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Quantitative Easing stärkt Glaubwürdigkeit der EZB

18.03.15 11:04 Uhr

Quantitative Easing stärkt Glaubwürdigkeit der EZB | finanzen.net

Schutz der Euroländer vor aktueller Verschlechterung ihrer Kreditwürdigkeit

Seit Monaten wird über das milliardenschwere Anleihenaufkaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) in den Medien diskutiert. Ist die geldpolitische Lockerungspolitik der EZB, das sogenannte Quantitative Easing (QE), nun Fluch oder Segen für die Wirtschaft und finanzielle Stabilität der Euroländer? Nach Auffassung von Standard & Poor’s Ratings Services zeigt das umfangreiche Programm für den Kauf von Staatsanleihen der EZB, dass die Zentralbank ihre signifikante monetäre Flexibilität sehr wohl nutzen kann und wird, um ihre geldpolitischen Ziele zu erreichen - und dies sogar trotz starker Vorbehalte einiger Mitglieder des EZB-Rats.

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Quantitative Easing untermauert somit die Glaubwürdigkeit der europäischen Währungshüter. Eine flexible und glaubwürdige Geldpolitik kann wiederum ein wesentlicher Faktor sein, wenn es darum geht, die Verschlechterung der Länderkreditwürdigkeit in Krisenzeiten aufzuhalten oder zu verhindern. Das QE-Programm der EZB hat einen ähnlichen Umfang wie die ursprünglichen Programme der US-Notenbank (U.S. Federal Reserve System) und der Bank of England.

Finanzielle Schocks abfedern

Monetäre Flexibilität kann ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum unterstützen und große wirtschaftliche und finanzielle Schocks abfedern. Insofern kann die Geldpolitik ein wichtiges Stabilisierungsinstrument für Staaten sein: Sie trägt dazu bei, Kreditbedingungen zu lockern, wenn die wirtschaftliche Kapazitätsauslastung unter ihren Möglichkeiten liegt, oder Kreditbedingungen zu verschärfen, sollte die Konjunktur überhitzen.

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Was wäre wenn

Diese Zusammenhänge berücksichtigt S&P auch in seiner Methodologie für Staatenratings, um die Kreditwürdigkeit der einzelnen Länder einschätzen zu können. Wir könnten unsere Einschätzung zu unserem Ratingfaktor "Geldpolitische Glaubwürdigkeit, Wirksamkeit und inflationäre Trends", zu dem wir derzeit für die EZB unsere höchste Bewertung vergeben, unter bestimmten Szenarien nach unten anpassen. Beispiele wären etwa wenn wir beobachten, dass die unterliegende Kerninflation (ohne preislich stark schwankende Komponenten wie Energieträger und Nahrungsmittel) in eine nachhaltige Deflation absinkt, wenn die Inflationserwartungen nachhaltig und wesentlich vom Inflationsziel abweichen, wenn verfassungsrechtliche Einschränkungen beim Einsatz von geldpolitischen Instrumenten der EZB auftreten, oder wenn eines oder mehrere Länder die Eurozone verlassen und dabei akute Ansteckungswirkungen auf Drittstaaten verbreiten. Eine entsprechende Neubewertung der geldpolitischen Effektivität in der Eurozone würde wahrscheinlich zu negativen Ratingaktionen im Hinblick auf einige Länder der Eurozone sowie auf die EZB selbst führen.

Von Moritz Kraemer, Chief Rating Officer Sovereigns und Managing Director bei Standard & Poor’s Ratings Services in Frankfurt

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Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Credit Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de



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