Telekom-Sektor: Trotz Rekord bei M&A bleibt die Bonität stabil
Der europäische Sektor für Technologie, Medien und Telekommunikation (TMT) verzeichnete bei Fu-sionen und Übernahmen (M&A) im ersten Quartal einen neuen Rekord.
Das Volumen stieg gegenüber dem Vorjahresquartal um 33 Prozent an. Dennoch konnten die Investo-ren die M&A-Aktivitäten relativ gelassen beobachten: die Auswirkungen auf die Bonität der Emitten-ten im Telekommunikationssektor waren überwiegend neutral.
Wie es den europäischen Telekommunikationsunternehmen gelungen ist, ihre Ratings - also die Be-wertungen ihrer Kreditwürdigkeit - in einem zunehmend anziehenden Übernahmewettbewerb wei-testgehend konstant zu halten, haben die Analysten von Standard & Poor’s Ratings Services näher untersucht. Insgesamt haben die Telekomgesellschaften bei ihren Maßnahmen darauf geachtet, ihre Finanzprofile im Rahmen zu halten, um Herabstufungen zu vermeiden. Dies und weitere Ergebnisse der Untersuchung veröffentlichte Standard & Poor’s Ratings Services Mitte Juni 2015 im Kommentar "European Telecoms Operators Jockey For Position As M&A Surges Forward".
M&As wirken nicht unmittelbar auf Ratings
Fusionen oder Übernahmen beeinflussen die Wettbewerbsfähigkeit, die Größe, strategische Zielset-zungen und die Diversifizierung der Unternehmen. Allerdings wirken sich diese Verbesserungen in der Regel eher stufenweise aus und haben dadurch keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Ratings. Dagegen können die Finanzprofile der Unternehmen durch M&As und damit zusätzliche Verschuldun-gen belastet werden. Die Evaluierungen von S&P beziehen sich jedoch auf die Situation des jeweiligen Unternehmens und berücksichtigen die Bewertungen, den Spielraum innerhalb der jeweiligen Rating-stufe und auch den Funding-Mix.
Kabelnetzbetreiber in der besseren Position
Bei M&As im Telekomsektor in den vergangenen zwei Jahren haben wir beobachtet, dass Kabelgesell-schaften etwa mit dem zehnfachen und Telekomgesellschaften mit dem siebenfachen EBITDA bewer-tet wurden. Der Abstand verringert sich zwar, aber nach Meinung von S&P spiegelt dies die nach wie vor relative Stabilität des Kabelfernsehgeschäftes wider. Darüber hinaus bietet die Bündelung der Angebote auf Triple-Play (d.h. Festnetz-Breitband, Kabel und Telefon) und Quad-Play (Triple-Play plus Mobil) den Unternehmen ein solides Wachstumspotenzial.
Marktkonsolidierung treibt die M&A-Welle
Konsolidierung und Fokussierung stellen die beiden wichtigsten Treiber hinter dem Anstieg der euro-päischen M&As im Bereich Telekommunikation dar. Insbesondere die Konsolidierung mobiler Dienste kann dazu beitragen, eine Stabilisierung der negativen Preis- und Umsatzwachstums-Trends der letz-ten zwei bis drei Jahre zu erzielen. Während es den Kabelnetzbetreibern in der Regel wesentlich bes-ser erging als den Anbietern der mobilen Telekommunikation, stellen auch die Kabelnetzbetreiber Skalenvorteile durch Konsolidierung fest.
Gebündelte Produktpakete steigern Gewinne
Europäische Telekommunikations- und Kabelnetz-Betreiber bieten vermehrt gebündelte Produktpa-kete an. Das heißt, sie liefern Kombinationen aus Pay-TV, Breitband- und Festnetzanschlüssen sowie Mobilfunknetzen als Komplettpakete. Die Bündelung kann den Betreibern helfen, höhere Gewinne durch Cross-Selling ihrer Dienste zu generieren und so die Zahl der Kunden sowie den Durchschnitts-gewinn pro User (ARPU) zu steigern. Gleichzeitig könnte so die Kundenloyalität gesteigert und die Abwanderungsquote um bis zu 50% gesenkt werden.
Positiver Blick in die Zukunft
Etablierte Telekommunikations-Betreiber sahen sich in den letzten Jahren mit strukturellen Heraus-forderungen konfrontiert, um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Geschäftsmodelle zu stärken. Wir glau-ben, dass solche Anbieter in Märkten wie Deutschland, Spanien, der Schweiz und Großbritannien wei-terhin das Potenzial haben, mit Netzen der vierten Generation (4G) noch effektiver Gewinne zu erzie-len.
Von Mark Habib, Kreditanalyst, Sector Specialist Telecommunications, bei Standard & Poor’s Ratings Services in Paris
Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Credit Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de
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