dass sie von den Gebühren und Transaktionskosten quasi aufgezehrt wurden.
Dieses Ergebnis relativiert eine Aussage, die in der Diskussion um aktives und passives Portfoliomanagement immer wieder die Runde macht: dass nur wenige aktive Fondsmanager Mehrerträge erzielen, sprich ihre Gebühren wert sind. Denn es zeigt: Wer sich aktiver Fondsmanager nennt, in der Praxis aber ein verkappter Index-Tracker ist, erwirtschaftet im Schnitt tatsächlich keine Überrenditen. Wer indes dem Anspruch, ein aktiver Portfoliomanager zu sein, gerecht wird, beschert Investoren im Schnitt Mehrwert - auch nach Abzug der Kosten. Vor diesem Hintergrund sollten Anleger den Active Share eines Fonds bei der Produktauswahl in ihre Überlegungen mit einbeziehen. Denn die Kennzahl bringt mehr Transparenz und Offenheit in den Fondsmarkt.
Active Share mit anderen
Kennzahlen kombinieren
Allerdings sollten Anleger den Active Share - wenn er denn für den jeweiligen Fonds verfügbar ist - nicht isoliert betrachten, denn seine Aussagekraft ist begrenzt. Beispielsweise macht es einen Unterschied, ob ein Portfoliomanager die Aktie von Autohersteller A durch die Aktie von Autohersteller B ersetzt, die nicht im Index enthalten ist, oder durch ein Papier aus einer ganz anderen, indexfremden Branche.
Zudem ist der Active Share nicht für alle Fonds beziehungsweise Anlagemärkte gleichermaßen geeignet: Ein deutscher Aktienfonds, der nur zehn Werte aus seinem Vergleichsindex DAX enthält - sprich ein Drittel - dürfte als sehr aktiv gemanagt gelten. Ein globaler Aktienfonds, der die gut 500 größten von etwa 1.600 Werten aus dem MSCI Welt umfasst, was ebenfalls einem Drittel entspricht, kann den Index hingegen weitestgehend replizieren. Denn die übrigen Werte fallen wegen ihrer geringen Anteile kaum ins Gewicht. Ein hoher Wert bedeutet auch nicht automatisch, dass der Fondsmanager überdurchschnittliche Ergebnisse vorlegen wird.
Daher empfiehlt es sich, den Active Share im Zusammenhang mit anderen Faktoren und Kennzahlen wie etwa dem Anlageziel, dem Investmentprozess, dem Tracking Error, der Tracking Difference und der Sharpe Ratio zu betrachten. Auf diese Art trägt die Kennzahl dazu bei, die Debatte um die Effizienz aktiven Portfoliomanagements weiter zu versachlichen. Und sie bietet angesichts des großen Fondsmarkts stärkere Orientierung. Schließlich erscheint das Angebot dort mitunter noch vielfältiger als das auf einem Wochenmarkt.
Kurzvita
Florian Uleer,
Country Head
Germany bei
Columbia Threadneedle
Investments
Uleer verantwortet als Country Head Germany das institutionelle und Wholesale-Geschäft in Deutschland bei Columbia Threadneedle Investments.
Columbia Threadneedle Investments ist eine führende globale Vermögensverwaltungsgruppe, die ein breites Spektrum aktiv gemanagter Anlagestrategien und -lösungen für institutionelle Anleger sowie Privatanleger anbietet. Sie verwaltet ein Vermögen von über 506 Milliarden US-Dollar.
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Bildquellen: Deutsche Börse , Chris Kister/Columbia Threadneedles