Marathon-Anleihen: Der Unsinn für Privatanleger
Bonds mit ultralanger Laufzeit erfreuen sich bei Investoren großer Beliebtheit. Auch wenn die Kupons attraktiv erscheinen, sollten Privatanleger die Finger davon lassen. Die Alternativen.
Werte in diesem Artikel
von Astrid Zehbe, Euro am Sonntag
Wenn Österreich für das Jahr 2086 seine Finanzplanung macht, wird irgendwo der Punkt auftauchen: Rückzahlung Anleihe 16/86, Volumen: zwei Milliarden Euro. Geht es Österreich finanziell so gut wie heute, wird es den Haushalt nicht weiter schmerzen, schließlich hat sich der Betrag dank einer durchschnittlichen jährlichen Inflationsrate von zwei Prozent - so hoch war die Teuerung in Österreich im Schnitt in den vergangenen zehn Jahren - auf einen Gegenwartswert von nur noch 500 Millionen Euro entwertet.
Die ursprünglichen Investoren - zumindest die, die privat zugegriffen haben - haben die Papiere mit 1.000er-Stückelung bereits zwei oder drei Generationen weitervererbt. Von den 15 Euro Zinsen pro Papier kann man einmal im Jahr ein Eis essen gehen, vom Rückzahlungsbetrag wird vielleicht ein neues Paar Schuhe gekauft. Zu mehr reicht es wegen des inflationsbedingten Kaufkraftverlusts nicht.
USA erwägen Langläufer
Als Österreich die Anleihen mit 70-jähriger Laufzeit im November 2016 auf den Markt brachte, war die Nachfrage für die mit 1,5 Prozent verzinsten Papiere hoch. Auch bei anderen Emissionen von Anleihen mit derart langen Laufzeiten schlagen Investoren immer wieder begeistert zu. Dabei wird das Risiko für die überdurchschnittlich lange Laufzeit in der Regel alles andere als lukrativ vergütet. So beträgt der Renditeunterschied zwischen österreichischen Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit und dem bis 2086 laufenden Bond gerade einmal 1,3 Prozentpunkte. Für Privatanleger sind solche Investments darum kaum empfehlenswert. Es profitieren vor allem die Anbieter.
Und die emittieren fleißig. Mehr als 150 Anleihen mit einer Laufzeit von mindestens 30 Jahren kann man derzeit beispielsweise an der Börse Stuttgart kaufen, 85 davon können sich aufgrund einer Stückelung von maximal 2.000 Euro auch Privatanleger leisten. Die aktuellen Renditen für die Langläufer reichen von knapp über null Prozent für Schweizer Bonds bis hin zu knapp zehn Prozent für südafrikanische Staatsanleihen, die in Lokalwährung notieren.
Auch die USA erwägen offenbar, solche oft auch Marathonläufer bezeichneten Papiere auf den Markt zu bringen. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg kündigte US-Finanzminister Steven Mnuchin vor Kurzem an, entsprechende Emissionen zu prüfen. Aus seiner Sicht seien Papiere mit einer Laufzeit von mehr als 30 Jahren für die USA durchaus sinnvoll, vor allem vor dem Hintergrund steigender Staatsausgaben.
Gewünschte Entwertung
Dass Unternehmen und Staaten - darunter viele mit eher schwacher Bonität - Anleihen mit derart langer Laufzeit begeben, hat vor allem einen Grund: Sie wollen sich auf diese Weise die derzeit niedrigen Zinsen sichern. Aus Sicht der Schuldner ist dies nachvollziehbar. Mit
der Straffung der US-Zinspolitik könnte das weltweite Zinsniveau Schritt für Schritt wieder steigen. Das würde späteres Schuldenmachen verteuern.
Gleichzeitig spekulieren sie darauf, dass ihre Schulden über die Zeit dank Inflation entwertet werden. Die Teuerung war in den vergangenen Jahren zwar eher gering, könnte bei gut laufender Wirtschaft jedoch wieder anziehen. Zielmarke vieler Notenbanken sind zwei Prozent pro Jahr. Sollten wider Erwarten deflationäre Tendenzen oder noch weiter sinkende Zinsen auftreten, haben sich einige Emittenten - an der Börse Stuttgart sind rund ein Drittel der für Privatanleger geeigneten Papiere betroffen - das Recht auf eine vorzeitige Kündigung der Anleihe eingeräumt.
