Weiterer Streik

Lufthansa-Aktie höher: Piloten und Lufthansa kommen zu Einigung - Lufthansa will außerhalb Deutschlands wachsen

06.09.22 17:52 Uhr

Lufthansa-Aktie höher: Piloten und Lufthansa kommen zu Einigung - Lufthansa will außerhalb Deutschlands wachsen | finanzen.net

In letzter Minute haben die Lufthansa und ihre Piloten einen erneuten Streik abgewendet.

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Fluggäste können aufatmen: In einer Krisensitzung haben die Lufthansa und ihre Piloten am Dienstag einen erneuten Streik abgewendet. Die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit sagte den für Mittwoch und Donnerstag angekündigten Ausstand bei der Lufthansa-Kernmarke ab. Auch die Frachttochter Lufthansa Cargo, für die ein dreitägiger Streik geplant war, soll planmäßig fliegen können.

Bei den Verhandlungen unter hohem Zeitdruck wurde laut VC eine Teillösung erreicht. Das umfängliche Paket finanzieller und struktureller Themen sei im Kern vereinbart, müsse aber in den kommenden Tagen ausgestaltet werden, berichtete die Gewerkschaft, die mit ihrer Streikdrohung den Druck erhöht hatte.

Auch die Lufthansa äußerte sich zunächst nicht zu den am Dienstag in der Konzernzentrale am Frankfurter Flughafen erreichten Details. Die Absage des Streiks sei vor allem für Kundinnen und Kunden eine gute Nachricht, erklärte eine Sprecherin. "Unsere Flüge finden in den kommenden Tagen wie geplant statt. Wir freuen uns darüber, dass wir mit der Vereinigung Cockpit in konstruktiven Gesprächen eine Lösung erreichen konnten."

Dem Vernehmen nach wurden langfristig wichtige Themen auf das kommende Jahr vertagt. Im Hintergrund schwelte ein Grundsatzstreit über die Größe der Kerngesellschaft. Konzernchef Carsten Spohr hatte die Bereitschaft erkennen lassen, eine zwischenzeitlich aufgekündigte Flottenzusage wiederzubeleben. Hier soll ein Stillhalteabkommen vereinbart worden sein, hieß es in Verhandlungskreisen.

In dem Tarifkonflikt bleibt es demnach bei einem Streiktag. Am Freitag hatte Lufthansa den kompletten Betrieb der Kerngesellschaft gestrichen, nachdem die VC ihre Mitglieder zur ersten Streikwelle aufgerufen hatte. Rund 800 Flüge mit 130 000 Passagieren fielen aus. Dem Unternehmen zufolge entstand ein Schaden von rund 32 Millionen Euro.

Die Lufthansa ist derzeit auf ihre rund 5000 Stammpiloten besonders angewiesen. Pilotenmangel in den USA, Lieferschwierigkeiten insbesondere für Boeing-Flugzeuge und Ersatzteile sowie die perspektivisch wieder anziehende Nachfrage in Asien - die Zeit für hohe Gewinne scheint trotz des Energiepreisschocks in der Luftfahrt gerade günstig.

Die aufziehende Rezession auf dem Heimatmarkt will Spohr vor allem im Ausland ausgleichen. In den dollarstarken USA, aber auch in Indien verkauft die Lufthansa gerade massenhaft Tickets zu Höchstpreisen, so dass der im Frühjahr aufgenommene Gewinnkurs weiter gehalten werden kann.

Insgesamt erlebe das Unternehmen nach der Corona-Krise einen wahren Ansturm, berichtete Spohr am Montagabend. Streiks kann er dabei nicht gebrauchen. "Der Wunsch, unser Produkt zu erwerben, ist so stark, dass wir mit der Produktion nicht hinterherkommen", sagte der Vorstandschef. Die Durchschnittserträge steigen, weil die Tickets zu deutlich höheren Preisen vermarktet werden können. Spohr bekräftigte das Ziel, im kommenden Jahr zwischen 85 und 90 Prozent des Vorkrisen-Niveaus anzubieten.

Ein zu schnelles Wachstum wie in diesem Jahr will die Lufthansa vermeiden und muss dabei Rücksicht auf die immer noch reduzierten Kapazitäten an ihren Drehkreuzen nehmen. An den Flughäfen fehlen Mitarbeiter, und die Abläufe haben sich in der Pandemie verkompliziert. Die Lufthansa selbst will bis Ende 2023 konzern- und weltweit rund 20 000 neue Mitarbeiter einstellen, davon rund 12 000 zusätzliche Kräfte. Zudem sind Milliarden-Investitionen in neue Flugzeuge, Ausstattung und IT geplant.

