Baader Bond Markets-Kolumne Klaus Stopp

Janet Yellen mit der Geldpolitik der ruhigen Hand

27.07.17 09:32 Uhr

Janet Yellen mit der Geldpolitik der ruhigen Hand | finanzen.net

Mit der gestrigen Veröffentlichung des Fed-Beschlusses endete ein zweiwöchiger Zeitraum mit Leitzinsentscheidungen der vier wichtigsten Notenbanken.

Nachdem die Bank of Japan (BoJ), die Bank of England (BoE) und die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihren Sitzungen die Beibehaltung der Leitzinsen beschlossen hatten, wurde auch von den amerikanischen Notenbankern keine Änderung der Zinspolitik erwartet. Vielmehr richtete sich das Augenmerk der Beobachter auf einen erhofften Hinweis bezüglich des Zeitpunkts für den Einstieg in die Bilanznormalisierung. Die gestern hierzu gewählte Formulierung "baldmöglichst" ist allerdings alles andere als konkret und somit rückt der Termin der nächsten Fed-Sitzung am 20. September wieder in den Mittelpunkt des Interesses.

Der zusätzliche Hinweis, dass auch weiterhin die auslaufenden Anleihen ersetzt werden, dämpft aber die Hoffnung auf eine baldige Reduzierung der Bilanzsumme, die in den Jahren seit der Finanzkrise auf 4,5 Billionen US-Dollar angestiegen ist. Zugleich betonte Janet Yellen die Notwendigkeit schrittweiser Zinserhöhungen, da die konjunkturelle Entwicklung diese zulasse. Doch die Erwartungen der Analysten sind diesbezüglich geteilt. So ist die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Zinserhöhung bis zum Jahresende von über 60% zum Monatsanfang auf zuletzt nur noch 45% gefallen. Dieser Meinungsumschwung resultiert sicherlich auch aus den durchaus begründeten Zweifeln über die Fähigkeit der Trump-Regierung, ihre angekündigte Politik durchzusetzen.

Die einzige Konstante bei D.T., dem Unberechenbaren, ist nämlich die Unbeständigkeit. Aus diesem Grund ist die wohldurchdachte und dosierte Geldpolitik der amerikanischen Notenbanker - unter dem Vorsitz von Janet Yellen - eine Wohltat für alle Finanzmarktakteure. Doch die Tage der "Geldpolitik der ruhigen Hand" könnten bald Geschichte sein, auch wenn der US-Präsident sich zuletzt gegenüber dem Wall Street Journal positiv über ihre Arbeit geäußert hat.

Die Krise feiert einen runden Geburtstag

Im Jahr 2007 war’s, als hierzulande mit Bekanntwerden der Schieflage der IKB die Finanzkrise eingeläutet wurde. Man wusste damals zwar noch nicht, was da alles kommen würde, aber die Schwierigkeiten des vermeintlich soliden Mittelstandfinanzierers waren die Schatten, welche die 2008 um sich greifende Finanzkrise vorauswarf. Beschleunigt durch die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers verbreitete sich dann die Krise in Windeseile und ließ in Deutschland die WestLB sowie die Hypo Real Estate verschwinden. Anderen Instituten sollte der Bankenrettungsfonds SoFFin unter die Arme greifen.

Dass inzwischen, zum zehnjährigen Geburtstag der Krise, die Finanzwelt sicherer geworden ist, wird zwar immer wieder behauptet. Aber sind wir da, wo wir sein müssten? Das hat neulich der damalige Staatssekretär Jörg Asmussen gefragt. "Nein, noch nicht", hat er sich selbst geantwortet. Trotz Fortschritten bei den Kapitalmarktvorschriften sind die Reparaturarbeiten noch längst nicht abgeschlossen, wie auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann einräumt.

Zu groß sind immer noch die Altlasten in Form von faulen Krediten und die Gefahren aufgrund von Verflechtungen zwischen Staaten und Banken sowie der Banken untereinander. Ob sich mit den neuen Auflagen, insbesondere in Form von Eigenkapitalanforderungen und der Einrichtung eines europäischen Sicherungsfonds, ein neuer Flächenbrand verhindern ließe, kann nur der Praxisfall zeigen. Denn, so hart es klingt, die nächste Krise kommt bestimmt. Die entscheidende Frage wird dann sein, ob das System standhalten wird.

Und was die Staaten angeht, so ist die Schuldenlast in der Euro-Zone zwar leicht gesunken, was sich in einem Rückgang der durchschnittlichen Schuldenquote von 91,2% auf 89,5% des durchschnittlichen BIPs niederschlägt. Dennoch betragen die Verbindlichkeiten aller Länder der Euro-Zone stattliche 9,7 Billionen €. Kein Grund zur Entwarnung also, macht die hohe Quote doch insgesamt deutlich, wie fragil das ganze System ist und wodurch es ins Wanken geraten könnte, wenn sich die Wirtschaftsleistung verringert.

