Euro am Sonntag-Meinung

Anleihekaufprogramm der EZB: Die gute Art der Langeweile

06.10.18 15:00 Uhr

Anleihekaufprogramm der EZB: Die gute Art der Langeweile | finanzen.net
Christian Kopf

Für Rentenanleger wird das Umfeld herausfordernder. Dabei sind von der Europäischen Zentralbank (EZB) für den Moment keine Überraschungen zu erwarten.

von Christian Kopf, Gastautor für €uro am Sonntag

Auf ihrer September-Sitzung hat die EZB einmal mehr gezeigt, dass sie sich in der Rolle des "Langweilers" gefällt. Aber: Für den Kapitalmarkt ist es die gute Art der Langeweile, denn dahinter verbergen sich Stabilität, Kontinuität und Berechenbarkeit. Eigenschaften, die die Währungshüter nicht immer an den Tag legten und die Börsen damit manches Mal auf dem falschen Fuß erwischten. Doch Notenbankchef Mario Draghi hat dank transparenter Kommunikation diesen einen Schädling ausgeschaltet: das Überraschungsmoment.



Die EZB fährt auf Autopilot. Sie folgt damit - wenn auch mit rund vier Jahren Verspätung - der US-amerikanischen Federal Reserve, die ebenfalls wie auf Schienen unterwegs ist. Für die EZB bedeutet das konkret: eine Halbierung der Anleihekäufe auf monatlich 15 Milliarden Euro ab Oktober und eine Beendigung des Programms pünktlich zu Silvester. Die Leitzinsen sollen, wie es auch der offizielle September-Text der No­tenbanker sagt, "mindestens über den Sommer 2019" hinaus auf dem aktuellen Niveau bleiben.

Dass Draghi, der auf die Zielgerade seiner Amtszeit einbiegt, keinen akuten Handlungsbedarf sieht, liegt auch an der guten Entwicklung im Euroraum. Wirtschaftlich ist die Währungsunion auf einem langsamen, aber stetigen Pfad der Erholung. Um 2,0 Prozent dürfte das Bruttoinlandsprodukt 2018 zulegen, 2019 sind noch 1,9 Prozent drin. Von der Inflation bekommt Draghi ebenfalls keinen Druck. Die Preisentwicklung stand zwar im August bei 2,0 Prozent und damit im Zielkorridor der EZB. Ohne die schwankungsanfälligen Preise für Lebensmittel und Energie schrumpft die Teuerung aber auf 1,0 Prozent zusammen. Das liegt auch am Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten. In Deutschland, den Niederlanden und Österreich liegt die Inflation bei rund zwei Prozent. In den baltischen Staaten sorgen annähernde Vollbeschäftigung und Aufholeffekte für Preissteigerungen von 3,5 Prozent.


Doch in den ehemaligen Krisenstaaten Italien, Spanien und insbesondere Portugal kommt die Inflation erst langsam zurück. Allerdings ist dies Teil der Lösung, nicht des Problems. Die Liberalisierung der Arbeitsmärkte hat die Staaten wieder wettbewerbsfähig gemacht. Lohndruck? Fehlanzeige. Die divergierenden Inflationsraten sind somit ein notwendiger Baustein hin zu stärkerer innerer Kohärenz der Eurostaaten.

Für das Gesamtjahr 2018 rechnen wir, genau wie die EZB, mit einer Teuerung von 1,7 Prozent. Hektische Zinserhöhungen sind damit ausgeschlossen. Erst im September 2019 dürfte ganz behutsam am Einlagensatz gedreht werden, durch eine Anhebung des Einlagensatzes von aktuell minus 0,4 auf dann minus 0,25 Prozent. Im Dezember 2019 sollte dann ein weiterer Schritt um 25 Basispunkte folgen - ein Ende der negativen Strafzinsen als Weihnachtsgeschenk 2019. Auch wenn die EZB im Lauf des Jahres 2020 ihr Zinsband weiter anheben dürfte, wird der Einlagensatz auf absehbare Zeit der eigentliche Leitzins im Euroraum bleiben. Denn die Überschuss­liquidität im Bankensektor wird auch nach Beendigung des Anleihekaufprogramms der Zentralbank fortbestehen.

Bei Unternehmensanleihen lohnt der Blick nach Übersee

Entspannt zurücklehnen kann man sich bis dahin also nicht - und als Anleihe-­Investor auf gar keinen Fall. Denn mit dem Ende des Ankaufprogramms und den langsam absehbaren Zinsschritten der EZB zeigt der Renditepfad für Staatsanleihen aus Kerneuropa wieder nach oben. Solange die Budgetverhandlungen in Italien keine böse Überraschung bereithalten, dürfte der sichere Hafen Bundesanleihe weniger gefragt sein. Bis zum Juni 2019 rechnen wir mit einer Verzinsung im Zehnjahresbereich von 0,9 Prozent. Verglichen mit den über drei Prozent in den USA ist das zwar nicht viel, aber immerhin eine Verdopplung des aktuellen Niveaus.

Mit steigenden Renditen auf Bundesanleihen nimmt auch der Druck auf die Kurse europäischer Unternehmensanleihen zu. Hier könnte ein Blick nach Übersee lohnen, wo für europäische Anleger mittelfristig auch auf währungsgesicherter Basis positive Erträge in Reichweite bleiben. Schläfrig machen sollte also die gute Art der Langeweile nicht.

Kurzvita

Christian Kopf
Leiter Rentenfondsmanagement bei Union Investment
Kopf leitet seit September 2017 das Rentenfondsmanagement von Union Investment mit mehr als 50 Mitarbeitern und gut 60 Milliarden Euro Kundengeldern. Er ist eines von sieben stimmberechtigten Mitgliedern des Union Investment Committee. Union Investment ist die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken. Mit rund 310 Milliarden Euro verwaltetem Vermö- gen ist sie einer der größten deutschen Vermögensverwalter für private und institutionelle Anleger.




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Bildquellen: Union Investment