Reformationstag "Light" à la Draghi
In dieser Woche wurde erstmals der Reformationstag bundesweit als Feiertag begangen - und zwar zu Ehren Martin Luthers, der vor 500 Jahren, am 31. Oktober, seine 95 Thesen an die Schlosskirche in Wittenberg genagelt haben soll.
Im Vergleich dazu hat EZB-Präsident Mario Draghi am vergangenen Donnerstag nur eine Mini-Reform initiiert und somit sicherlich nicht den Grundstein für einen neuerlichen Reformationstag gelegt. Zu unspektakulär waren seine Ankündigungen bezüglich der künftigen Geldpolitik der von ihm geführten Europäischen Zentralbank (EZB).
Die von ihm verkündeten Beschlüsse bedeuten zumindest einmal den Einstieg in den Ausstieg, der jedoch mit einer Reihe von Entscheidungen zeitlich nach hinten verschoben wurde. Es besteht zwar kein Anlass auf die Echternacher Springprozession zu verweisen, denn man beschreitet nun endlich den Pfad der Normalisierung. Aber das Tempo wurde deutlich gedrosselt, wodurch man das Ziel erst viel später wird erreichen können. Das im Volumen halbierte Ankaufprogramm wurde zwar vorerst bis September 2018 terminiert, jedoch wird uns das Thema spätestens dann erneut beschäftigen. Auch die Tatsache, dass die Reinvestitionen auf der Pressekonferenz so eingehend erläutert wurden und ab dem 6. November sogar gesonderte Mitteilungen wert sind, macht die Brisanz dieser Thematik mehr als deutlich. Der Wiederanlage kommt also zukünftig ein besonderes Gewicht zu, und dies kann sogar zu noch stärkeren Abweichungen vom Kapitalschlüssel führen. Darüber hinaus sollen die Kaufvolumina in den privaten Teilen des Kaufprogramms beträchtlich bleiben, was wiederum die Folge der bereits ausgereizten Mengenbegrenzung bei Staatsanleihen sein dürfte. Der Beschluss des sehr sanften Ausstiegs erinnert somit doch sehr stark an das Motto: "Wasch mich, aber mach mich nicht nass".
In diesem Zusammenhang verweist der EZB-Präsident stets auf die noch zu geringe wirtschaftliche Dynamik in der Eurozone und die daraus resultierende Notwendigkeit der geldpolitischen Unterstützung. Die aktuell - aus Sicht der Notenbanker - weiterhin zu geringe Inflation in der Eurozone ist ein anderes Argument für die taubenhaften Töne seitens der EZB-Verantwortlichen. Die große Mehrheit im EZB-Rat scheint diese Meinung zu teilen und hat sich entschlossen, das QE-Ende offen zu halten. Gleichzeit wurde auch betont, dass die Zinsen erst dann steigen werden, wenn die Ankäufe beendet wurden. Da an den Finanzmärkten nicht mit einem abrupten Ende in 2018 gerechnet wird, ist das ein eindeutiges Indiz für eine Niedrigzinspolitik, die uns auch ins Jahr 2019 und eventuell noch über das Ende der Amtszeit von Super Mario hinaus (31.10.2019) begleiten wird.
Spanische Bonds kriegen die Kurve
Nach den politischen Turbulenzen erinnern sich Anleger offenbar wieder an Spaniens Wirtschaftswachstum und seine Fortschritte auf dem Arbeitsmarkt. Und sie haben sich bewusstgemacht, dass die Ratingagenturen seit September Portugal und Italien besser benoten. Das nimmt insgesamt Druck von südeuropäischen Bonds und die schwindende Furcht vor einem Zerfall Spaniens hat dem dortigen Kapitalmarkt zusätzlich Auftrieb gegeben.
Nachdem die Rendite der 10-jährigen spanische Staatsanleihen (A19KVL) noch infolge der Unabhängigkeitserklärung für Katalonien von 1,52% auf 1,57% gestiegen war, hat sich der Markt inzwischen wieder beruhigt. Am Mittwoch rentierte dieser Bond sogar wieder bei 1,46%. Aber nicht nur spanische Staatsanleihen haben sich wieder gefangen, sondern auch an der Aktienbörse stieg der spanische Leitindex am Montag im Anschluss an eine Großdemonstration in Barcelona für die Einheit Spaniens um 1,5%, während der Bankenindex sogar 2,2% gewann. Beide Indices konnten dieses Niveau anschließend halten und sogar noch leicht hinzugewinnen.
