Mythos ETF - passiv oder aktiv?

Als ich vor rund zehn Jahren ETFs als kostengünstige und indexbasierte Anlagen meinen Kunden empfahl, sah die Welt des passiven Investierens noch ganz anders aus.
Eine überwiegende Mehrheit der Bankkunden war in aktiven, hauseigenen Fonds investiert die meist viel zu teuer waren und es kaum vermochten ihre Benchmark zu schlagen. Die Vorteile von ETFs lagen dagegen auf der Hand: Man kauft die Bestandteile des jeweiligen Index kostengünstig ein und ist so an der Entwicklung der Märkte beteiligt.
Der wohl berühmteste Anhänger von ETFs ist Warren Buffett: Der durchschnittliche Investor, so argumentiert er, ist bei weitem bessergestellt, wenn er sein Vermögen in einen ETF steckt, als es einem aktiven Manager zu übergeben. Buffett greift an seiner Jahresversammlung regelmässig Hedge Fund Manager an, die ausser hohen Gebühren (zwei Prozent plus 20 Prozent Performancegebühr) wenig von Ihren Versprechen der Outperformance halten. Ein wenig Ironie schwingt natürlich auch mit, wenn der berühmteste aktive Investor der Welt allen anderen Investoren passive Anlagen empfiehlt.
Heute - zehn Jahre nachdem ich ETFs meinen Kunden empfohlen habe - sehe ich deren Einsatz differenzierter: Mit ETFs kaufen Kunden jedes Unternehmen im Index - auch wenn darunter viele Unternehmen sind die man niemals als Einzeltitel kaufen würde. Man kauft also blind auch viel Schrott. Zudem kauft man Unternehmen unabhängig von ihrem Bewertungsniveau.
Es leuchtet ja eigentlich ein, dass man beim Investieren möglichst günstig und unter intrinsischem Wert kaufen sollte - beim Kauf eines Index spielt das keine Rolle. Ganz im Gegenteil sogar: Man kauft diejenigen Unternehmen überproportional, die im Index durch ihre hohe Marktkapitalisierung übervertreten sind. ETFs sind also auch für uninformierte Investoren da, die sagen: Keine Ahnung ob Unternehmen A besser ist als Unternehmen B - und das ist völlig legitim.
Das grösste Problem jedoch sind die enormen Zuflüsse zu ETFs der letzten Jahre. ETFs sind beileibe kein Geheimtipp mehr, sondern sind Mainstream geworden - in den USA machen passive Anlagen mittlerweile 32 Prozent des Gesamtmarktes aus. Auf die Spitze wird der Trend zu passiven Anlagen nun von Robo Anbietern getrieben, die passive Anlagen mit einem automatisierten Handel und standardisierten Bedürfnisabfragen Ihrer Kunden verbinden und dies als alleinige Heilsbringung des Investierens anpreisen.
Durch den breiten Einsatz von ETFs erhöhen sich mittlerweile die Verzerrungen in den Märkten aufgrund undifferenziertem und passivem Investorenverhalten. Gleichzeitig verändert sich die in den Märkten so wichtige Liquidität oder Tiefe im Markt, wenn ein grosser Anteil der Unternehmen durch wenige grosse passive Indexanbieter wie Vanguard oder Blackrock gehalten wird. Erfahrene Marktteilnehmer - wie zuletzt Howard Marks - erahnen die Entwicklungen, die sich im nächsten Marktcrash manifestieren könnten: An wen verkaufen, wenn es keine Käufer mehr gibt?
Mein Rat: Kunden sollten ETFs nicht nur deshalb einsetzen, weil sie günstig sind, sondern ihre Vorteile nutzen ohne die Grundsätze des Investierens zu vernachlässigen: Den Gesamtmarkt mit einem ETF zu kaufen macht vor allem dann Sinn, wenn die Märkte günstig bewertet sind. Denn wenn alles günstig ist sollte man mit beiden Händen zugreifen.
In hoch bewerteten Märkten dagegen sollte man vorsichtiger und selektiver vorgehen und Qualitätstitel bevorzugen. Auch gilt es über Eigentumsrechte nachzudenken - vielen Investoren ist es wichtig an einzelnen Unternehmen Anteile zu halten und eben nicht nur an einem anonymen Fond. In jedem Fall lohnt es daher über die Rolle von ETFs im Portfoliokontext nachzudenken und ETFs dann gezielt als ein Anlageinstrument unter vielen einzusetzen. Die alleinigen Heilsbringer sind sie nicht.
Von Dr. Patrick Cettier, Geschäftsführender Partner der Prio Partners GmbH in Zürich/ Schweiz
Immer mehr Privatanleger in Deutschland vertrauen bei ihrer Geldanlage auf bankenunabhängige Vermögensverwalter. Frei von Produkt- und Verkaufsinteressen können sie ihre Mandanten bestmöglich beraten. Mehr Informationen finden Sie unter www.v-bank.com.
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.
Bildquellen: pichetw / Shutterstock.com