Aber auch die enge Verflechtung von Banken und Staaten trägt die Gefahr der Ansteckung in sich. Noch immer müssen Banken für Staatsanleihen kein Eigenkapital, also keinen Risikopuffer, vorhalten - genau der Umstand, den Weidmann als Brandbeschleuniger der letzten Krise bezeichnet hat. Auch der Umgang mit Krisenbanken in der jüngsten Vergangenheit hat gezeigt, dass sich die Länder, allen voran Italien, nicht um europäische Abwicklungsregeln scheren, wenn es die eigenen Institute trifft. Nur in Spanien hat man im Fall der Banco Popular erlebt, dass es gemäß europäischer Abwicklungsregeln zum Bail-in gekommen ist.

Immerhin wurden inzwischen, zehn Jahre nach Ausbruch der Krise, die Eigenkapitalquoten der Institute kräftig nach oben geschraubt - europaweit auf 13,7%. Wie gesagt, ob dies ausreichen würde, einen Flächenbrand zu verhindern, könnte nur der Praxistest zeigen - eine Situation, die sich selbstverständlich keiner herbeiwünscht.

EU-Staaten profitieren vom Niedrigzins

Am Ende profitieren sie alle von der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) - die vereinigten Schuldnerstaaten von Europa, einschließlich der Bundesrepublik. Seit 2008 haben die Staaten laut Bundesbank insgesamt rund 1 Bill. € gespart. Für Deutschland errechnet sich eine Entlastung von 240 Mrd. €, was rund 7,5% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht.

Eine noch höhere Einsparquote erreichte Italien, das von 2008 bis 2016 auf 10,5% Ersparnis gemessen am BIP kommt. Aufgrund der anhaltend niedrigen Zinsen dürften die Staatsfinanzen auch noch weiter entlastet werden. Dennoch sollten sich Finanzpolitiker nicht zurücklehnen, sondern sich auf Zeiten steigender Zinsen vorbereiten. Noch immer wird die Zeit, welche die EZB durch die niedrigen Zinsen den Staaten erkauft hat, nicht richtig genutzt - etwa zum Abbau der Schuldenquoten. Diese liegen mit 133% des BIPs in Italien und Portugal (130%) besonders hoch. Spanien und Frankreich liegen bei knapp 100%, Deutschland bei 68%. Bekanntlich liegt die Maastricht-Obergrenze allerdings bei 60% und die verantwortlichen Politiker sollten sich stets vor Augen führen, wie hoch die Haushaltsdefizite wären, wenn die Manipulation der Zinsen durch die EZB nicht so gnadenlos umgesetzt werden würde. Dann würden in vielen europäischen Staaten die Alarmglocken permanent läuten.

Ob vor diesem Hintergrund EZB-Präsident Mario Draghi, der an den Märkten als Schutzpatron Italiens gilt, tatsächlich den Ausstieg des milliardenschweren Anleihenankaufprogramms der EZB vorbereitet, muss sich erst noch zeigen. Schließlich ist die EZB der einzige große Player, der derzeit italienische Staatsanleihen aufkauft. Wäre dies nicht mehr der Fall, würden die Zinsen für italienische Bonds in die Höhe schnellen. Dies würde das System wegen der hohen Staatsverschuldung, der schwächelnden Wirtschaft und einem Berg fauler Bankkredite noch mehr ins Wanken bringen, als es ohnehin schon der Fall ist. Daher muss Italien ein Ende der Niedrigzinsphase am meisten fürchten.

Das Comeback von Hellas

Nach einer Zwangspause von drei Jahren kehrt Griechenland an den Kapitalmarkt zurück. Erstmals seit April 2014 platziert das Land wieder eine Staatsanleihe - diesmal über ein Volumen von 3 Mrd. € und mit einem Kupon von 4 3/8 % bei einer Endfälligkeit am 1.8.2022 (A19MEC). Die Nachfrage belief sich mit 6,5 Mrd. € auf mehr als das Doppelte der Emission, die Rendite liegt bei 4,625%. Darin spiegelt sich dennoch eine gewisse Skepsis wider, denn 2014 wurden bei der bislang letzten Anleihe (Emissionsvolumen und Laufzeit waren identisch) mehr als 20 Mrd. € gezeichnet. Die Rendite belief sich damals auf 4,95%.