Denn an den Kapitalmärkten ist man wieder zuversichtlicher, was die weitere Entwicklung in Spanien angeht. Zeigen die Proteste doch, dass es durchaus ernst zu nehmende Kräfte in Katalonien gibt, die für die Einheit Spaniens eintreten. Spaniens Regierungschef Rajoy plant für den 21. Dezember Neuwahlen in Katalonien und jüngsten Umfragen zufolge würden die Separatisten dann ihre bisherige Mehrheit im Regionalparlament verlieren.
Inzwischen sind bekanntlich der angeklagte Ex-Regionalpräsident von Katalonien, Carles Puigdemont, und weitere führende Politiker vom spanischen Gerichtshof vorgeladen worden. Die 14 Angeklagten müssten zudem binnen drei Tagen den Betrag von 6,2 Mio. € hinterlegen, was den geschätzten Kosten des für illegal erklärten Unabhängigkeitsreferendums vom 1. Oktober entspricht. Puigdemont hat sich mit mehreren anderen ehemaligen Regionalministern nach Belgien abgesetzt und ist nach den Worten seines Anwalts nicht bereit, nach Spanien zu reisen, sondern steht lediglich in Belgien für eine Befragung zur Verfügung.
Auf Yellen-Kurs ohne Yellen
Janet Yellen ist offenbar aus dem Rennen. Wie US-Medien berichten, ist die Entscheidung, wer die US-Notenbank (Fed) ab dem nächsten Februar führen wird, bereits gefallen. Demnach wird D. T., der Unberechenbare, den Vertrag der bisherigen Notenbank-Chefin nicht verlängern und die Entscheidung am Donnerstagnachmittag bekanntgeben. Als wahrscheinlichster Nachfolger an der Fed-Spitze gilt inzwischen Jerome Powell, der bereits seit 2012 im Gouverneursrat der Fed sitzt, dem obersten Gremium der Bank. Bisher hat Powell sämtliche Entscheidungen von Präsidentin Yellen mitgetragen und würde somit für Kontinuität in der Zinspolitik stehen. Das dürfte auch einer der Hauptgründe dafür sein, dass Donald Trump an Powell Gefallen findet. Will doch der US-Präsident auf keinen Fall die Börsen verschrecken, wo Yellen große Anerkennung genießt. Ein Kurswechsel in der Geldpolitik würde vermutlich für Unruhe sorgen und damit zu Kursverlusten führen. Das will Trump sicherlich vermeiden. Mit der Wahl von Powell würde die Fed also auf Yellen-Kurs bleiben, nur eben ohne Yellen. Bei der gestrigen Fed-Sitzung wurde keine Änderung der Leitzinsen beschlossen und zugleich mit dem Hinweis auf ein solides Wirtschaftswachstum und eine gute Lage am Arbeitsmarkt die Grundlage für eine Zinserhöhung im Dezember - zumindest verbal - geschaffen.
Eine Nichtverlängerung des Postens an der Fed-Spitze hat es in der neueren Geschichte der Notenbank zwar nicht gegeben, aber wenn es so kommen sollte, würde dies nicht an der allseits anerkannten Yellen liegen, sondern eher an dem Umstand, dass Trump hier eine eigene Duftmarke setzen will. Denn Handlungsfähigkeit will der Präsident auf jeden Fall zeigen, nicht nur aufgrund seines ausgeprägten Egos, sondern auch wegen seiner schlechten Zwischenbilanz. Obwohl die republikanische Partei über die Mehrheit in beiden Kongresskammern verfügt, kann Trump bisher keine nennenswerten Erfolge vorweisen.
Daher kann die immer wieder avisierte große Steuerreform schon entscheidend für die Bilanz seiner Legislaturperiode werden. Hierzu wurde die Vorlage eines detaillierten Konzepts in den letzten Wochen immer wieder verschoben und jetzt final für den heutigen Donnerstag angekündigt. Im Kern soll das Steuersystem einfacher, gerechter und verständlicher werden, wogegen sicherlich nichts spricht. Besonders profitieren sollen die einfachen Arbeiter, kleinere Unternehmen und mittlere Einkommensschichten.
