Hedgefonds: Streitbare Sündenböcke
Unbeliebter geht es kaum: Hedgefonds werden gern als Schuldige für Fehlentwicklungen im Finanzsektor herangezogen. Zu Unrecht, wie Markus Sievers erklärt, der die Branche verteidigt.
von Markus Sievers, Gastautor von Euro am Sonntag
Als im Jahr 2004 Hedgefonds in Deutschland zum öffentlichen Vertrieb zugelassen wurden, war diese Anlageklasse hierzulande außerhalb der Finanzbranche noch nahezu unbekannt. Die Diskussion über Hedgefonds fand hauptsächlich auf den Finanzseiten der Printmedien statt. Sie war bis dahin sachlich und unaufgeregt verlaufen.
Doch mit der Nüchternheit der Berichterstattung war es am 17. April 2005 auf einen Schlag vorbei. An diesem Tag erschien in der „Bild am Sonntag“ ein Interview mit dem damaligen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering zum Thema Finanzinvestoren. Der entscheidende Satz des damaligen Chefs der Sozialdemokraten: „Manche Finanzinvestoren […] haben kein Gesicht, sie fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her.“ Was damals noch niemand ahnte: Mit der Veröffentlichung des Artikels startete eine beispiellose Karriere des Begriffs „Hedgefonds“.
Der Vergleich mit den
Heuschrecken hinkt
Die zufällige Alliteration der beiden Wörter „Heuschrecke“ und „Hedgefonds“ trug zu einem geradezu inflationären Gebrauch des Worts bei – insbesondere in wirtschaftsfernen Teilen der Medien. So wurden Heuschrecken und Hedgefonds zu Synonymen in der Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit, obwohl Hedgefonds nichts mit den Praktiken der von Müntefering eigentlich kritisierten Private-Equity-Branche zu tun haben. Heute, sieben Jahre nach dem legendären Interview, vergeht kaum ein Tag, an dem seitens der Politik das Vorurteil gegenüber Hedgefonds, sie würden Firmen zerschlagen und Arbeitsplätze gefährden, nicht herangezogen wird.
Doch diese Beteiligung an einzelnen Unternehmen widerspricht grundsätzlich der Philosophie der Hedgefonds. Die Mehrheitsbeteiligung und anschließende Umstrukturierung von Unternehmen ist das Geschäft von Private-Equity-Firmen. Bei den typischen Hedgefondsstrategien geht es vielmehr um das „passive“ Ausnutzen von Trends oder das Erkennen von Bewertungs- und Zinsunterschieden an den internationalen Märkten. Hedgefonds sind insgesamt darauf ausgerichtet, eine in der Regel unabhängig vom allgemeinen Marktgeschehen positive Wertentwicklung zu erzielen – gleichgültig, ob die Kurse an den Kapitalmärkten steigen oder fallen. Die Investmentphilosophie, die das ermöglicht, basiert auf der Freiheit dieser Anlageklasse bei der Wahl eingesetzter Finanzinstrumente und -strategien, die nur durch extrem illiquide Marktphasen eingeschränkt werden können. Das Know-how der Fondsmanager spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Hedgefonds sind Feuermelder
für die Finanzmärkte
Nicht nur der Firmenzerschlagung werden die Hedgefonds bezichtigt. Die deutsche Politikszene greift das H-Wort in ritualisierter Form immer wieder auf und geißelt Hedgefonds als Schuldige für sämtliche Fehlentwicklungen in der Wirtschaft und im Finanzsektor: Hedgefonds machten hochriskante Wetten, seien Verursacher der Finanzkrise, spekulierten gegen den Euro und wollten sogar aus der Pleite von Staaten Gewinn schlagen.
Richtig ist: Hedgefonds wetten auf fallende Aktienkurse oder Währungen. Doch macht sie das gleichzeitig aus moralischer Sicht zu den Buhmännern der Kapitalmärkte? Keineswegs. Ihre Eigenschaft, nicht nur auf steigende, sondern auch auf fallende Märkte zu setzen, hat einen positiven, preisbereinigenden Effekt.
Laut einer Studie der Deutschen Bank macht die verwendete Technik des Leerverkaufs die Preisfindung effizienter, erhöht die Liquidität und erleichtert den Anlegern das Risikomanagement. Hedgefonds leisten so einen wertvollen Beitrag zur Funktionsfähigkeit und Fairness der Finanzmärkte. Weitere Studien haben zudem gezeigt, dass sich das Verbot von Leerverkäufen 2008 nicht positiv auf die Kurse ausgewirkt hat. Vielmehr hat es die Unsicherheit am Markt über die nächsten Schritte der Regulierer erhöht.
