Chinas Energiewende: Warum die Dekarbonisierung schneller läuft als geplant
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Bis 2030 sollen Chinas Treibhausgasemissionen steigen und danach rapide abnehmen. Dieser Wendepunkt könnte jedoch bereits unmittelbar bevorstehen. Das liegt unter anderem am Boom grüner Branchen, den Unternehmen und Konsumenten gleichermaßen befeuern.
China gilt als größter Klimasünder der Welt. Im Jahr 2022 stammten rund 27 Prozent1 der weltweiten Emissionen aus der Volksrepublik. Die Ziele des Pariser Abkommens und der UN-Klimakonferenz in Glasgow sind obsolet, wenn das Land der Mitte nicht mitzieht. Und obwohl Staatspräsident Xi Jinping gelobte, sich dem Pfad zur Netto-Null-Emission anzuschließen, enttäuscht sein konkreter Aktionsplan Klimaschützer. Denn während viele Industriestaaten ihre Klimaneutralität auf 2050 datiert haben, fasst Peking erst das Jahr 2060 ins Auge.
Von sichtbaren Emissionseinsparungen ist in Chinas Fünfjahresplan bisher ohnehin noch nicht viel zu erkennen. Denn die Klimaschutzbemühungen dürfen laut Regierung nicht auf Kosten des geplanten Wirtschaftswachstums gehen - und allein in diesem Jahr wurde ein Wachstum von rund fünf Prozent2 einkalkuliert. Dutzende neue Kohlekraftwerke, die im Vorjahr genehmigt wurden, sollen genügend Energie liefern. Ein kontinuierlicher Anstieg der CO₂-Emissionen ist sogar im Klimaschutzplan der Chinesen festgeschrieben.
Bis zum Jahr 2030 soll die Menge der ausgestoßenen Treibhausgase ihren Höhepunkt schließlich erreicht haben und erst danach konstant abnehmen - bis 2060 die Netto-Null erreicht ist. Laut aktueller Prognosen3 des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) könnte dieser wichtige Wendepunkt allerdings bereits ein halbes Jahrzehnt früher eintreten - dank des außergewöhnlichen Wachstums grüner Branchen in China. Maßgebliche Treiber sind sowohl politischer als auch marktwirtschaftlicher Natur.
Chinas grüner Markt boomt - auch ohne Subventionen
In keinem anderen Land werden mehr Elektroautos verkauft als in China. Bereits seit 2014 setzt die chinesische Regierung alles daran, so viele Stromer wie möglich auf die Straße zu bekommen - und ist bereit, dafür einiges an Fördermitteln in die Hand zu nehmen. Steuervorteile und großzügige Zuschüsse erleichterten vielen Chinesen die Entscheidung, ob das nächste Auto mit fossilen Brennstoffen oder sauberem Strom fahren soll.
Zum Jahresbeginn schraubte Peking die Subventionen zurück. Der Markt habe den gewünschten Reifegrad erreicht, die Elektrifizierung der Straßen sei zum Selbstläufer geworden. Mehr als ein Drittel aller verkauften Fahrzeuge waren im vergangenen Monat E-Autos. Im Fidelity-Finanztalk habe ich mit Deutschlands führendem China-Experten Frank Sieren unter anderem über die chinesische Dominanz im Bereich Elektromobilität gesprochen. Seiner Meinung nach hat sich das Land rechtzeitig aus dem Rennen um den weltbesten Verbrenner verabschiedet und setzt stattdessen globale Standards im EV-Markt.
Ein weiterer Katalysator für die Dekarbonisierung ist Chinas boomende Solarbranche. Im Jahr 2022 produzierten chinesische Unternehmen rund 80 Prozent4 alle Solarpaneele, die weltweit zum Einsatz kommen. Untereinander liefern sich die Wettbewerber einen harten Preiskampf - und die Verbraucher freuen sich über immer kostengünstigere Produkte.
Laut Bloomberg-Prognosen5 werden allein im Jahr 2023 in der Volksrepublik mehr Solaranlagen installiert als in den USA. Für die Energiewende ist das eine gute Nachricht, viele Hersteller dürften aber langfristig auf der Strecke bleiben. Immerhin wächst die Zahl der Fabriken in China inzwischen schneller als die aktuelle Nachfrage nach Solarenergie.
Fazit
Chinas Energiewende profitiert vom rasanten Wachstum grüner Branchen. Insbesondere im Bereich Elektromobilität und Solarenergie hat sich die Volksrepublik als Weltmarktführer etabliert. Der politische Fahrplan zur Netto-Null könnte sich dadurch deutlich verkürzen. Andererseits betont Chinas Regierung immer wieder, den Klimaschutz an die Notwendigkeiten der konjunkturellen Entwicklung anzupassen.
Quellen:
1 https://www.statista.com/statistics/1037051/china-global-carbon-emission-share/
2 https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-03/volkskongress-china-peking-wachstum-ziel-fuenf-prozent
3 https://www.bloomberg.com/news/newsletters/2023-05-30/china-nearing-inflection-point-for-solar-power-and-evs-ahead-of-2030-target
4 https://www.downtoearth.org.in/news/energy/china-to-dominate-95-of-solar-panel-supply-chain-83651
5 https://www.bloomberg.com/news/newsletters/2023-05-30/china-nearing-inflection-point-for-solar-power-and-evs-ahead-of-2030-target
Carsten Roemheld ist Kapitalmarktstratege bei Fidelity International. Er analysiert seit mehr als 25 Jahren die Finanzmärkte und schafft so die Grundlagen für informierte Anlageentscheidungen. Für seine Marktbeobachtungen kann er eines der größten globalen Research-Teams der Branche nutzen.