Die VC hatte zuletzt ihre Forderung nach einem automatisierten Inflationsausgleich aufgegeben und stattdessen eine jährliche Tariferhöhung um 8,2 Prozent ab 2023 verlangt - zusätzlich zu einer Erhöhung in diesem Jahr um 5,5 Prozent. Die Lufthansa hatte vor dem neuen Angebot pauschale Erhöhungen der Grundvergütung von 500 Euro zum 1. September 2022 und um 400 Euro zum 1. April 2023 angeboten. Das ergebe je nach bisherigem Gehalt Steigerungen zwischen 5 und 18 Prozent.

Erst im Juli hatte die Gewerkschaft Verdi mit einem Warnstreik des Bodenpersonals den Flugbetrieb der größten deutschen Fluggesellschaft für einen Tag nahezu lahmgelegt. Die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo will im Herbst für ihre Mitglieder verhandeln. Und bei der größten Tochter Eurowings haben die Piloten bereits für einen Arbeitskampf votiert. Verhandlungen stehen dort aber noch an.

Lufthansa-Aktien ziehen an

Eine Kreisemeldung über einen offenbar abgewendeten zweiten Pilotenstreik hat den Papieren der Lufthansa am Dienstag via XETRA weiteren Auftrieb gegeben. Die Titel gewannen zum Handelsschluss 1,45 Prozent auf 5,95 Euro. Zeitweise schafften sie, wenn auch knapp, den Sprung über die Marke von sechs Euro, die sich in den vergangenen Tagen als zu hohe Hürde erwiesen hatte.

Lufthansa will in der Krise außerhalb Deutschlands wachsen

Die Lufthansa will in der aufziehenden Wirtschaftskrise vor allem außerhalb Deutschlands wachsen. Das Unternehmen befinde sich weiterhin auf dem im Frühjahr eingeschlagenen Gewinnkurs, sagte Konzernchef Carsten Spohr am Montagabend in Frankfurt. Er halte die Rezession im Heimatmarkt für "wahrscheinlich unausweichlich". Spohr sagte: "Deutschland wird härter getroffen werden als andere Märkte in Europa. Da tröstet es schon fast, dass wir inzwischen nur noch ein Drittel unseres Umsatzes in Deutschland erzielen."

Vor allem in den USA verkauft die Lufthansa deutlich mehr Tickets und erwartet dies perspektivisch auch wieder in Asien. "Wir sind sehr froh, dass wir stabil umgesteuert haben auf den Verkaufsursprung USA", sagte Spohr. "Wir gewinnen dort Marktanteile und verkaufen zu Preisen, die wir sonst nicht kennen." Auch die Geschäftsfelder Wartung und Logistik sollen weiterhin hohe Erträge einbringen. In Deutschland erwartet der Konzern wegen der hohen Inflation hingegen eine gedämpfte Nachfrage.

Insgesamt erlebe das Unternehmen nach der Corona-Krise einen Run auf die Tickets, berichtete Spohr. "Der Wunsch, unser Produkt zu erwerben, ist so stark, dass wir mit der Produktion nicht hinterherkommen." Die Durchschnittserträge stiegen, weil die Tickets nicht in den niedrigsten Buchungsklassen vermarktet werden müssten. Der Konzernchef bekräftigte das Ziel, im kommenden Jahr zwischen 85 und 90 Prozent des Vorkrisen-Niveaus anzubieten. Dazu sei es notwendig, bis Ende 2023 konzernweit rund 20 000 neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einzustellen. Zudem seien Milliarden-Investitionen in neue Flugzeuge, Ausstattung und IT geplant.

Zu den verschiedenen Tarifkonflikten im Konzern sagte Spohr, dass man das Wort Partnerschaft wieder mit Leben füllen müsse. Zum Markenkern der Lufthansa gehöre die technische und fliegerische Kompetenz des Personals. In Zeiten der Inflation seien Gehaltssteigerungen insbesondere in den unteren Gruppen "absolut angemessen" und manche einstmals ausgehandelten Einstiegsgehälter so nicht mehr haltbar. Spohr erklärte: "Wir haben unsere Mitarbeiter nicht allein gelassen in der Pandemie, und wir werden sie auch nicht allein lassen in der Inflation."

Lufthansa erleichtert über Entfall der Maskenpflicht in Flugzeugen

Die Lufthansa hat Pläne der Ampel-Koalition für ein vorläufiges Ende der Corona-Maskenpflicht in Flugzeugen zum Herbst begrüßt. Konzernchef Carsten Spohr sprach am Montagabend in Frankfurt von einer guten Nachricht. "Wie froh sind unsere Mitarbeiter, die nicht mehr Maskenpolizei spielen müssen. Und wie froh sind täglich knapp 300 000 Fluggäste, die nirgendwo sonst mehr eine Maske tragen mussten, weil es jede andere Airline ignoriert hat." Aus Bayern kam dagegen Kritik an der geplanten Lockerung bei den Corona-Regeln für den Herbst, die der Bundestag an diesem Donnerstag beschließen soll.