Jedoch ist die Regierung vorerst ein Konzept für eine solide Gegenfinanzierung schuldig geblieben. Zumal nach den bisher bekannten rudimentären Eckpunkten die Reform mit mehr als zwei Billionen Dollar in den nächsten zehn Jahren zu Buche schlagen dürfte. Im schlimmsten Fall würde dies aber bedeuten, dass die Staatsverschuldung, deren Anteil ohnehin schon 115% der Wirtschaftsleistung beträgt, weiter ansteigen würde.
Steht Italien vor seinem Comeback?
Die Botschaft hört man gern, allein man glaubt nicht gleich daran. Italien habe die Trendwende geschafft, hieß es dieser Tage aus Rom. Die gefährliche Mischung aus hohen Schulden, grassierender Arbeitslosigkeit und schwachem Wachstum ist demnach überwunden. Italien sei wieder auf Wachstumskurs. Davon ist Yoram Gutgeld überzeugt, der als einer der wichtigsten Wirtschaftsberater des früheren Premiers Matteo Renzi und des aktuellen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni gilt.
Die Regierung in Rom habe unter Renzi mit einer Kombination aus Arbeitsmarktreform, niedrigeren Steuern und Bürokratieabbau das Steuer herumgerissen, so Gutgeld. Das Exportwachstum Italiens liege mit einer Rate von 5% über dem von Deutschland. Sogar die Jugendarbeitslosigkeit habe man von 40% auf 35% drücken können. Doch damit nicht genug. Das Land hat nach Lesart von Gutgeld auch seine bisher als ineffizient geltende Bürokratie in den Griff bekommen. Nirgendwo sonst in Europa seien die Kosten der Regierung so günstig. Während die Italiener nicht einmal 19% der Wirtschaftsleistung für den öffentlichen Dienst ausgeben würden, seien es in anderen Ländern deutlich mehr.
Gestützt werden Gutgelds Thesen von der Ratingagentur Standard & Poor's, die vergangene Woche die Bonitätsnote des Landes auf BBB nach oben korrigiert und den Schritt explizit mit den ersten sichtbaren Reformerfolgen begründet hat. Nun könnten die strukturellen Reformen das Wachstum deutlich beleben und auch die Schuldenquote reduzieren, schreiben die S&P-Analysten.
Ob Italien sein Comeback schon eingeläutet hat, muss sich aber erst noch zeigen. Angesichts einer Schuldenquote von 133% des Bruttoinlandsprodukts ist zumindest klar, dass dieser Weg kein leichter sein wird. Im Übrigen drängt auch die Zeit. Schließlich hat kein anderes Land so sehr von der EZB-Politik Mario Draghis profitiert wie Italien. Sollte Draghi ab September 2018 die Anleihekaufprogramme tatsächlich weiter ausschleichen lassen, verbleibt dem Land nicht mehr viel Zeit, die überfälligen Strukturreformen umzusetzen. Glaubt man Gutgeld ist ein guter Anfang bereits gemacht. Andere wie etwa der frühere Premier Mario Monti beklagen hingegen, dass die quantitativen Lockerungen Italiens Reformeifer eher gebremst hätten. Daher mag es erzieherische Wirkung haben, wenn nun das Ende des Anleihekaufprogramms eingeläutet ist.
Im Übrigen wird sich an der Entwicklung Italiens auch die Frage entscheiden, ob die EZB-Rechnung der extrem niedrigen Zinsen aufgeht oder nicht. Damit ist ausgerechnet Draghis Heimatland das Testfeld, auf dem man das langfristige Ergebnis seiner Strategie der expansiven Geldpolitik beurteilen kann.
Zum Gruseln: Weltspartag ohne Zinsen
Am 31. Oktober war wieder Weltspartag, an dem früher die Banken ihre Kunden mit diversen Geschenken für große und kleine Sparer gelockt haben. Doch der Weltspartag, der auf den ersten Internationalen Sparkassenkongress im Oktober 1925 zurückgeht, ist längst kein Weltzinstag mehr. Die Zinsen dümpeln an der Nulllinie vor sich hin. Und wenn man noch die Kapitalertragsteuer und die Inflation berücksichtigt, ist Sparen schon seit vielen Jahren ein Verlustgeschäft. Daher ist Sparen auch nicht mehr unbedingt die am besten geeignete Form, Vermögen aufzubauen, wie auch so mancher Banker eingesteht.
