Wenn sich die Spreu vom Weizen trennt
Schwellenländeranleihen, einfach alles kaufen? Das war gestern. Heute unterscheiden die Investoren genau zwischen guten und schlechten Ländern. Fondsmanager wollen das nutzen.
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von Thomas Strohm, Euro am Sonntag
Nicht alle Schwellenmärkte seien gleich, meint Franklin-Templeton-Fondsmanager Michael Hasenstab. Die Emerging Markets dürfe man keinesfalls über einen Kamm scheren, mahnt Jeremy Brewin von ING Investment Management. In Schwellenländeranleihen sollten Anleger nur noch sehr selektiv investieren, sagt Schroders-Fachmann Geoff Blanning. Die Liste der Experten ließe sich beinahe beliebig fortsetzen, der Tenor bliebe derselbe: Während sich die Kurse in den Schwellenländern in den vergangenen Jahren im Gleichlauf bewegten, und zwar meist nach oben, kommt es nun stark auf die fundamentalen Daten der einzelnen Staaten an.
Das mag ein vonseiten der Anbieter nicht ganz uneigennütziges Plädoyer für ein aktives Fondsmanagement und gegen den Kauf eines breiten Schwellenmarktindex via ETF sein. Schlüssig bleibt die Argumentation dennoch. Und der Zeitpunkt für den Einstieg in einen auf Schwellenländeranleihen ausgerichteten Fonds als Depotbeimischung scheint günstig: Die Kurse haben sich seit dem Einbruch im Sommer etwas erholt, aber noch nicht die alten hohen Stände erreicht. Wer sich zum Kauf entschließt, sollte indes einen langen Atem mitbringen und das Investment auf einige Jahre ausrichten. Für Risikoscheue ist das Segment ohnehin nichts — mit Kursschwankungen müssen Anleger rechnen.
So heftig wie bei den Turbulenzen Mitte des Jahres dürfte es aber kaum wieder werden. Die Aussicht auf ein Ende der extrem lockeren Geldpolitik der US-Notenbank Federal Reserve ließ im Sommer die Renditen für US-Anleihen massiv steigen, die möglichen Erträge mit Emerging-Market-Bonds verloren an Attraktivität, Anleger zogen Kapital ab. Zugleich verdüsterten sich die wirtschaftlichen Aussichten vieler Schwellenländer. Anleihenotierungen und Wechselkurse brachen ein. Kurzum: Die Stimmung war mies.
Das hat sich, nicht zuletzt durch das Verhalten der Fed, die bisher noch zögert, die Notenpressen langsamer laufen zu lassen, geändert. Bessere Wirtschaftsdaten, etwa aus China, von dessen Rohstoffhunger viele Schwellenländer abhängen, taten ein Übriges. Obendrein kam noch die Hoffnung, dass die Emerging Markets von der wirtschaftlichen Erholung der Industrieländer profitieren können. Das heißt: Steigen die US-Zinsen, weil sich die Konjunktur erholt, wäre das letztlich auch gut für Schwellenmarktbonds.
Keine Angst vorm Fed-Ausstieg
Der nun schon in wenigen Monaten drohende langsame Ausstieg der Fed aus dem Anleihekaufprogramm scheint somit seinen Schrecken verloren zu haben. Verwerfungen wie im Sommer sind unwahrscheinlich geworden, wenn auch — das sei erwähnt — nicht ausgeschlossen. „Die Märkte haben den Ausstieg bereits eingepreist“, sagt jedenfalls Brewin, Leiter des Emerging-Markets-Teams bei ING. Nach seiner Einschätzung sind die Risikoprämien, die Anleger für Schwellenländerbonds bekommen, so hoch, dass sie einen ausreichenden Puffer bieten, wenn die US-Renditen steigen und spiegelbildlich die Kurse emittierter Bonds sinken.
Allerdings — und jetzt sind wir wieder beim nötigen differenzierten Blick — kommt es auf die Stärke des jeweiligen Landes an. Staaten mit schwachem Wachstum, Strukturproblemen und erheblichem Finanzierungsbedarf aus dem Ausland — einem Leistungsbilanzdefizit — werden die Investoren meiden. Und damit leiden auch deren Währungen.
Dieser Aspekt ist vor allem wichtig, wenn Anleihen gekauft werden sollen, die in der jeweiligen lokalen Währung ausgegeben wurden und nicht in harten Devisen wie dem US-Dollar oder dem Euro. Die Anleihen in Landeswährung versprechen wegen des Wechselkursrisikos wesentlich höhere Erträge. Zudem bieten sie den Fondsmanagern die Gelegenheit, in Länder und deren Währungen zu investieren, die ihrer Ansicht nach im Sommer über Gebühr in Sippenhaft genommen wurden.
