Zinsanstieg vor der Tür

Fed-Sitzung: Kommt jetzt die US-Zinswende?

26.08.15 03:00 Uhr

Fed-Sitzung: Kommt jetzt die US-Zinswende? | finanzen.net

Selbst Notenbanker, die eher für eine lockere Geldpolitik stehen, deuten eine Leitzinserhöhung im September an. Hinweise gibt es einige.

von Julia Groth, Euro am Sonntag

Wenn Janet Yellen spricht, hängen Investoren und Analysten an ihren Lippen, untersuchen jedes Wort auf versteckte Botschaften. Hat die Präsidentin der US-Notenbank etwa angedeutet, dass die Fed bald den Leitzins anhebt? Oder hat sie damit gemeint, dass der Schritt noch auf sich warten lässt? Und was bedeutet es, dass die Fed-Chefin jetzt mit der linken Augenbraue wackelt?

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Wenn die Fed am kommenden Donnerstag ihr dreitägiges Symposium in Jackson Hole im Bundesstaat Wyoming eröffnet, müssen die Wortklauber und Gestendeuter auf andere Fed-Vertreter achten. Yellen wird nicht dabei sein. Um Spekulationen vorzubeugen, kündigte sie schon im Frühjahr an, ihr enger Terminplan verhindere die Teilnahme.

In Jackson Hole treffen sich seit 1982 einmal im Jahr Finanzminister und Notenbanker aus der ganzen Welt. In der Vergangenheit gab es dort immer wieder Andeutungen zu geldpolitischen Entscheidungen. Auch dieses Jahr wird die Öffentlichkeit auf Signale aus Wyoming lauern.

Anleger warten gespannt da­rauf, ob die Fed bei ihrer nächsten Sitzung im September zum ersten Mal seit der Finanzkrise den Leitzins anhebt. Die Fed würde damit bestätigen, dass sich die US-Wirtschaft erholt, und beginnen, die Geldpolitik in ruhigere Bahnen zu lenken. Gewissheit bringt erst der 17. September. Sollte die Notenbank die Zinsen dann nicht anheben, käme als nächster Termin Dezember infrage, danach März.

Daten sprechen für Anhebung

Äußerungen aus den Reihen der Fed deuten auf September. So hat sich James Bullard, Prä­sident der regionalen Fed von St. Louis, für einen Zinsschritt im kommenden Monat ausgesprochen. Bullard ist im Offenmarktausschuss (FOMC) der US-Zentralbank turnusgemäß in diesem Jahr nicht stimmberechtigt, er gilt aber als einflussreich. Eine von zehn Stimmen hat Dennis Lockhart, Fed-Präsident von Atlanta. Und nach seiner Ansicht wäre eine deutliche Verschlechterung der Konjunkturindikatoren nötig, um die Fed vom Zinsschritt im September abzuhalten. Lockhart hat mit dieser Äußerung für Wirbel gesorgt, denn er gilt als geldpolitische Taube.
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Von Beobachtern so bezeichnete Notenbanker sind eher für eine lockere Geldpolitik mit niedrigen Zinsen. Bullard indes hat den Ruf eines Falken - dass er eine Zinserhöhung befürwortet, überrascht kaum.

An der Börse rechnete Ende der Woche dennoch eine Mehrheit der Investoren damit, dass sich die Fed noch etwas Zeit lassen wird. Abzulesen ist das an den Fed Funds Futures (siehe ­Investor-Info). Die Mehrheit der vom Dienstleister Bloomberg ­beobachteten Analysten wiederum erwartet eine Zinserhöhung bei der nächsten Fed-Sitzung.

"Wir glauben, dass es im September die erste Zinserhöhung geben wird, eine weitere im ­Dezember", sagt auch Michael ­Mewes, Leiter des Anleiheteams bei JP Morgan Asset Management. Die Fed werde den Leitzins um je 0,25 Prozentpunkte anheben. Davon geht auch Brian Tomlinson aus, Rentenspezialist bei Allianz Global Investors: "Die Fed muss glaubwürdig bleiben. Yellen hat den Arbeitsmarkt als Schlüsselkriterium für eine Zins­anhebung genannt. Und der Arbeitsmarkt entwickelt sich gut."

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Im Juli wurden in den USA 215.000 neue Stellen geschaffen, ungefähr so viele wie erwartet. Auch die Arbeitslosenquote entsprach mit 5,3 Prozent den Prognosen. Die US-Wirtschaft dürfte 2015 um 2,5 Prozent wachsen, schätzen Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Neben Arbeitsmarkt und Wirtschaftswachstum gibt es technische Gründe für den September: Am Jahresende sind die Märkte weniger liquide. Bei Kurzfristzinsen treten dann Verzerrungen auf, die eine Zinserhöhung erschweren würden, erläutert Bruno Crastes, Chef des Anleihespezialisten H2O Asset Management. Und der März-Termin liegt für jene Fed-Mitglieder, die noch 2015 den ersten Schritt in Richtung Zinsnormalität gehen wollen, zu weit in der Zukunft.

