Wirecard-Aktie fällt letztlich zurück: Chef von Wirtschaftsprüfer-Behörde im Kreuzfeuer - Abgeordneter reicht Verdachtsanzeige ein
Der Chef der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas, Ralf Bose, gerät im Fall Wirecard unter Druck.
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Während die Bundesbehörde die Arbeit des damaligen Wirecard-Bilanzprüfers Ernst & Young (EY) genauer unter die Lupe nahm, handelte Bose mit Aktien des mittlerweile kollabierten Zahlungsabwicklers. Über den Kauf und Verkauf der Aktien berichtete Bose vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in der Nacht zu Freitag, wie Teilnehmer der Sitzung Reuters sagten. Mehrere Abgeordnete fordern nun seinen Rücktritt.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier will die Transaktionen kritisch hinterfragen und prüfen, ob bei der Behörde Regeln missachtet worden seien und ob Konsequenzen nötig seien. "Das hat mich befremdet. Wir werden mit den Beteiligten sprechen", sagte der CDU-Politiker am Freitag. Matthias Hauer, Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Untersuchungssausschuss, wurde deutlicher: "Dass Apas-Chef Bose während eines laufenden berufsrechtlichen Verfahrens gegen EY-Prüfer mit Wirecard-Aktien gehandelt hat, ist starker Tobak. Ein solches Verhalten kann nicht ohne Konsequenzen für ihn persönlich bleiben."
Die Apas beaufsichtigt Wirtschaftsprüfer wie KPMG und EY, die bei Wirecard involviert waren. Die Behörde verwies auf die Aussagen von Altmaier und lehnte weitere Kommentar dazu ab.
Bose kaufte am 28. April Aktien von Wirecard und verkaufte sie am 20. Mai wieder, wie Teilnehmer der Ausschusssitzung nach der Befragung Boses sagten. Erworben hat er sie also ausgerechnet an dem Tag, als der Konzern in einem Sonderbericht ein vernichtendes Urteil der Wirtschaftsprüfer von KPMG erhalten hatte. Die Experten hatten monatelang die Bilanzen von Wirecard durchforstet und erklärt, für Umsätze im Ausland keine Beweise finden zu können. Die damals noch im Dax notierten Aktien waren daraufhin um mehr als 20 Prozent in die Tiefe gestürzt.
"INSTINKTLOS" UND "UNGEHEUERLICH"
"Private Aktiengeschäfte mit Wirecard-Aktien just zu der Zeit, in der die eigene Behörde gegen den Abschlussprüfer des Unternehmens ermittelt, sind eine riesige Instinktlosigkeit", sagte FDP-Politiker Florian Toncar zu Reuters. "Die Apas braucht jetzt einen Neuanfang an der Spitze."
Auch der Tag, an dem Bose die Papiere wieder verkauft hat, ist pikant: Am 20. Mai habe es ein Telefonat zwischen der Apas und der Finanzaufsicht BaFin zu "weiteren aufsichtsrechtlichen Erkenntnissen, die mit dem KPMG-Bericht zusammenhingen", gegeben, twitterte Linken-Politiker Fabio De Masi, der wie Toncar ein Mitinitiator des U-Ausschusses im Bundestag ist. Dem Chef der Apas müssten Interessenkonflikte angezeigt werden, für ihn selbst gebe es aber keine solche eindeutige Regel.
Grünen-Politiker Danyal Bayaz fügte hinzu, Bose habe nicht nur die Tragweite des KPMG-Berichts komplett nicht verstanden, sondern auch eine "erschreckende Ignoranz gegenüber einem offensichtlichen Interessenskonflikt" gezeigt. Der Vize-Chef des Wirecard-Ausschusses, Hans Michelbach (CSU), forderte eine Aufklärung. Es müsse herausgefunden werden, was zwischen Bose und BaFin-Chef Felix Hufeld an dem Tag besprochen worden sei, an dem Bose seine Wirecard-Aktien verkauft habe, sagte er dem "Handelsblatt".
ERMITTLUNGEN AUCH GEGEN DEUTSCHE-BANK-MANAGER
EY wird vorgeworfen, den vermeintlichen Betrug nicht früher erkannt zu haben, obwohl die Gesellschaft jahrelang die Bücher geprüft hat. Die Apas erhob schwere Vorwürfe gegenüber EY und schaltete die Staatsanwaltschaft ein. Im Visier ist auch der Deutsche-Bank-Manager Andreas Loetscher, der früher bei EY war. Er legte wegen der Ermittlungen seinen Posten bei der Bank vorübergehend nieder.
Wirecard meldete im Juni Insolvenz an, Ex-Chef Markus Braun sitzt in Untersuchungshaft, Ex-Vorstand Jan Marsalek ist auf der Flucht. Der Untersuchungsausschuss soll klären, wie es zu dem Bilanzbetrug kommen konnte und welche Verantwortlichkeiten es bei den Behörden und in der Politik gibt. Laut den Ermittlern soll sich Wirecard jahrelang schöngerechnet und damit Anlegern und Banken Milliardenschäden zugefügt haben.
Auch Mitarbeiter der Finanzaufsicht BaFin hatten in den Monaten vor der Pleite verstärkt privaten Handel mit Wirecard-Aktien betrieben. Die Behörde, der in dem Bilanzskandal Versagen vorgeworfen wird, verbot daraufhin ihren Beschäftigten im Oktober bestimmte private Aktiengeschäfte.
Abgeordneter reicht Verdachtsanzeige gegen Apas-Chef ein
Der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz hat bei der Bafin eine Verdachtsanzeige wegen Insiderhandels gegen den Chef der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas eingereicht. "Nach meinem Verständnis legen die Aussagen von Ralf Bose, dem Leiter der Apas, im gestrigen Untersuchungsausschuss den Verdacht von Insiderhandel nahe", erklärte Bayaz am Freitag. Daher habe er den Sachverhalt an die Hinweisgeberstelle der staatlichen Aufsichtsbehörde Bafin übermittelt. Wenn sich der Verdacht bestätige, müsse die Bafin unverzüglich Strafanzeige gegen Bose stellen.
Der Behördenleiter hatte im Untersuchungsausschuss des Bundestags in der Nacht eingeräumt, während der Ermittlungen seiner Behörde zum Wirecard-Skandal mit Aktien des Unternehmens gehandelt zu haben. Der für die Apas zuständige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kündigte bereits an, zu prüfen, ob dabei die geltenden Regelungen eingehalten worden seien oder Konsequenzen gezogen werden müssten.
Die Aussagen des Apas-Chefs zeigten "eine erschreckende Ignoranz gegenüber einem Interessenskonflikt wie er offensichtlicher kaum sein könnte", kritisierte Bayaz. Altmaier müsse umgehend die Compliance-Regeln seiner Behörde verschärfen und für einen personellen Neuanfang an der Spitze der Apas sorgen. Wirecard-Papiere verbilligten sich am Freitag auf der Handelsplattform XETRA bis zum Handelsschluss um 1,81 Prozent auf 0,4766 Euro.
BERLIN (Reuters / dpa-AFX)
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