Welche Länder aber sind nun die Favoriten der Fondsmanager, und welche meiden sie derzeit? Blanning teilt die Staaten — in Anlehnung an den Westernklassiker von Sergio Leone — grob in drei Gruppen ein: „The Good, the Bad and the Ugly.“
Zu den Ländern mit den guten Aussichten, die auch von der Erholung in den Industriestaaten profitieren können, zählen die allermeisten Fondsmanager Mexiko, Südkorea, Vietnam oder Taiwan. Aber auch Griechenland, das seit Juni wieder zu den Schwellenländern gerechnet wird, nennen einige als Favoriten. Insgesamt sind die Schulden der Hellenen zwar seit dem Schnitt 2012 nicht gesunken, das Volumen der an den Kapitalmärkten gehandelten Staatstitel ist aber wesentlich kleiner geworden. „Diese Bonds werden bei einem weiteren Schuldenschnitt — mit dem wir durchaus rechnen — auch nicht betroffen sein“, sagt Blanning. Vielmehr werde es bei den etwa von der EZB gehaltenen anderen Schuldtiteln Erleichterungen geben müssen.
Zu den Ländern mit schlechten Aussichten zählt der Schroders-Mann China. „Ein riesiges Problem ist die Kreditblase“, sagt Blanning. „Wenn Banken wegen einer steigenden Zahl ausgefallener Kredite vom Staat aufgefangen werden müssen, wird auch die Bonität der Volksrepublik selbst schnell sinken.“ Andere Fondsmanager sehen China wegen des Leistungsbilanzüberschusses als einen ihrer Favoriten.
Auch an Russland scheiden sich die Geister. Brasilien wird ebenfalls zwiespältig betrachtet. Blanning meint, dort sehe es inzwischen wieder etwas besser aus, er habe begonnen, Bonds in Real zu kaufen: „Wenn die Währung sich stabilisiert hat, wird es dort nach den jüngsten Zinserhöhungen auch wieder Zinssenkungen geben. Das heißt, diese Anleihen sollten sich in den nächsten paar Jahren gut entwickeln.“
Bei einigen Ländern mit eher hässlichen Aussichten sind sich die Experten der Fondsgesellschaften aber auch weitgehend einig: Immer wieder nennen sie Indonesien, Indien, Südafrika und die Türkei. „Türkische Anleihen würden wir derzeit keinesfalls anfassen“, sagt Blanning, „in unserem Bewertungsmodell hat die Türkei die schlechteste Bewertung, die ein Land jemals hatte.“ Schlecht schneidet auch die Ukraine ab. Anleihen dieses Landes hat Templeton-Manager Hasenstab jüngst in großem Stil gekauft — Fonds mit Schwellenländerbonds darf man eben auch nicht über einen Kamm scheren.
Investor-Info
Kupons und Kurse
Attraktiv, aber anfällig
Die Renditen von Anleihen aus Schwellenländern sind in den letzten Jahren deutlich gesunken. Renditeanstiege und spiegelbildlich Kursverluste mussten die Bonds der Emerging Markets jedoch immer verkraften, wenn die Kapitalmärkte nervös wurden und Geld aus risikoreicheren Anlageklassen abfloss.
Rating und Risiko
Besser auf Fonds setzen
Die Ratings der Schwellenländer haben sich stetig verbessert. Damit sind die Risikoaufschläge, die Abstände zu als sicher geltenden Anleihen, tendenziell gesunken. Anleger sollten statt auf Einzelwerte eher auf eine Streuung mit Fonds setzen, die auch riskantere und ertragreichere Bonds beimischen können.
Schroder EMD Abs. Ret. €-hdg.
Defensiv eingestellt
Kapitalerhalt steht beim Ansatz von Geoff Blanning an erster Stelle. Selbst 2008 ging es nur um zwei Prozent nach unten, andere Fonds brachen zweistellig ein. Dafür hinkt der Ertrag in guten Jahren hinterher. Stabiles Produkt für weniger Risikofreudige.
Templeton Em Bond Fund $
Offensiv aufgestellt
Michael Hasenstab macht immer wieder mit seinen Wetten gegen den Markt von sich reden. Zuletzt hat er massenweise ukrainische Staatsanleihen für seine Fonds eingekauft. Der Erfolg gibt ihm meist recht.
Schwankende Kurse müssen Anleger aushalten.