Die während der Regulierungsdebatte im Jahr 2010 oftmals herangezogene Behauptung, Hedgefonds seien für die Eurokrise verantwortlich, hat mit der Realität deshalb wenig gemein. Der Auslöser eben dieser Krise, die sich mit dem beinahen Staatsbankrott Griechenlands manifestierte, waren die Regierungen der EU-Staaten. So wurde in den Mitgliedsländern der Europäischen Union in den vergangenen Jahrzehnten ein gigantischer Schuldenberg angehäuft. Hedgefonds gehörten zu den Ersten, die die Fehlentwicklungen in Griechenland aufgedeckt haben und fungierten in diesem Zusammenhang weniger als Brandstifter, sondern vielmehr als Feuermelder.
Mit ihrer Schelte will die Politik
von eigenen Fehlern ablenken
Insbesondere der Fall Griechenland und die danach entstandene mediale Spekulanten-Debatte legen die Vermutung nahe, dass die Politik von selbstgemachten Fehlern ablenken möchte. Doch dies darf nicht auf dem Rücken der „üblichen Verdächtigen“ erfolgen. Vielmehr brauchen wir eine sachliche, differenzierte Auseinandersetzung und einen ehrlichen Umgang mit dem Thema in der Öffentlichkeit. Gerade in Fragen der Stabilität des internationalen Finanzsystems ist es existenziell notwendig, sich nicht der korrekten Analyse zu verweigern. Dafür ist es noch nicht zu spät. Die Realität richtet sich langfristig gegen denjenigen, der sich ihr nicht stellt. So weit muss es nicht kommen.
Falsch ist auch die Behauptung, Hedgefonds seien die Verursacher beziehungsweise Brandbeschleuniger der letzten großen Finanzkrise. Die Gründe, warum unser Finanzsystem 2008 fast kollabiert ist, sind nicht bei den Hedgefonds, sondern in der Bankenwelt selbst zu suchen. Dort gab es eklatante Regulierungslücken. Der Ausgangspunkt der Wirtschafts- und Finanzkrise war ein völlig überhitzter Immobilienmarkt in den USA. Hier herrschte die Annahme, dass jeder Amerikaner – auch derjenige ohne Eigenkapital – zum Hausbesitzer gemacht werden kann. Die anschließend intransparente Verbriefung der Forderungen und der weltweite Vertrieb haben das Vertrauen der Anleger in die Finanzmärkte dauerhaft geschädigt. Eine Bescheinigung dafür, dass Hedgefonds nicht Auslöser der Finanzkrise waren, lieferte nach eingehender Analyse im Übrigen auch die internationale Weltwertpapierkommission.
Populismus in kleinen, gut
verdaulichen Happen
Egal, für welche Missstände Hedgefonds herangezogen werden – die jeweiligen politischen Inhalte werden auf einem stark vereinfachten Niveau dargestellt. Dies ist passend für ein Zeitalter, in dem Fernsehformate wie Talkshows lediglich Redebeiträge von ein bis zwei Minuten zulassen. Heutzutage sind ausführliche Analysen in politischen Debatten genauso wenig gefragt wie in abendlichen Talkshowrunden.
Doch Sachverhalte verkürzt darzustellen, ist auch für die Politik kein Freifahrtschein, die Realität zu verzerren – auch dann nicht, wenn sich diese mit der öffentlichen Wahrnehmung von Hedgefonds deckt. Die Brandmarkung von Hedgefonds als „das Böse der Kapitalmärkte“ geht an der Wirklichkeit vorbei. Sie birgt die Gefahr, die wahren Ursachen der Finanzkrise zu verkennen, was die Situation verschärfen könnte. Es ist die Pflicht der Politik, sich der Realität zu stellen und keine Stammtischparolen in die Öffentlichkeit zu tragen, auch wenn sie mit diesen auf mehr Akzeptanz stoßen.
Erneute Expansion
2010 verwalteten Hedgefonds mit 1,9 Billionen Dollar wieder mehr Geld als noch vor der Finanzkrise. Hedgefonds sind kaum reguliert und können so vom Auf und Ab bei Aktien, Anleihen, Währungen und Rohstoffen profitieren. Typisch dabei ist der Einsatz von Derivaten und Leerverkäufen. Die Fonds verfolgen unterschiedliche Strategien: Manche setzen auf computergesteuerte Trendfolgemodelle, andere richten sich nach volkswirtschaftlichen Szenarien, wieder andere investieren etwa in Unternehmen, die vor der Übernahme stehen.
Vermögen der globalen Hedgefondsindustrie (pdf)
zur Person:
Markus Sievers,
Geschäftsführer Apano
Markus Sievers studierte nach einer kaufmännischen Ausbildung Betriebswirtschaft und war mehrere Jahre in führenden Positionen in der Fonds- und Finanzbranche tätig. Seit über neun Jahren ist er geschäftsführender Gesellschafter bei Apano.
Apano bietet deutschen Investoren Anlageprodukte, die auf den Handelsstrategien von Trendfolgesystemen beruhen. Apano hat sich auf Privatkunden sowie deren Vermögensberater spezialisiert. Mit einem Marktanteil von rund zehn Prozent im deutschen Privatkundensegment ist Apano hierzulande einer der führenden bankenunabhängigen Anbieter alternativer Investments.