Diese langersehnte Emission stellt für Athen somit einen wichtigen Test dar. Denn die Kapitalmarktfähigkeit von Hellas ist die Voraussetzung dafür, dass die EZB griechische Staatstitel in ihr Aufkaufprogramm aufnimmt, woran Athen großes Interesse hat. Ob dies gelingt, hängt davon ab, ob das Land die Tragfähigkeit seiner Schulden nachweisen kann. Noch immer ist das Rating des Landes weit von Investment Garde entfernt. Immerhin hat die Ratingagentur S&P den Ausblick für Griechenland von "stabil" auf "positiv" angehoben. Moody’s hat zuletzt sein Rating auf Caa2 angehoben. Um über die Aufnahme in das Ankaufprogramm zu entscheiden, behält sich die EZB eine weitere, eigene Analyse der Schuldentragfähigkeit vor. Und es ist ein Schelm, der Böses dabei denkt!

Zuletzt hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) avisiert, Griechenland mit weiteren 1,6 Mrd. € Kredithilfe zu unterstützen. Diese Zahlung verknüpfte der Fonds jedoch mit der Bedingung, dass die europäischen Hellas-Gläubiger dem Land Schuldenerleichterungen gewähren würden. Dagegen hat sich die Bundesregierung immer wieder ausgesprochen - und daran dürfte sich auch, zumindest bis zur Bundestagswahl im September, nichts ändern. Somit ist der IWF-Beschluss nicht mehr und nicht weniger als eine Mogelpackung. Aber das ist ja nichts Neues!

Brexit-Unterhändler leisten sich eine Sommerpause

Man ist sowieso schon unter Zeitdruck und gönnt sich nun noch eine Verhandlungspause von einem Monat. Erst Ende August sollen die Brexit-Verhandlungen der Unterhändler aus London und Brüssel weitergehen, die aufgrund von tiefgehenden Meinungsunterschieden ohnehin kaum aus den Startlöchern gekommen sind. Nun spricht der britische Handelsminister Liam Fox plötzlich von einer Übergangsperiode bis maximal 2022, betont aber im gleichen Interview mit der BBC, die EU bis Ende März 2019 verlassen zu wollen. Ja, was denn nun?

Sobald man die EU verlassen hätte, müsse man sehen, wie ein möglichst sanfter Übergang gelingen könne, so Fox. Dies kann nach seiner Vorstellung in einer Übergangsperiode von etwa 24 Monaten machbar sein, während der Großbritannien weitere Handelsabkommen schließen könne. Offenbar dämmert es den Briten, dass der eigene, ehrgeizige Zeitplan nicht zu halten ist. Ansonsten will man zwar erst einmal raus aus der EU, um dann offenbar doch noch einen weichen Brexit hinzubekommen, wie Fox sagte. Letztlich bedeutet der Vorschlag einer Übergangsfrist lediglich eine Ausdehnung der Verhandlungsphase. Zudem gibt London noch ganz nebenbei bekannt, bereits Sondierungsgespräche mit den USA über eine bipolare Vereinbarung zu führen.

Unterdessen mehren sich die negativen Signale, die von einem drohenden EU-Austritt Großbritanniens ausgehen. So hat der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Wachstumsprognose für das Land nach unten korrigiert. Das Wirtschaftswachstum werde lediglich um 1,7% und nicht um 2% zunehmen.

Und nachdem bisher mehrere Banken aufgrund des Brexits die Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Frankfurt angekündigt hatten, gab nun die Bank of America bekannt, die Europa-Zentrale ihres Investmentgeschäfts ebenfalls aus London abzuziehen. Allerdings soll es nicht nach Frankfurt, sondern nach Dublin gehen.

Vielleicht ist es ja diese magische Kraft des Faktischen in Form der Verlagerung von Arbeitsplätzen, die den Verhandlungspartnern in Sachen Brexit nach der Sommerpause neuen Schwung verleiht.

Disclaimer

Die Baader Bank AG ist eine der führenden Investmentbanken für die DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Als Market Maker ist die Bank für die börsliche und außerbörsliche Preisfindung von über 800.000 Finanzinstrumenten verantwortlich. Im Investment Banking entwickelt sie Finanzierungslösungen für Unternehmen und bietet institutionellen Anlegern umfassende Dienstleistungen beim Vertrieb und dem Handel von Aktien, Anleihen und Derivaten.

Über mögliche Interessenkonflikte und rechtliche Hinweise informieren Sie sich bitte im Disclaimer auf http://www.bondboard.de/Newsletter/Disclaimer.

Der Autor dieses Artikels ist Klaus Stopp, Leiter der Skontroführung Renten bei der Baader Bank AG. www.Baadermarkets.de

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.