Schwellenländer

Anna Ho und Parameswara Krishnan:„Langfristiger Aufwärtstrend in Indien und China“

27.05.10 12:06 Uhr

Das Wachstum in Indien und China ist enorm. Die Fondsmanager Anna Ho und Parameswara Krishnan über Chancen und Risiken.

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Von Christoph Platt, Euro am Sonntag

China und Indien sind die größten aufstrebenden Volks­wirtschaften in Asien und zählen zu den aussichtsreichsten Schwellenländern weltweit. Ihre Wirtschaft wächst stark, und der Lebensstandard vieler Bürger steigt. Die gebürtige Chinesin Anna Ho und der Inder Parameswara Krishnan lenken gemeinsam den Aktienfonds Carlson Asian Small Cap. Für diesen suchen sie in ganz Asien nach aussichtsreichen Nebenwerten. Daneben managt Ho den Carlson China Micro Cap und Krishnan den Carlson India. In Euro am Sonntag diskutieren die beiden Manager über die Investment­regionen China und Indien.

Euro am Sonntag: Frau Ho, Chinas Wirtschaft boomt, und doch warnen immer mehr Experten vor der Bildung einer Blase.
Anna Ho: Diese Sorgen halte ich für übertrieben. Ich sehe in China keine Blase.

Viele Anleger werten als Indiz für eine Fehlentwicklung, dass die Immobilienpreise in astronomische Höhen steigen.
Ho: Es stimmt zwar, dass die Preise für Luxushäuser in Großstädten stark und schnell gestiegen sind. Aber ich kann an dieser Entwicklung nichts Schlechtes entdecken. Denn keiner der an diesen Geschäften Beteiligten nutzt hohes Fremdkapital – weder die Immobiliengesellschaften noch die Banken oder die Käufer. Wenn kapitalstarke Investoren überteuerte Immobilien kaufen, ohne sich dabei zu verschulden, sollen sie das tun. Zur Bildung einer Blase führt das nicht.

Sie blicken also optimistisch in Chinas Zukunft?
Ho: Ja, ich sehe das Land in einer langfristigen Aufwärtsbewegung, die für Jahrzehnte anhalten dürfte. Der Trend zur Privatisierung wird sich fortsetzen. Die Unternehmen arbeiten immer effizienter und steigern ihre Profitabilität. Chinas Wirtschaft wächst mit zehn bis zwölf Prozent im Jahr, und die Chancen stehen gut, dass das so weitergeht.

Herr Krishnan, muss Indien neidisch sein auf Chinas Wirtschaftswachstum?
Parameswara Krishnan: Indiens Wirtschaft wächst immerhin mit rund sieben Prozent jährlich – das ist nicht gerade wenig. Aber es ist zugegebenermaßen nicht genug für Indien, um sein drängendstes Problem, die weitverbreitete Armut, zu lösen. Ein Wachstum von acht bis zehn Prozent wäre wünschenswert.

Kann Indien dieses Wachstum in den kommenden Jahren erreichen?
Krishnan: Ja, Indien wird noch stärker wachsen. Acht bis neun Prozent sind in nächster Zeit realistisch, und in spätestens fünf Jahren sollte Indien dank hoher Produktivitätssteigerungen auf zehn Prozent kommen.

Was kann die indische Regierung tun, um für Wachstum zu sorgen?
Krishnan: Ihr Einfluss ist begrenzt. Sie kann nur die grobe Richtung vorgeben, in die sich die Wirtschaft entwickeln soll. Das ist anders als in China. Dort kann die Regierung sagen: „Dieses und jenes hat zu passieren“, und dann geschieht es.

Frau Ho, ist die sozialistische Regierung in China gut oder schlecht für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes?
Ho: Beides. Sie handelt meist entschlossen und hat das hohe Wachstum bislang sicher im Griff. In China hat sich der Lebensstandard für die breite Masse deutlich verbessert. Auf der anderen Seite kann die Abhängigkeit von der Kommunistischen Partei auch Probleme bereiten. Sollte Premierminister Wen Jiabao plötzlich ein unerwartetes neues Programm verfolgen, kann das die Wirtschaft negativ beeinflussen.

Wie beurteilen Sie die Aktienchancen in China?
Ho: Anleger sollten auf Investmentthemen setzen. So steht zum Beispiel die Industrie unter einem starken Konsolidierungsdruck. Wer recht­zeitig auf die Gewinner dieses Prozesses setzt, profitiert langfristig davon. Ein weiteres Thema ist sicher der aufstrebende Mittelstand. Durch veränderte Konsumgewohnheiten ergeben sich neue Marktchancen.

Trotz der guten Voraussetzungen haben die Börsen in China zuletzt geschwächelt.
Ho: Angesichts der starken Kurs­anstiege 2009 sind Gewinnmitnahmen in diesem Jahr verständlich. Auch die Sorgen um eine strengere Geld- und Fiskalpolitik der Regierung dürften eine Rolle spielen. Ich bin aber zuversichtlich, dass das Jahr im Plus abschließen wird, da auf Unternehmensebene eine starke Berichtssaison zu erwarten ist.

Wo liegen die Chancen in Indien, Herr Krishnan?
Krishnan: Interessant ist der Bereich Infrastruktur. Die Nachfrage nach Zement dürfte wegen der regen Bautätigkeit stark anziehen. Auch der steigende Konsum spielt natürlich eine wichtige Rolle. Hiervon profitieren zum Beispiel Reiseanbieter. Aussichtsreich ist auch der Pharma­sektor: Durch den Wegfall von Patenten entstehen große Chancen für indische Generikahersteller.