Sicher, das Schaffen von finanziellen Rücklagen ist nach wie vor wichtig. Aber angesichts der niedrigen Zinsen ist manchem Sparer eher zum Gruseln zumute - und zwar nicht wegen Halloween. So hat sich die Idee des Sparens in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. Das Zurücklegen von Geld aber gleich als sinnlos zu erklären, wie es die Interhyp tut, geht dann doch zu weit. So preist der Vermittler privater Baufinanzierungen - nicht ganz uneigennützig - den Immobilienerwerb als intelligente Investitionsstrategie zum Vermögensaufbau. Immobilienfinanzierung als das neue Sparen, wie es die Interhyp darstellt? Für den finanzkräftigen Anleger mag das mit Einschränkung gelten, für Otto Normalverbraucher wäre es aber risikobehaftet, sich mit einem Immobilienkauf in ein finanzielles Abenteuer zu stürzen.
Wie sehr Deutschland inzwischen zum Topstandort für Immobilieninvestoren geworden ist, macht eine neue Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC in Zusammenarbeit mit dem Urban Land Institute deutlich. Dies liegt allerdings weniger an dem niedrigen Zinsniveau, sondern geht vielmehr auf die Brexit-Entscheidung Großbritanniens zurück. So addierte sich in den vergangenen zwölf Monaten das Investitionsvolumen in Deutschland auf 68 Mrd. €, nach 54 Mrd. € im Vorjahr. In Großbritannien sanken die Investitionen dagegen von 66 Mrd. € auf 64 Mrd. € und dadurch hat Deutschland Großbritannien auf Platz eins in Europa verdrängt.
Takko Lux refinanziert sich mittels zweier Bonds
In der Bekleidungs- und Textilbranche gab es in dieser feiertagsverkürzten Handelswoche gleich zwei Unternehmen, die sich am Primärmarkt refinanzierten. So sammelte Takko Lux mittels zweier Bonds und das Modeunternehmen CBR Fashion mittels seiner Finanztochter CBR Fashion Finance frisches Geld ein. Des Weiteren begaben der Spezialchemiekonzern Ineos Finance und das in der Ölindustrie tätige Unternehmen Saipem Finance jeweils eine Anleihe.
Das westfälische Modeunternehmen Takko emittierte mittels seiner luxemburgischen Finanztochter Takko Lux einen Floater sowie einen festverzinslichen Bond (A19RD5). Mit einem festen Kupon in Höhe von 5,375%, der halbjährlich zur Auszahlung kommt, sammelte das Unternehmen aus Telgte 285 Mio. € am Bondmarkt ein. Fällig wird das Papier am 15.11.2023 und wurde zu pari begeben (+545 bps über der vergleichbaren Bundesanleihe). Der 225 Mio. € schwere Floater (A19RD4) hat ebenfalls eine Laufzeit bis zum 15.11.2023. Allerdings richtet sich der Zins nach dem vierteljährlichen Euribor +5,375 PP. Zusätzlich wurde ein 0% Euribor Floor in die Anleihebedingungen aufgenommen, so dass der Zins für den Investor immer mindestens 5,375% beträgt. Der Emissionspreis lag bei 100%. Bei beiden Anleihen ließ sich Takko Lux eine Make Whole Option sowie zusätzliche Kündigungstermine zu unterschiedlichen Zeiten in den Emissionsbedingungen festschreiben.
CBR Fashion vertreibt die beiden Marken Street One und CECIL. Das niederländische Modeunternehmen sammelte mit seinem 5-jährigen Bond (A19RLJ) 450 Mio. € frisches Geld ein und zahlt seinen Investoren bis zur Fälligkeit am 01.10.2022 einen Zins in Höhe von 5,125%, der halbjährlich in den Monaten April und Oktober ausgezahlt wird. Emittiert wurde zu pari, was einem Emissionsspread von +511 bps über Bund entsprach. Neben einer Make Whole Option ist die Anleihe seitens des Emittenten jederzeit innerhalb eines Kalenderjahres ab dem 01.10.2019 zu 102,563%, ab dem 01.10.2020 zu 101,281% und ab dem 01.10.2021 zu 100% kündbar.
