DIPS-Kolumne

Pricing von Anleihen mittelständischer Unternehmen

14.01.11 09:12 Uhr

Pricing von Anleihen mittelständischer Unternehmen | finanzen.net

Zahlreiche Interessenten von Corporate-Bond-Emissionen gehen immer ...

... noch davon aus, dass Zeichnungsgewinne in Folge eines so genannten Underpricing-Phänomens eine nahezu ungeschriebene Gesetzmäßigkeit sind. Ein Underpricing ergibt sich, sobald die Zeichnungsrendite der Anleihe größer ist, als die Kombination der risikolosen Rendite für die Anleihelaufzeit – beispielsweise gemäß Swapsatz – zuzüglich einer individuellen Risikokomponente des Emittenten – häufig analog des Credit Default Swap (CDS). Diese CDS werden jedoch nicht für jegliche Emittenten von Unternehmensanleihen gehandelt und sind demnach auch nicht verfügbar, um ein Underpricing zu verifizieren.

Unter dem Namen „Bondm“ etablierte die Börse Stuttgart vor einigen Monaten ein Handelssegment für Anleihen mittelständischer Unternehmen. Von den Emittenten, denen ein Zugang zu börsengelistetem Fremdkapital geboten wird, existieren zumeist weder die sonst üblichen Ratings von Standard & Poor’s (S&P), Moody’s oder Fitch noch der Handel von CDS. Die Bonitätsbeurteilung wird beispielsweise anhand eines Berichts der Euler Hermes Rating GmbH oder des Verband der Vereine Creditreform e.V. vorgenommen. Die bekanntesten Emittenten, welche im Rahmen von Bondm aktiv waren, sind die Dürr AG, die KTG Agrar AG und die Air Berlin AG. Alle im Segment „Bondm“ begebenen Anleihen werden zu pari emittiert. Die Emissionen der obigen Emittenten stiegen nach der Zuteilung teilweise sehr deutlich über 100%. Es schien also das beschriebene Underpricing vorzuliegen. Gegenbeispiele, welche belegen, dass dieses Phänomen eben keine Gesetzmäßigkeit ist, finden sich bei Emittenten wie der Solarwatt AG, der 3W Power Holdings S.A. und der Windreich AG. Deren Anleihekurse sackten kurz nach Emission teils deutlich unter den Emissionskurs von 100%. Hier schien demnach ein so genanntes Overpricing vorzuherrschen, welches zu negativen Zeichnungsrenditen führt.

Die überproportionalen Zeichnungsrenditen von Corporate-Bond-Emissionen großer und namhafter Industrie- und Wirtschaftsunternehmen des Jahres 2009 können demnach nicht unverändert in die Zukunft fortgeschrieben und in das Segment mittelständischer Anleihen übernommen werden. Festzuhalten ist jedoch, dass ein Over- bzw. Underpricing von den jeweiligen Kapitalmarktbedingungen abhängt. Krisensituationen in einzelnen Mitgliedsländern der Europäischen Währungsunion können demnach deutlichen Einfluss auf Investitionsentscheidungen potenzieller Anleger haben.

Die Nachfrage nach einer Emission und das damit einhergehende Underpricing hängen auch von der Anzahl zeitgleich emittierter Anleihen ab. Der Emissionszeitpunkt hat somit taktischen Einfluss auf die Zeichnungsrendite.

Autor:
Dipl.-Kfm. (FH) Andreas Schyra: Andreas Schyra ist Vorstandsmitglied der SWL Sustainable Wealth Lab AG sowie wissenschaftlicher Referent des Deutsches Institut für Portfolio-Strategien (DIPS) und Dozent an der Hochschule für Oekonomie & Management FOM.

Das dips Deutsches Institut für Portfolio-Strategien ist die finanzwirtschaftliche Forschungseinrichtung der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Essen. Im Fokus der wissenschaftlichen Arbeit stehen praxisrelevante Problemstellungen des Portfolio-Managements sowie optimierte Index-Konzepte.
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