Es geschehen seltsame Dinge am Rentenmarkt
Bereits seit mehreren Wochen ist am Rentenmarkt die Hölle los.
Rentenhändler sind leidgeprüft, aber aktuell wird sehr viel Neues am früher so sicheren Rentenmarkt wahrgenommen. Dass Griechenlandbonds Zockerpapiere geworden sind, ist hinlänglich bekannt. Ob diese mit oder ohne Stückzinsen gehandelt werden, ob es einen Zwang zum Umtausch geben wird oder ob es doch noch einen Totalausfall geben wird, sind nur einige von vielen Fragen. Auch in einem weiteren Aspekt wird deutlich, dass sich die Zeiten ändern. Dass Unternehmen und insbesondere Banken die niedrigen Kapitalmarktzinsen dazu nutzen, ihre Finanzierungsstrukturen zu verändern bzw. zu vereinheitlichen, ist rechtens. Die Käufer von solchen Produkten wussten um die Risiken der Geldanlage in lang laufenden und nachrangig besicherten Anleihen. Somit ist es nicht verwunderlich, dass kein Tag vergeht, an dem nicht neue Rückkaufprogramme veröffentlicht werden. Hierbei wird z.B. von der Raiffeisen Bank International den Investoren einer variabel verzinsten Anleihe (z.B. A0BC9Z) ein Rückkaufangebot zu 58% offeriert. Andere Banken wie die Commerzbank (z.B. A0KAAA), Royal Bank of Scotland (z.B. A0GURB) und die KFW (A0AZA7) geben ebenfalls solche Angebote ab. Es handelt sich hierbei aber nicht nur um auf Euro lautende Anleihen. Nein, auch bei Fremdwährungsanleihen wird die Marktsituation vor dem Hintergrund von Basel III sowie dem Rückkauf unter Nominalwert und Einsparung der noch hohen Zinsen ausgenutzt. Nun kommt aber noch eine weitere Variante zum Vorschein. Das Unternehmen Praktiker hat gestern alle Gläubiger der am 10.02.2016 endfälligen Anleihe (A1H3JZ) aufgefordert, einen Sanierungsbeitrag zu leisten. Im Rahmen des Restrukturierungs-Programms soll der jährliche Zins mit Wirkung vom 10. Februar 2012 von derzeit 5,875% auf 1,0% gesenkt werden. Hierzu ist eine Zustimmung innerhalb einer vordefinierten Frist notwendig.
Es ereignen sich also seltsame Dinge am Rentenmarkt und diese können nicht als vertrauensbildende Maßnahmen bezeichnet werden.
Umschuldung auf Griechisch
Investorenfreundlich ist anders
Für Anleger, die aus spekulativen Gründen in griechische Papiere eingestiegen sind, ist das Rettungspaket und die Umschuldung wahrlich kein gutes Geschäft. Sie sollen bzw. müssen ihre alten Staatsanleihen in neue Papiere tauschen. Das Umtauschangebot ist sehr komplex. Für je 1.000 Euro Nennwert sollen Anleger 20 neue Anleihen von Griechenland mit Fälligkeiten ab dem 24. Februar 2023 im Gesamtnennwert von 315 Euro bekommen. Hinzu kommen sogenannte GDP-Linked-Notes im Nennwert von 315 Euro. Zahlungen aus diesen Anleihen hängen von der Entwicklung des Bruttosozialprodukts Griechenlands ab. Hinzu kommen so genannte PSI Payment Notes im Nennwert von je 150 Euro, die je zur Hälfte mit einjähriger und zweijähriger Laufzeit ausgestattet sind. Dabei handelt es sich um Anleihen des europäischen Rettungsschirms EFSF. Dieser Korb von Papieren wird ergänzt durch Accrued Interest Notes also Schuldverschreibungen im Gegenwert der aufgelaufenen Zinsen. Das Umtauschangebot gilt bis zum 8. März. Die Anleger sollten bei der Annahme des Angebots bedenken, dass sie am Ende 24 unterschiedliche Anleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten und verschiedenen kleinen Nennwerten im Depot haben. Im Falle eines vorzeitigen Verkaufs ist das mit nicht unerheblichen Kosten verbunden.
Der sichere Hafen auf Norwegisch
Norwegen ist die Schweiz des Nordens
An den Börsen sorgen die Anleihen auf norwegische Kronen für Gesprächsstoff und die Anleger können sich über kräftige Währungsgewinne freuen. So ist die Norwegische Krone seit Monaten im Aufwind und hat gegenüber dem Euro ein Neun-Jahres-Hoch erreicht. Seit dem Jahreswechsel sind es bereits 3,4%. Zusammen mit den Kursgewinnen bei den Anleihen können sich die Anleger über eine überdurchschnittliche Rendite freuen. Die Krone profitierte nicht nur von der Angst vor einem Auseinanderbrechen des Euros, sondern auch vom steigenden Ölpreis. Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Westen und Iran wegen des Atomprogramms sowie den angekündigten Sanktionen haben den Ölpreis in der vergangenen Woche auf 125 US-Dollar und damit auf den höchsten Stand seit 2008 geschoben. Da Norwegen auch ein großer Ölproduzent ist, profitiert die Krone von dem Anstieg der Energiepreise. Steigt der Ölpreis weiter, profitiert der Anleihen-Anleger auch davon.