Als Dritter im Bunde legte der Spezialchemiekonzern Ineos Finance einen 8-jährigen Bond (A19RLS) mit einem Emissionsvolumen von 550 Mio. € auf. Die börsennotierte Gruppe mit Sitz in der Schweiz zahlt für die Aufnahme des Kredits bis zur Fälligkeit am 15.11.2025 jährlich Zinsen in Höhe von 2,125%. Jeweils im Mai und November eines jeden Jahres erhalten die Investoren die Zinsen anteilig gutgeschrieben. Der Emissionspreis belief sich auf 100%, was +197 bps über der vergleichbaren Bundesanleihe gleichkam. Zusätzlich wurde der Bond mit einer Make Whole Option sowie drei weiteren Kündigungsterminen ausgestattet.
Zum Abschluss begab die Tochter des italienischen Unternehmens Saipem, Saipem Finance, eine Anleihe (A19RN2) mit einem Volumen von 500 Mio. €. Der mit der Herstellung und Installation von Maschinen für die Erdölgewinnung tätige Konzern stattete den Bond mit einem Zins von 2,625% aus, welcher bis zur Fälligkeit am 07.01.2025 jährlich gezahlt wird. Emittiert wurde zu pari (+209,8 bps über Mid Swap). Eine Make Whole Option ergänzt die Details zu diesem Bond.
Alle Emittenten entschieden sich bei den genannten Anleihen für eine Mindeststückelung von 100.000 € und dürften daher vorwiegend für institutionelle Investoren interessant sein.
Draghi zog den Bären das Fell über die Ohren
Am vergangenen Samstag wurde während des Spitzenspiels der Fußball-Bundesliga zwischen dem FC Bayern München und RB Leipzig von den Gästefans gesungen: "Ohne Schiri habt ihr keine Chance". Auf den Bondmarkt übertragen könnten momentan die bearisch eingestellten Rentenhändler skandieren: "Ohne Draghi hättet ihr keine Chance". Aber auch mit solchen Erkenntnissen ist die Niederlage bzw. die Fehleinschätzung nicht einfacher zu ertragen.
So ließ der EZB-Präsident auch im dritten Jahr der Ankaufprogramme auf der Pressenkonferenz keine Zweifel aufkommen, wer die Power hat und mit wem man sich nicht anlegen sollte. Jeder Börsianer bzw. Investor, der auf einen schnellen und klar geregelten Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik gehofft hatte, wurde eines Besseren belehrt. Hatte man am Tag der EZB-Ratssitzung noch südlich der unteren Trendlinie (161,10%) den Handel gestartet, so hat man inzwischen sogar kurzzeitig die Widerstandslinie bei 162,52% überschritten und den "Bären" wurde das Fell über die Ohren gezogen.
Jedoch sollte man dies nicht überbewerten. Denn obwohl die EZB-Ankaufprogramme weiterhin auf einem ausgetrockneten Kapitalmarkt stattfinden, werden sich die Renditen der europäischen Staatsanleihen nicht vollständig dem Einfluss der zu erwartenden US-Zinspolitik entziehen können. Bemerkenswert ist in der jetzigen Markteuphorie allerdings, dass Renten- und Aktiennotierungen "Hand-in-Hand-Gehen" und das lange Zeit praktizierte, spiegelverkehrte Handelsmuster der Vergangenheit angehört. Die Frage wird nun allerdings sein, wer sich aus diesem Gleichschritt zuerst verabschiedet, Aktien oder Renten?
Aktuell notiert das Rentenbarometer nach dem gestrigen Zinsentscheid in den USA bei 162,46% und somit in der Nähe der oberen Begrenzungslinie.
XXXL nun auch in den USA?
In den USA wurden am gestrigen Mittwoch erstmals nach dem Fed-Beschluss zur Reduzierung der Bilanzsumme die Quartal-Auktionspläne veröffentlicht und die Marktteilnehmer warteten gespannt, ob darin Hinweise für eine geänderte Fälligkeitsstruktur versteckt sind. Dies war aber nicht der Fall und in den USA wird es vorerst keine 100-jährige Anleihe geben. Somit wurden für die kommende Woche lediglich die üblichen T-Bills mit Laufzeiten von 4 und 52 Wochen sowie 3 und 6 Monaten angekündigt. Für Investoren, die bereit sind den USA für einen längeren Zeitraum ihr Geld anzuvertrauen, werden dann auch T-Notes mit Fälligkeit in 2020 und 2027 sowie 30-jährige T-Bonds angeboten. In dieser Handelswoche wurden allerdings lediglich Geldmarktpapiere mit einem Gesamtvolumen von 128 Mrd. USD aufgelegt.