Kurse reagieren stärker
Was des einen Vorteil, ist des anderen Nachteil: Anleger erhalten am Ende der Laufzeit einen Nominalbetrag zurück, dessen Kaufkraft kräftig eingebüßt hat. Läge die jährliche Teuerung beispielsweise tatsächlich bei zwei Prozent, können Anleger nach 35 Jahren nur noch halb
so viel von dem Geld kaufen, wie sie es heute gekonnt hätten. Oftmals schafft es der Kupon nicht mal, die Inflation auszugleichen.
Die Verzinsung ist angesichts der längeren Laufzeit zwar höher, aber eben auch fix: Steigt das Zinsniveau wieder, haben Anleihebesitzer mit ihren Mini-Kupon-Papieren das Nachsehen. Und der Effekt, dass Anleihen auf steigende Zinsen mit Kursverlusten reagieren, ist bei den Marathonläufern deutlich stärker ausgeprägt. So schwankt die Österreich-Anleihe seit Jahresbeginn zwischen 80 und 95 Prozent ihres Nominalwerts.
Auf Kursgewinne zu setzen ist für Anleger darum theoretisch der einzige Weg, auch kurzfristig von den Langläufern zu profitieren. Allerdings hat die Sache einen Haken: Es handelt sich eher um einen Nischenmarkt, der vor allem von institutionellen Anlegern wie Pensionskassen dominiert wird.
Bei diesen sind die Langläufer begehrt, da sie für ihre Zwecke gut geeignet sind - nämlich bestimmte Auszahlungsbeträge zu einem bestimmten Zeitpunkt abzudecken und gleichmäßige Erträge zu erwirtschaften. Haben diese Investoren die Papiere einmal gekauft, werden sie sie in der Regel bis zum Laufzeitende halten. Entsprechend illiquide ist der Markt.
Das größte Risiko der Langläufer ist jedoch die Bonität der Emittenten. Diese ist für einen so langen Zeitraum nicht vorherzusagen, auch nicht
bei heute vertrauenswürdigen Schuldnern. Bei lang laufenden Unternehmensanleihen kommt meistens hinzu, dass sie nachrangig sind und man im Insolvenzfall als eine der letzten Gläubigergruppen berücksichtigt wird.
Bessere Alternativen
Anleger, die von den Vorteilen von Anleihen profitieren wollen, sollten darum in Papiere mit kürzerer Laufzeit investieren oder auf Fonds setzen, die breit gestreut verschiedene Bonds kaufen (siehe Investor-Info). Höhere Renditen versprechen in der Regel ohnehin Aktien oder Aktienfonds.
Erben der Österreich-Anleihe werden womöglich wehmütig an das Jahr 2016 denken: Hätten ihre Vorfahren 1.000 Euro nicht in den Bond, sondern etwa in den Aktienindex MSCI World gesteckt, wären daraus im Jahr 2086 rund 30.000 Euro geworden - bei einer konservativ angesetzten Wertsteigerung von fünf Prozent jährlich. Setzt man die mittlere Rendite der vergangenen fünf Jahre - knapp neun Prozent - an, wären es sogar fast 400.000 Euro gewesen.
Investor-Info
DWS Euro Bonds
Überschaubarer Horizont
Der Fonds investiert hauptsächlich in Staatsanleihen und Pfandbriefe, die in Euro notieren und deren durchschnittliche Restlaufzeit drei bis fünf Jahre beträgt. Mit einer auf Fünfjahressicht gleichmäßigen Wertsteigerung von knapp 30 Prozent eignet sich der Fonds als guter Stabilisator fürs Portfolio.
db x-trackers MSCI World ETF
Langfristig lukrativ
Der MSCI World bildet die nach Marktkapitalisierung größten Unternehmen der Industriestaaten ab und umfasst mehr als 1.600 Titel aus 23 Ländern. Entsprechend breit ist die Streuung über Länder, Branchen und Währungen. Das macht den ETF zu einem empfehlenswerten Langfristinvestment. Vorteil von so großen Indizes ist zudem die geringe Schwankungsanfälligkeit im Vergleich zu einem einzelnen Länderindex.
Weitere News
Bildquellen: Sportpoint/Fotolia , SCOTTCHAN / Shutterstock.com