Das "Problem" bei Anleihen auf norwegische Kronen ist allerdings, dass Norwegen selbst wenig Refinanzierungsbedarf hat und somit der Markt auf Emissionen von Institutionen und Unternehmen außerhalb Norwegens angewiesen ist.
EZB und Hellas
Hellas-Bonität vorerst gleich Null
EZB verweigert Griechenbonds als Sicherheit
Es kam, wie es kommen musste: Nur wenige Tage nach dem ausgehandelten Schuldenschnitt mit Griechenland stufte die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) die Kreditwürdigkeit Athens auf das Niveau eines teilweisen Zahlungsausfalls herab, mit möglicherweise negativen Auswirkungen auf das Finanzsystem. Hellas war somit das erste Land im Euroraum, dem ein Zahlungsausfall bescheinigt wurde – vielleicht aber auch nicht das letzte Land. Die Entscheidung von S&P war nicht wirklich überraschend, weil die Bonitätswächter den Schritt bereits angedroht hatten. S&P kritisierte, dass Griechenland Investoren notfalls per Gesetz zwingen kann, beim Schuldenschnitt mitzumachen. Das ermöglichen die nachträglich eingefügten Umschuldungsklauseln, sogenannte Collective Action Clauses (CAC), die vom Parlament beschlossen wurden. Dies hinterließ nicht nur bei Privatanlegern einen faden Beigeschmack. Bedingt durch die Herabstufung hat der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) beschlossen, die griechischen Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheiten zu akzeptieren. Das wird vor allem griechische Banken treffen, die besonders viele Griechenland-Anleihen halten. Normalerweise können diese bei der EZB als Pfand für Kredite hinterlegt werden. Notfalls wird die Zentralbank den Mittelbedarf Griechenlands aber über die Notfall-Liquiditätslinien des Eurosystems sicherstellen.
Einen ersten Schritt zur Stabilisierung des europäischen Finanzsystems hat die EZB mittels des gestrigen Drei-Jahres-Tender unternommen. 800 Banken wurden ca. 529 Mrd. € zur Verfügung gestellt. Dieses war der zweite Streich, und der dritte ........
Gelbe Karte für Spanien
Spanien verfehlt das Ziel
Greift das Hellas-Syndrom auch auf andere Staaten über? Spanien hatte bekanntgegeben, dass die Neuverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2011 bei 8,51% lag. Das lag nicht nur über den vorläufig berechneten 8,2% sondern übertraf deutlich die Schätzung der EU-Kommission. Bei der EU hatten sich die Iberer sogar dazu verpflichtet, das Defizit auf 6,0% zu senken. Ein Déjà vu - möchte man meinen. Alles schon einmal bei Griechenland erlebt. Jetzt hofft auch noch Spaniens neue konservative Regierung um Ministerpräsident Mariano Rajoy darauf, dass die EU-Kommission möglichst von dem bisher geltenden Ziel für 2012 von 4,4% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) abweicht. Allerdings beharrt Brüssel darauf, dass die Zielvorgaben weiterhin gültig sind und pocht auf deren Einhaltung. Auch dieses Niveau scheint in weiter Ferne zu liegen. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste nämlich das Land ca.40 Mrd. Euro einsparen.
Gute Zeiten für gute Schuldner
Unternehmen refinanzieren sich auch ohne EZB
Die Spreu trennt sich vom Weizen
Auch ohne EZB müssen sich Unternehmen weiterhin keine Gedanken machen, woher und ob sie frisches Kapital erhalten. Die große Nachfrage nach Emissionen guter und solventer Schuldner bewirkt, dass sich viele in- und ausländische Unternehmen zur Finanzierung ihrer Vorhaben an den Kapitalmarkt wagen.
So entschied sich der niederländische Telekommunikationskonzern KPN zu einer Refinanzierung über zehn Jahre i.H.v. 750 Mio. €. Bei einer Bewertung mit Baa2/BBB mussten hierfür 4,25% Zinsen geboten werden. In der gleichen Branche ist auch TDC, ein dänischer Telekommunikationskonzern tätig. Dieses Unternehmen ist zwar mit dem gleichen Rating (Baa2/BBB) wie KPN ausgestattet, musste aber den Investoren für eine ebenfalls 10-jährige Anleihe im Volumen von 500 Mio. € lediglich einen Kupon von 3,75% bieten.
Es waren aber nicht nur ausländische Unternehmen am Kapitalmarkt tätig und so entschied sich die Deutsche Bahn -als privatrechtliches Staatsunternehmen- aufgrund der niedrigen Refinanzierungskosten zu einer Mittelaufnahme i.H.v. 500 Mio. € bis 2024. Mit einem Rating Aa1/AA ausgestattet müssen nur 3% jährlich an die Investoren bezahlt werden.
Mit einer Laufzeit von 5 Jahren wurde allerdings bereits zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen die Daimler AG am Markt aktiv und refinanzierte 750 Mio. € zu 2% über 5 Jahre.
Es ist also weiterhin davon auszugehen, dass der Kapitalmarkt für Unternehmen eine wichtige Alternative zur klassischen Kreditfinanzierung bleiben wird. Allerdings wird sich die Spreu vom Weizen deutlich trennen!
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Der Autor dieses Artikels ist Klaus Stopp, Leiter der Skontroführung Renten bei der Baader Bank AG. www.Baadermarkets.de
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