Experiment Robo-Advisors: Härtetest steht noch aus!
Robo-Advisors investieren meist kostengünstig in ETFs. Doch Robo-Anleger sind dabei eine Art Versuchskaninchen - ohne dass sie sich dessen bewusst sind.
von Thomas Soltau, Gastautor für €uro am Sonntag
Es klingt einfach und überzeugend: Privatanleger investieren über Robo-Advisors kostengünstig in ETFs, also Indexfonds, und schon winkt gute Rendite bei geringem Aufwand. Doch irgendwo gibt es immer einen Haken. Denn die Robo-Advisors bergen Risiken, die in der oberflächlichen Betrachtung meist untergehen. Da die meisten Robo-Advisors sich vorrangig an ETFs als Investitionsvehikel bedienen, gelten die Risiken der ETFs für Robos gleichermaßen.
Da wäre zuerst die Illiquidität, also die Nichtverfügbarkeit am Markt. In ruhigen Börsenphasen kein Thema, doch sobald der Markt illiquide werden sollte, führt dies unweigerlich zu einem Problem. Setzt ein Verkaufsrun ein, wie etwa 2001 oder 2007/2008, müssten replizierende ETFs so hohe Aktienanteile verkaufen, dass sie damit selbst den Kurs nach unten treiben. Laut Goldman Sachs werden inzwischen rund 40 Prozent der US-Aktien passiv gemanagt. Die großen ETFs würden den Markt durch ihre massiven Verkäufe in Extremsituationen also stark beeinflussen.
Durch die phasenweise schlechte Liquidität des Underlyings der ETFs kann sich der "Vorteil" der durch die Börsen sichergestellten dauerhaften Handelbarkeit sehr schnell ins Gegenteil umkehren. Der Handel erfolgt dann nicht mehr zum fairen Preis. Dazu ein Beispiel: Am 24. August 2015 kam es zu starken Börsenturbulenzen in China, die auch die Anleger in den USA verunsicherten. Zum US-Börsenstart sammelten sich bereits zahlreiche Verkaufsorder an. Schließlich wurde ein Sicherheitsmechanismus ausgelöst, der in Zeiten von hoher Volatilität den Handel von stark schwankenden Titeln kurzzeitig aussetzt. An diesem besagten Tag gab es derart hohe Schwankungen, dass die New Yorker Börsenaufsicht den Handel von Futures in Verbindung mit dem S & P 500 mehrfach aussetzte.
Der Kauf von Futures, die einen fallenden Kurs absichern sollen, war nicht mehr möglich, der "Sicherheitsmechanismus" für ETFs wurde außer Kraft gesetzt. Zahlreiche Indexfonds verloren innerhalb von Minuten gigantisch an Wert, in zwei Härtefällen sogar 32 Prozent, während die abzubildenden Indizes lediglich rund sechs bis zehn Prozent verloren. Das liegt zum Großteil auch daran, dass sich die heutigen ETFs völlig von der Ur-Idee des Erfinders entfremdet haben: Mit der Erkenntnis, dass niemand auf Dauer den Markt schlagen könne, wurde mit dem ersten Indexfonds 1975 einfach der Markt abgebildet. Doch zu diesem Prinzip gehören weitere Grundsätze: Passive Investments funktionieren nur, wenn der Investor auch wirklich passiv bleibt. Das bedeutet in der Praxis: ETFs sollten den Markt exakt eins zu eins abbilden und die Struktur des Marktes unter keinen Umständen verändern.
Qualität der Robos wird sich erst
in der Extremsituation zeigen
Dass dies indes schon lange nicht mehr gilt, zeigt die Tatsache, dass es laut Bloomberg seit dem vergangenen Jahr mehr Indizes gibt als Aktien. Zudem investieren ETFs schon lange nicht mehr nur in Aktien, sondern handeln mittlerweile auch mit Derivaten und verleihen Aktien. All das birgt zusätzliche Risiken. Es fließt in Gänze mehr Geld in einzelne Aktien, als durch den regulären Markt üblich wäre, die Folge sind Übergewichtungen in einem Index.
ETFs sind lang nicht mehr die "passiven" Investoren, wie sie häufig dargestellt werden. Zwischen Anfang November 2016 und Ende Juni 2017 sind allein rund 180 Milliarden US-Dollar in US-Aktien-ETFs geflossen. Wie soll eine Korrektur einsetzen, wenn täglich 1,1 Milliarden Dollar in den Markt gedrückt werden? Das Gegenteil passiert: Es entsteht eine Blase, die irgendwann platzen muss. Und ihre Krisentauglichkeit mussten ETFs noch nie beweisen.
Aktuell ist die Welt der Robos daher noch ein Experiment: Viele Anbieter sind neu am Markt, bisher musste sich kein Robo in einer extremen Marktphase behaupten. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass man als Anleger hier ein Versuchskaninchen ist, ohne sich dessen bewusst zu sein. Spätestens bei der nächsten Extremsituation im Markt wird sich zeigen, welche Robo-Advisors ihrem Namen "Berater" auch wirklich gerecht werden.
Kurzvita
Thomas Soltau
Vorstand von FondsDiscount.de
Der gelernte Bankkaufmann Soltau war bereits während seiner Ausbildung im Bereich Vertrieb und Fonds tätig. Seit 2006 arbeitet er bei FondsDiscount.de. Im Jahr 2014 übernahm er den Vorstandsvorsitz von FondsDiscount.de und der wallstreet:online capital AG mit Sitz in Berlin.
FondsDiscount.de hat sich in den vergangenen 17 Jahren zu einem der größten Onlinevermittler für Fonds in Deutschland entwickelt.
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