ETF-Pionier Mistry: "ETFs sind keine passive Anlageklasse"
Vor 15 Jahren wurden die ersten börsennotierten Indexfonds Europas in Frankfurt gelistet. Ein Gespräch mit ETF-Pionier Manooj Mistry über den Siegeszug der passiven Anlageklasse.
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von Peer Leugermann, Euro am Sonntag
Manooj Mistry ist einer der Väter von Europas ersten Exchange Traded Funds, kurz ETFs. Vor 15 Jahren half er bei Merrill Lynch die börsengehandelten Indexfonds auf den Euro Stoxx 50 und den Stoxx Europe 50 zu entwickeln (s. Investor-Info rechts) und glaubte die Produkte könnten unser Investitionsverhalten revolutionieren.
Zum Geburtstag der Anlageklasse erklärt der heutige Chef für passive Produkte für Europa, Afrika und den Mittleren Osten der Deutschen Asset and Wealth Management (DeAWM), warum die Revolution auf sich warten ließ und was er für die Zukunft der ETFs erwartet.
€uro am Sonntag: Was dachten Sie als Sie halfen, Europas erste ETFs an die Börse zu bringen?
Manooj Mistry: Dass wir uns ins Unbekannte wagen. Aber auch, dass dieses Angebot das Potenzial hat, die Art und Weise, wie Anleger investieren, nachhaltig zu verändern.
Wurde damals so anders investiert?
Ja, es war eine tief verwurzelte Überzeugung der Investmentgemeinschaft, dass Investieren an sich nur durch die aktive Auswahl von Einzeltiteln möglich ist und nicht durch passives Anlegen in einem Indexfonds.
Warum hat es dann 15 Jahre
gedauert, diesen Glauben endlich
zu brechen?
Der ETF verändert nicht nur den Anlagestil, sondern auch die Art, Investmentprodukte zu verkaufen. Bei klassischen Fonds bekommen die Verkäufer vom Fondsanbieter eine Verkaufsprovision oder einen Teil vom Ausgabeaufschlag. Das hat es beim ETF nie gegeben. Im Vertrieb konnte der ETF daher lange nicht mit klassischen Fonds konkurrieren.
Aber jetzt können ETFs mit klassischen Fonds mithalten?
Mit Blick auf die Wertentwicklung und die Kosten konnten sie das schon immer. Aber in jüngster Zeit werden immer mehr Vertriebsmodelle vom Provisions- auf den Honoraransatz umgestellt. Und von diesem Trend wird auch der ETF profitieren.
Dennoch stehen ETFs in Europa heute für kaum mehr als drei Prozent des gesamten Fondsmarkts. Wir haben zweifelsfrei noch einen langen Weg vor uns. Der heutige Marktanteil ist noch nicht mal die Spitze des Eisbergs. Doch in Amerika liegt der Marktanteil immerhin schon bei 14,5 Prozent.
Aktives Investieren wird passivem Investieren also weiter vorgezogen?
Es ist ein Irrglaube, dass ETFs eine passive Anlageklasse sind. Es kommt auf die Verwendung an. ETFs werden täglich und liquide über die Börse gehandelt und bieten eine breite Risikostreuung. Gleichzeitig sind die An- und Verkaufsgebühren niedrig. Immer mehr Profiinvestoren und Vermögensverwalter nutzen ETFs daher als aktives Anlageinstrument. Teilweise sogar, um kurzfristig auf einzelne Märkte oder Sektoren zu setzen. Aktiv zu investieren wird in Zukunft heißen, in die richtigen Märkte zu investieren und weniger in den richtigen Einzeltitel.
Aktive Fondsmanager nutzen
das Konkurrenzprodukt ETF?
Ja, das schließt sich absolut nicht aus. Sicher, ETFs stellen in Teilen einen Wettbewerb für aktive Fondsmanager dar. Aber um eine bessere Wertentwicklung als ihr Vergleichswert zu schaffen, ist die Wahl der Märkte und Sektoren ein viel entscheidenderer Baustein als die Suche nach dem richtigen Einzelwert.
Was kommt als Nächstes?
Das nächste Schlagwort ist Smart Beta oder Strategic Beta, wie wir es nennen. Dabei werden Indizes nach meist streng mathematischen Regeln neu zusammengesetzt. Einfache Anlagestrategien wie Value oder Momentum werden so möglich. Hier sehen wir viel Interesse. In fünf Jahren könnte diese Kategorie rund ein Viertel des Angebots ausmachen.
Mit der Idee eines günstigen und einfachen Produkts verbindet diese ETFs aber nur noch wenig.
Das sehe ich anders. Unsere Strategic-Beta-ETFs sind mit einer Gebühr von im Schnitt 25 Basispunkten günstig. Und den ETF-Grundprinzipien bleibt die Branche auch bei ihren zahlreichen Innovationen treu: geringe Kosten, einfacher und liquider Handel und hohe Transparenz.
Das heißt, auch der aktuelle Preiskampf mit stetig sinkenden Gebühren geht weiter?
Keine Frage, unsere Branche ist sehr wettbewerbsintensiv. Der Preisdruck wird anhalten, und jeder wird versuchen, sinkende Preise über Skaleneffekte auszugleichen. Die ersten ETFs auf den Euro Stoxx 50 kosteten damals noch 50 Basispunkte. Heute sind die gleichen ETFs bereits für neun Basispunkte zu haben. In den kommenden 15 Jahren könnte der Preis noch niedriger werden.
Investor-Info
iShares EURO STOXX 50
Fokus auf Euroland
Der physische Indexfonds, der die Wertentwicklung der 50 größten Börsenunternehmen der Eurozone abbildet, war einer der beiden ersten in Europa gelisteten ETFs. Gestartet von Merrill Lynch, gehört er heute zu iShares und damit BlackRock, seine Wertpapiernummer behielt er jedoch bei. Weil Konzerne aus Deutschland und Frankreich je über ein Drittel des Index ausmachen und Finanzwerte mit 25 Prozent hoch gewichtet sind, ist der ETF eine gute Wahl, um auf Europas Börsenaufschwung zu setzen.
iShares STOXX Europe 50
Ganz Europa im Blick
Dieser physische ETF erblickte am selben Tag wie der iShares Euro Stoxx 50 das Licht der Welt. Auch hier hat BlackRock den Namen und die Wertpapiernummer fortgeführt. Anders als sein Zwilling bildet der zugrunde liegende Index die Wertentwicklung der 50 größten Börsenunternehmen von Europa ab, beinhaltet also auch Titel aus der Schweiz und Großbritannien. Der Indexfonds bekommt dadurch einen etwas defensiveren Charakter, denn mehr als ein Fünftel des Index besteht aus Medikamentenherstellern, überwiegend aus der Schweiz.Weitere News
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