Politische Argumente sprechen ebenfalls für September. Im November 2016 wird ein neuer US-Präsident gewählt. Und Yellen ist nicht nur die erste Frau an der Spitze der Fed, sondern auch die erste Demokratin auf diesem Posten seit 1987. Weil Zins­anhebungen die Wirtschaft vorübergehend belasten, dürfte sich Yellen bemühen, diese vor der heißen Phase des Wahlkampfs hinter sich zu bringen.

Gegenargumente schwächer

Es gibt aber auch ein paar Punkte, die gegen eine Zinserhöhung im September sprechen: So ist die Inflationsrate noch weit von den angepeilten zwei Prozent entfernt, der starke Dollar belastet den Export, das schwächere Wachstum in China wirft einen Schatten auf die globale Wirtschaftsentwicklung. Zudem hat die chinesische Notenbank den Renminbi gegenüber dem Dollar abgewertet - der Schritt stärkt den Dollar weiter und drückt so auch auf die ohnehin zu niedrige US-Inflationsrate.

Es ist zwar denkbar, dass die Fed diese Punkte zum Anlass nimmt, um mit dem ersten Zinsschritt doch noch zu warten. Wahrscheinlich ist es nicht.

"Die Abwertung des Renminbi wird keine Auswirkung auf die Entscheidung der Fed haben", sagt Tomlinson von Allianz Global Investors: "Die Inflation in den USA dürfte durch den schwächeren Renminbi gerade einmal um 0,1 Prozent fallen." Auch die Rally des Dollar sei kein Problem: "Amerika kann mit einem starken US-Dollar leben."

Folgen für die Kapitalmärkte

Eine Zinserhöhung in den USA hat aber nicht nur Folgen für die Vereinigten Staaten. Denn der US-Leitzins ist der wichtigste Leitzins der Welt. Wird er geändert, ändert sich die Kalkulationsgrundlage für praktisch alle Anlageklassen weltweit, von Aktien über Anleihen bis Devisen.

Weil die Fed den Leitzins nach einem ersten Zinsschritt nur äußerst behutsam weiter erhöhen dürfte, rechnen die meisten Analysten allerdings nicht mit größeren Turbulenzen. Weder die Aktien- noch die Anleihekurse sollten deutlich fallen.

"Ein Erdrutsch wie im Frühjahr 2013 ist nicht zu erwarten", sagt Mewes von JP Morgan. Yellens Vorgänger Ben Bernanke hatte damals angedeutet, die ­ultralockere Geldpolitik könnte eines Tages ein Ende haben. Die Anleihekurse brachen ein. Seither haben die Börsen das Ende des Anleihekaufprogramms der Fed verkraftet - und sich grundsätzlich auf einen bald steigenden Leitzins eingestellt. Dass dieser Schritt im September kommt, ist wahrscheinlich, aber nicht sicher. Und er lässt sich auch nicht aus einem Stirnrunzeln von Janet Yellen herauslesen.

Investor-Info

US-Staatsanleihen
Bernanke und das Tapering

Ben Bernanke ließ die US-Staatsanleihekurse Mitte 2013 einbrechen, im Gegenzug stiegen die Renditen. Der damalige Fed-Chef deutete ein bevorstehendes Tapering an, ein Drosseln der Fed-Anleihekäufe. Diese Stützungskäufe sind lange beendet - derlei Kursreaktionen gab es nach dem ersten Schock nicht mehr.

US-Leitzins
Die Fed und die Börsianer

Die Fed Funds Rate, der US-Leitzins, liegt seit 2008 im Zielband von null bis 0,25 Prozent. Welche Entwicklung Börsianer erwarten, zeigen Termingeschäfte mit Fed Funds Futures. Der erwartete Zeitpunkt für einen Zinsschritt hat sich seit Ende 2014 immer weiter verschoben, der erwartete Erhöhungspfad verflacht.

US-Wirtschaft
Yellen und die Zinserhöhung

Die Notenbanker um Janet Yellen haben sich im Grundsatz für höhere Zinsen entschieden, auch wenn der Termin für den ersten Schritt offen ist. Die Fed wartet seit Ende der Rezession schon ungewöhnlich lange mit einer Erhöhung. Zögert sie weiter, fehlt ihr eine Option: Wenn die US-Wirtschaft wieder lahmt kann sie nicht mit Zinssenkungen eingreifen.

Bildquellen: Chip Somodevilla/Getty Images, isak55 / Shutterstock.com