Laut einem Entwurf von SPD, FDP und Grünen soll die Maskenpflicht in Flugzeugen anders als zunächst vorgesehen nicht mehr bundesweit im Infektionsschutzgesetz vorgeschrieben werden. In der Koalition hatte die FDP Druck für ein Ende der gesetzlichen Vorgabe an Bord gemacht. Dem Änderungsantrag zufolge ist künftig noch vorgesehen, dass die Bundesregierung eine Maskenpflicht für Passagiere und Bordpersonal mit einer Verordnung ohne Zustimmung des Bundesrates verhängen kann. Zugleich soll bundesweit festgelegt werden, dass außer in Fernzügen, Kliniken und Pflegeheimen auch in Arztpraxen FFP2-Maskenpflicht gilt.

Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek kritisierte, die Ampel mache sich mit ihrem "konfusen Corona-Kurs" lächerlich. "Wer soll den Bundesgesundheitsminister noch ernst nehmen, wenn er jetzt schon wieder vor der FDP einknickt?" Niemand bestreite ernsthaft, dass Masken in Flugzeugen ein wirksamer Schutz vor Infektionen sein könnten. "Dies gilt vor allem dann, wenn alle Anwesenden eine Maske tragen. Hinzu kommt: Es ist für Flugreisende durchaus zumutbar, auf diese Weise sich und vor allem andere zu schützen."

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sprach dagegen von einem "guten und vernünftigen Kompromiss" der Koalition. "Der Verzicht auf Masken ist fachlich begründbar und nachvollziehbar", sagte er der "Rheinischen Post" (Mittwoch). In Flugzeugen gebe es eine andere Luftzirkulation durch ein Absaugen der Luft und die Verwendung von Filtern. "Im ICE läuft dies anders." Auf der anderen Seite diene die nun bundesweit gesetzlich vorgesehene Maskenpflicht in Arztpraxen dem Schutz der vulnerablen und besonders gefährdeten Gruppen. Maskenpflichten in Arztpraxen konnten bisher schon die Länder jeweils für sich anordnen.

Der Bahnbranchen-Lobbyverband Allianz pro Schiene kritisierte es als unlogisch, die Maskenpflicht in Flugzeugen zu streichen, sie aber für Bus und Bahn nicht aufzuheben. Wenn sie in Flugzeugen aufgehoben werde, müsse das genauso für alle anderen öffentlichen Verkehrsmittel auch gelten. "Die Bundesregierung muss dringend eine einheitliche Lösung finden", sagte Geschäftsführer Dirk Flege. In Fernzügen soll weiter bundesweit Maskenpflicht gelten, für den Nahverkehr mit Bussen und Bahnen regeln dies die Länder.

Nach bestehender Gesetzeslage gilt die Maskenpflicht im Flugzeug noch bis 23. September. Die Luftfahrt protestiert seit längerem gegen diese Vorgabe, die in anderen Alltagsbereichen und Ländern nicht mehr gilt. Die Branche verweist auch auf leistungsfähige Lüftungssysteme und Partikelfilter in Flugzeugkabinen. Sie wandte sich zuletzt gegen ursprüngliche Pläne, dass an Bord nur noch FFP2-Masken möglich sein sollten, aber nicht mehr einfachere OP-Masken. Es sei beispielsweise nicht erlaubt, FFP2-Masken zwölf Stunden lang im Arbeitsumfeld zu tragen, sagte Lufthansa-Chef Spohr. "Aber wir hätten Gäste zwingen müssen, sie bis zu 14 Stunden nach Buenos Aires zu tragen."

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte am Montag erklärt, solange die Pandemielage es erlaube, solle die Maskenpflicht im Flieger fallen. "Empfohlen bleibt die Maske aber auch dort. Das ist keine Frage von Vorschriften, sondern der Vernunft", sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Justizminister Marco Buschmann (FDP) sagte der "Rheinischen Post" (Mittwoch): "Die Aufhebung der Maskenpflicht im Flugverkehr unterstütze ich. Damit folgen wir dem, was auch im Rest Europas gilt, das ist vernünftig."

Der Bundestag soll die Corona-Bestimmungen im Infektionsschutzgesetz für den Herbst am Donnerstag beschließen. Danach muss auch noch der Bundesrat zustimmen. Das Bundeskabinett hatte einen Entwurf auf den Weg gebracht, der vom 1. Oktober bis 7. April 2023 generell wieder weitergehende Regeln zu Masken und Tests vorsieht, nachdem die meisten Auflagen zum Frühjahr weggefallen waren. Die Länder sollen Schutzauflagen verhängen und bei kritischer Lage ausweiten können.

Bei den parlamentarischen Beratungen zeichneten sich auch noch einige weitere Änderungen ab. So hatte der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte eine zunächst vorgesehene Regelung kritisiert, wonach Kinder bei Verdacht auf eine Corona-Infektion erst mit ärztlicher Bestätigung wieder in Schule oder Kita gehen könnten. Laut einem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen soll dafür nun auch die Vorlage eines negativen Corona-Tests reichen.

FRANKFURT (dpa-AFX)

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