In Euroland wird heute neben Frankreich mit drei Bonds (A19QFA / 2028 ; A1Z7JJ / 2031 ; A19HR9 / 2048) das in der UEFA-Rangliste für Klubwettbewerbe führende Spanien mit der Aufstockung von vier Altemissionen (A19P6R / 2022 ; A19KVL / 2027 ; A19G01 / 2027 ; A0NXYY / 2040) am Kapitalmarkt aktiv. Bereits zum Wochenauftakt hat Italien mittels Auktionen in diversen Bonds, die aus steuerlichen Gründen nicht an deutschen Regionalbörsen handelbar sind, Material zur Verfügung gestellt und somit die Gunst der Stunde genutzt. Denn am vergangenen Freitag hatte Standard & Poor‘s das lang- und kurzfristige Kreditrating Italiens von BBB- auf BBB (mit Ausblick stabil) angehoben.
Von dieser Einstufung ist Griechenland noch weit entfernt, aber dennoch reifen in der griechischen Regierung bereits Überlegungen, sich mit Auslaufen des Hilfspakets im August 2018, wieder am Kapitalmarkt zu refinanzieren. Um die Bereitschaft der Investoren - ohne die eine solche Maßnahme fehlschlagen würde - auszuloten, ist in den kommenden Monaten mit der Begebung neuer Anleihen zu rechnen.
Draghi als Grubenschubser für den Euro
Am vergangenen Donnerstag wurde der Außenwert des Euros mit Mario Draghis halbherzigem Abgesang auf die ultralockere Geldpolitik neu festgestellt. Nach der Bekanntgabe der Beschlüsse hat die europäische Gemeinschaftswährung von in der Spitze 1,1836 USD auf 1,1639 USD nachgegeben und kämpft seit diesem Zeitpunkt sogar mit der psychologischen Marke von 1,16 USD. Dieses Niveau war seit Ende Juli für Devisenhändler kein Thema mehr gewesen, jedoch spricht momentan nichts für eine Trendumkehr beim Euro. Lediglich in einer möglichen Schwäche des Greenbacks - infolge politischer Kapriolen - ist eine Mini-Chance zu sehen, die Währung der Euroländer wieder zu stärken. Die eigenen, hausgemachten Probleme (Spanien, Katalonien, Italien und QE ohne Ende) sind nicht in der Lage diese Wende herbeizuführen. Aktuell notiert der Euro bei 1,1640 USD.
Die Schwäche des Euros wird aber auch gegenüber dem Britischen Pfund deutlich. Trotz der zähen Brexit-Verhandlungen und in Erwartung der ersten Zinsanhebung seit 10 Jahren bei der heutigen BoE-Sitzung (um einen Viertelpunkt auf 0,5%) handelt die europäische Gemeinschaftswährung wieder auf dem Juni-Niveau bei 0,8780 GBP. Jedoch ist es am Devisenmarkt wie im richtigen Leben. Man muss nur lange genug suchen, dann entdeckt man etwas, was einen wieder groß und wichtig und nicht nichtig und klein (Reinhard Mey) erscheinen lässt.
Zumindest gegenüber der türkischen Lira (aktuell: ca. 4,44 TRY) sowie dem südafrikanischen Rand (ca. 16,27 ZAR) konnten die hohen Niveaus gehalten werden und in diesen beiden Fremdwährungen konnten verstärkt Handelsaktivitäten registriert werden. Darüber hinaus richteten Privatinvestoren aber weiterhin ihren Fokus auf US-Dollar-Bonds.
Disclaimer
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Als Market Maker ist die Bank für die börsliche und außerbörsliche Preisfindung von über 800.000 Finanzinstrumenten verantwortlich. Im Investment Banking entwickelt sie Finanzierungslösungen für Unternehmen und bietet institutionellen Anlegern umfassende Dienstleistungen beim Vertrieb und dem Handel von Aktien, Anleihen und Derivaten.
Herausgeber:
Baader Bank AG
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Redaktion:
Robert Halver,
Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG
Marc Schlömer, Kapitalmarktanalyse, Baader Bank AG
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Der Autor dieses Artikels ist Klaus Stopp, Leiter der Skontroführung Renten bei der Baader Bank AG. www.Baadermarkets.de
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