Verbot von Bonitäts-Anleihen: Verbraucherschutz?
Rund sechs Milliarden Euro haben Privatanleger in Bonitäts-Anleihen investiert. Nun will die Finanzaufsicht den Vertrieb dieser Produkte verbieten - ein Präzedenzfall.
von Philipp Melzer, Gastautor von Euro am Sonntag
Am 28. Juli 2016 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) den Entwurf eines Verbots des Verkaufs sogenannter Bonitätsanleihen an Privatkunden veröffentlicht. Nun kann das Verbot jederzeit ergehen. Es würde dann am Folgetag in Kraft treten.
Damit würde die Bafin erstmals von einer Ermächtigung Gebrauch machen, Anordnungen zu treffen, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu beseitigen. Der Gesetzgeber hatte diese Möglichkeit im Vorgriff auf eine entsprechende europäische Regelung geschaffen. Mit der Allgemeinverfügung würde die Bafin eine ganze Produktkategorie verbieten.
Bonitätsanleihen sind eigentlich dem Bereich der Kreditderivate zuzuordnende sogenannte "Credit Linked Notes". Dabei handelt es sich um in der Regel von Banken begebene, verzinsliche Schuldverschreibungen, die die Besonderheit aufweisen, dass die Rückzahlung bzw. die Zinszahlungen gekürzt werden bzw. ausfallen, wenn ein "Kreditereignis" eintritt. Als Kreditereignis sind normalerweise Leistungsstörungen in Kreditbeziehungen (Insolvenz, Zahlungsausfall, Restrukturierung etc.) eines Referenzschuldners definiert. Der Referenzschuldner, meist ein Emittent von Kapitalmarktinstrumenten, wird in den Anleihebedingungen referenziert, ist aber an der Begebung der Bonitätsanleihe in keiner Weise beteiligt.
Bei wirtschaftlicher Betrachtung handelt es sich bei einer Bonitätsanleihe um ein Paket aus zwei Produkten: Erstens erwirbt der Anleger eine Anleihe der emittierenden Bank, und zweitens gewährt er ihr eine "Kreditausfallversicherung" hinsichtlich des Referenzschuldners, wobei er die Versicherungsleistung bereits bei Abschluss vorab leistet und nur wieder zurückerhält, wenn es nicht zu einem Versicherungsfall in Form des Kreditereignisses kommt.
Die Bafin bemängelt bei den Bonitätsanleihen weniger, dass dadurch die Risikotragfähigkeit eines Privatanlegers per se überschritten werde, sondern dass die Produktstruktur und die Angemessenheit ihrer Verzinsung für einen Privatanleger nicht nachvollziehbar sei. In der Regel werde ein Privatanleger nicht nachvollziehen, dass sich die Bonitätsanleihe aus den genannten Komponenten zusammensetzt. Auch werde er nicht beurteilen können, ob der "Zinszuschlag", den er im Vergleich zu einer nicht strukturierten Anleihe der emittierenden Bank erhält, eine die von ihm eingeräumte "Kreditversicherung" angemessen vergütende "Versicherungsprämie" ist. Die Angemessenheit des Zinszuschlags lasse sich zwar durch einen Vergleich mit entsprechenden "Credit Default Swaps" auf den Referenzschuldner bewerten, doch seien die Märkte, auf denen diese gehandelt werden, Privatanlegern nicht zugänglich.
Emittenten sind plötzlich
in einer misslichen Lage
Daneben stellt die Bafin auf Interessenkonflikte der emittierenden Banken ab, wenn diese zum Beispiel gleichzeitig Kreditgeber des Referenzschuldners sind. Dieses Argument überzeugt aber wenig, da entsprechende Interessenkonflikte auch bei anderen Produkten auftauchen, ohne dass deren Verkauf verboten wäre.
In der für den Fall ihres Erlasses zu erwartenden gerichtlichen Überprüfung der Allgemeinverfügung wird es entscheidend darum gehen, ob ein Verbot der Bonitätsanleihe verhältnismäßig ist. Dabei wird untersucht werden, ob das verfolgte Ziel des Verbraucherschutzes mit einem weniger einschneidenden und damit milderen Mittel als einem Verkaufsverbot erreicht werden kann, etwa in Form von gesteigerten Transparenz- und Aufklärungsanforderungen oder Vorgaben, die eine angemessene Verzinsung sicherstellen.
Bereits die Veröffentlichung des Entwurfs bringt diejenigen in eine missliche Lage, die in der Vergangenheit Bonitätsanleihen aufgelegt oder vertrieben haben. Zeigt der Entwurf doch in aller Deutlichkeit, dass die Aufsicht Bonitätsanleihen als ungeeignet für Privatanleger hält. Hieran könnten Anleger, die vor Zivilgerichten die Rückabwicklung und Schadenersatzansprüche aus dem Erwerb von Bonitätsanleihen gegenwärtig oder künftig geltend machen, mit dem Argument anknüpfen, dass ihnen eine für sie ungeeignete Anlageform verkauft worden sei.
Kurzvita
Philipp Melzer
Partner bei
CMS Hasche Sigle
Melzer berät Emittenten, emissionsbegleitende Banken und Altaktionäre bei Börsengängen, Kapitalerhöhungen sowie Zweitplatzierungen. Zudem verfügt er über große Erfahrung bei Anleihen, Emissionsprogrammen und strukturierten Finanzprodukten wie Asset-backed Securities oder Derivaten.
Mit mehr als 600 Rechtsanwälten und Steuerberatern ist CMS in Deutschland eine der führenden Anwaltssozietäten auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts.
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