Kolumne

China im Depot: Warum kein Weg daran vorbeiführt

19.04.23 14:08 Uhr

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China im Depot: Warum kein Weg daran vorbeiführt | finanzen.net

In China wächst die Wirtschaft stärker als in den meisten anderen Regionen der Welt. Zugleich wachsen die Spannungen mit den USA, neue Konflikte drohen. Stellt sich die Frage: Investieren oder besser meiden? In einer globalisierten Welt ist Letzteres kaum möglich.

Chinas Wirtschaft soll in diesem Jahr um rund fünf Prozent¹ wachsen. Dieses Ziel hat Ministerpräsident Li Keqiang auf dem Nationalen Volkskongress am 5. März verkündet. Nachdem die Volksrepublik ihre restriktive Null-Covid-Politik beendet hat, sind die Weichen für einen Konjunkturaufschwung gestellt. Die kommunistische Regierung will in den kommenden Monaten zwölf Millionen neue Arbeitsplätze schaffen und die Binnennachfrage kräftig ankurbeln.

Optimistisch zeigten sich bei unserer großen jährlichen Umfrage auch die Fidelity-Analysten. Sie lieferten ein Stimmungsbarometer der in China operierenden Unternehmen mit dem Tenor: Die wirtschaftlichen Erwartungen fallen deutlich positiver aus als im Rest der Welt.

Während die Wirtschaft Fahrt aufnimmt, steigen aber auch die geopolitischen Spannungen. Der Ton zwischen Washington und Peking wird immer rauer. Für US-Präsident Joe Biden ist der Systemwettbewerb zwischen dem freien Westen und Autokratien wie Russland oder China der zentrale Konflikt des 21. Jahrhunderts. Bei seinem jüngsten Treffen² mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte Biden, dass sich auch die Europäer im Umgang mit der Volksrepublik klarer positionieren.

Seit dem Krieg in der Ukraine kennen Kapitalmarktakteure die wirtschaftlichen Folgen, die sich aus der Nähe zu autokratischen Staaten ergeben können. Ein Blick auf Märkte ohne Berücksichtigung der politischen Lage ist spätestens seit der sogenannten Zeitenwende passé. Viele Investoren entscheiden sich daher für Anlagestrategien, die Investitionen in China aus Risikogründen außen vor lassen³. Auf die Wiederwahl von Staatschef Xi Jinping folgte beispielsweise ein Ausverkauf an Chinas Börsen, und der wichtigste chinesische Aktienindex Shanghai Composite verlor 2 Prozent an Wert.

Indirektes Engagement

In der Praxis ist das allerdings schwer umzusetzen. Denn was man beim Umgang mit China aus Kapitalmarktperspektive nicht vergessen darf: Auch wer nicht direkt investiert, ist mit einem Europa- oder Nordamerika-Portfolio massiv in Chinas Märkten involviert. Immerhin hat sich das Land in den vergangenen Jahrzehnten zuerst zur verlängerten Werkbank der eng verflochtenen Weltwirtschaft entwickelt. Inzwischen ist es auch einer der größten Absatzmärkte für Waren aus dem Westen. Zudem kommen viele unserer Produkte nicht ohne Rohstoffe und Vorprodukte aus China aus.

Das alles gilt auch für die deutsche Wirtschaft. China ist für viele DAX-Konzerne inzwischen der wichtigste Auslandsmarkt. Das Technologieunternehmen Bosch erzielt ein Fünftel des Umsatzes⁴ in China, wo aktuell auch 55.000 der 420.000 Beschäftigten arbeiten. Nicht anders beim deutschen Chemie-Giganten BASF: Statt seine Investitionen in der Volksrepublik herunterzufahren, wurde im vergangenen Jahr eine riesige Produktionsanlage im südchinesischen Zhanjiang in Betrieb genommen. Es handelt sich dabei um die größte Investition⁵ eines deutschen Unternehmens in China überhaupt.

Viele westliche Vorstände diskutieren inzwischen über diversifizierte Lieferketten und alternative Standorte, etwa in Indien oder Vietnam - eine Strategie, die auch als "China Plus x" bekannt ist. Gleiches gilt für die deutsche Politik: In diesem Jahr will die Ampel-Regierung ein neues Strategiepapier zum Umgang mit China vorlegen. Auch am Kapitalmarkt sollte der Blick nach Fernost zum Risikomanagement gehören - egal, ob mit oder ohne chinesische Aktien im Depot.

Fazit

Selbst wenn nicht China draufsteht, ist in den meisten Aktiendepots doch eine ganze Menge China drin. Dabei ist das Land sowohl Wachstumsmotor als auch Risikofaktor. In einer globalisierten Welt mit starken wirtschaftlichen Verflechtungen kann sich kein Anleger den unmittelbaren und mittelbaren Einflüssen der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt entziehen. Umso wichtiger ist es, sich bei der Geldanlage über den Umgang mit dieser Region klar zu werden.

Quelle:

¹ https://www.tagesschau.de/ausland/asien/china-volkskongress-wirtschaft-101.html
² https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-eu-handelsstreit-biden-von-der-leyen-1.5766549
³ https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/700882/Nach-Parteitag-in-China-Investoren-ziehen-Kapital-ab
https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/702118/Bosch-setzt-auf-China-Geschaeft-weil-der-Westen-schwaechelt
https://www.rnd.de/politik/basf-baut-produktionsanlage-in-china-fuer-zehn-milliarden-euro-HLSWTVRHPNBGVCCLGOUOAQRXQI.html

Carsten Roemheld ist Kapitalmarktstratege bei Fidelity International. Er analysiert seit mehr als 25 Jahren die Finanzmärkte und schafft so die Grundlagen für informierte Anlageentscheidungen. Für seine Marktbeobachtungen kann er eines der größten globalen Research-Teams der Branche nutzen.