Anleihen: Trügerische Ruhe
Die deutsche Umlaufrendite pendelt um die Nulllinie und signalisiert Stabilität am europäischen Anleihenmarkt, doch das gilt nur auf den ersten Blick.
Eine Kolumne von Holger Steffen. Der Nebenwerte-Spezialist und Chefredakteur vom Anlegerbrief erwirtschaftet mit seinem Musterdepot seit 1999 eine Rendite von im Schnitt 16,8% pro Jahr.
Nach einem kräftigen Anstieg im Oktober und November 2016 ist die deutsche Umlaufrendite von Anleihen mit höchster Bonität wieder in den Seitwärtsmodus übergegangen, der Ausbruch auf ein neues Zwölf-Monats-Rendite-Hoch im Januar endete mit einem kräftigen Rücksetzer im Februar. Doch die scheinbare Stabilität trügt, denn rundherum brodelt es.
Inflation als vorübergehendes Phänomen?
Die Inflation in der Eurozone ist erwacht, zuletzt lag diese schon wieder bei 1,8 %. Vor einem Jahr waren noch negative Werte gemessen worden. Wer jetzt mit einer schnellen Kehrtwende der EZB rechnet, irrt. Die Notenbanker setzen ihren Kurs unbeirrt fort, da der jüngste Preisanstieg vor allem den Energiepreisen geschuldet ist. Die Ölnotierung hat Anfang 2016 ihr Tief nach einem erdrutschartigen Verfall markiert und sich seitdem wieder mehr als verdoppelt. Die EZB dürfte zu Recht davon ausgehen, dass sich die Aufwärtsdynamik so nicht weiter fortsetzt. Aber die temporären Faktoren sind nur eine Determinante der Notenbankpolitik, darüber hinaus dürfte das Team von Mario Draghi auch die Lage am europäischen Kapitalmarkt im Blick haben - und da sieht es gar nicht gut aus.
Anleihen unter Druck
Denn obwohl das Anleihenkaufprogramm der EZB noch in vollem Umfang läuft (eine Reduktion ist erst ab April von 80 auf 60 Mrd. Euro pro Monat vorgesehen), lastet Verkaufsdruck auf dem Markt. Die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen aus Italien hat sich infolgedessen seit dem letzten September von knapp über 1 % auf 2,3 % erhöht, in Frankreich liegt der Marktzins mittlerweile wieder bei 1,1 %, nachdem er sich im Herbst noch nah an der Nullmarke bewegte. Das dürfte nicht nur die geänderten Inflationserwartungen widerspiegeln, sondern auch die Sorge vor den Fliehkräften in der Eurozone und der EU. Sollte die Front National die Präsidentschaftswahl in Frankreich gewinnen, was aktuell nicht wahrscheinlich, aber auch nicht unmöglich ist, würden die nationalistischen Kräfte in der Union massiv Auftrieb bekommen. Ein Ausverkauf bei den Staatsanleihen von Wackelkandidaten wäre die voraussichtliche Folge.
Fazit zu Anleihen
Der EZB dürfte die politische Entwicklung in Europa überhaupt nicht schmecken. Während wirtschaftlich Anzeichen für die dringend benötigte höhere Dynamik zu sehen sind, könnte der Auftrieb nationalistischer Kräfte den Fortschritt schnell zunichte machen. Ob die Zentralbank den Anleihenmarkt dann retten kann, erscheint zweifelhaft. Die Wahl in Frankreich dürfte zur ersten wichtigen Nagelprobe werden. Als Investor in deutschen Rentenpapieren kann man allerdings relativ entspannt bleiben, diese dürften wieder als sicherer Hafen fungieren.
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