Neue Konkurrenz für den Euro
Die Gemeinschaftswährung taumelt von einem Tief zum anderen. Global betrachtet wird sie - wie derzeit der starke Dollar - noch an Wert verlieren.
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von Oliver Ristau
Es erinnert ein wenig an das alte Kinderspiel, bei dem ein Mitspieler möglichst unbemerkt ein Säckchen hinter dem Rücken eines anderen platzieren muss. Einen solchen Plumpsack lassen die Investoren auf den Devisenmärkten derzeit regelmäßig in Richtung Euro fallen. Nach Griechenland und Spanien erwischte es in dieser Woche auch Frankreich. Die Sorge vor einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Landes ließ die Gemeinschaftswährung am Dienstag auf ein neues Vierjahrestief bei 1,2111 Dollar sinken. „Wenn eine Ratingagentur tatsächlich eines der Kernländer Europas abstufen würde, hätte das für den Euro eine neue negative Qualität“, sagt Erhard Gold, Leiter des Devisenhandels bei der Berenberg Bank.
Frankreichs Wirtschaft bietet dafür Argumente. Mit einer Staatsverschuldung von 78 Prozent im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt Ende 2009 stand das Land laut EU-Statistik schlechter da als Spanien (54 Prozent). Und auch beim aktuellen Haushaltsdefizit hat Paris mit 7,5 Prozent doppelt so heftig überzogen wie Deutschland (minus 3,3 Prozent). Wahrscheinlich scheint eine Abstufung Frankreichs indes nicht, da die Wirtschaft wieder an Schwung gewinnt und die Regierung zuletzt auf Sparkurs umschwenkte.
„Die Euroschwäche ist mehr Panikmache als realwirtschaftlich begründet“, glaubt Gold, der im Markt eine „stillschweigende Übereinkunft“ großer Investoren beobachtet, gegen den Euro zu spekulieren. Die Union biete den Anlegern dafür aber auch gute Gründe. „Viele der politischen Entscheidungen in der EU aus den vergangenen Monaten senden ein Signal großer Uneinigkeit aus“, sagt er. Das betraf den Streit um die Griechenland-Hilfen oder die Ermächtigung der EZB zum Ankauf von Staatsanleihen ebenso wie den überhasteten Schritt Deutschlands, Leerverkäufe zu verbieten.
„Europa und der Euro werden so schnell nicht aus den Schlagzeilen herauskommen“, schätzt Volker Brokelmann, Währungsanalyst bei der HSH Nordbank. Die Haushalte zu sanieren brauche Zeit. „Die Spekulation gegen einzelne Euromitglieder wird anhalten“, ist er überzeugt. Dabei können riesige Summen im Spiel sein. Von den 2,8 Billionen Dollar, die laut Gold täglich an den Devisenmärkten gehandelt werden, haben nur zehn Prozent einen kommerziellen Hintergrund. Das heißt, dass sie tatsächlich Firmen für Geschäfte in Fremdwährungen dienen. Der Großteil wird von Hedgefonds und großen Investmentbanken bewegt.
Die wissen auch, dass es für die EU keinen Grund gibt, derzeit gegenzusteuern. Da die Schwäche der Gemeinschaftswährung für die exportorientierten Europäer ein Segen ist, wird etwa die Europäische Zentralbank kaum zu Stützungskäufen neigen. „Die Probleme haben die anderen Staaten“, sagt Brokelmann, der den Euro in der kommenden Zeit auf 1,15 Dollar abrutschen sieht.
Zum Beispiel die Chinesen, deren Wirtschaft nach wie vor stark vom Export abhängt. Doch bei Ausfuhren in den Euroraum sind die Margen zuletzt deutlich geschrumpft. Branchen wie die Solarindustrie, die drei Viertel ihrer Produkte in Europa absetzt, haben das im ersten Quartal 2010 zu spüren bekommen. Im Gegenzug wurden Importe aus Europa wie etwa Autos und Maschinen deutlich günstiger.
Das bedeutet, dass die Kaufkraft der chinesischen Währung steigt, was zu einer automatischen Aufwertung führt, auch wenn der Renminbi nicht frei konvertierbar ist und seine Stärke gegenüber dem Euro allein mit der Kopplung an den Dollar zusammenhängt. „China wird früher oder später nicht umhinkommen, die Wechselkurse freizugeben“, ist Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank, überzeugt. „Sonst ist der Traum, zu einer Reservewährung aufzusteigen, nicht zu erfüllen.“ Seit mehr als einem Jahr erwarten Marktteilnehmer weltweit eine Aufwertung von drei bis vier Prozent. Bisher hat sich Peking dazu nicht durchringen können, aus Sorge, die Exportindustrie und damit den Motor des Wirtschaftsbooms abzuwürgen.
„Währungen sind die Aktienkurse der Volkswirtschaft“, sagt Kater. Kein Wunder also, dass der Dollar angesichts eines erwarteten Wachstums der US-Wirtschaft von mehr als drei Prozent kräftig aufwertet. „Die Dollarstärke ist vor allem ein Ausdruck des massiven Wachstumsgefälles zwischen den USA und Europa“, sagt Barbara Böttcher, Leiterin Wirtschaftspolitik bei der Deutschen Bank. Der hoch verschuldeten Weltwirtschaftsmacht kommt das zupass. „So lässt sich die Verschuldung gut finanzieren“, ergänzt HSH-Experte Brokelmann. Kein Wort mehr davon, dass – wie noch vor einem halben Jahr spekuliert – etwa China seine Dollarwährungsreserven abbauen könnte. „Das Gegenteil scheint der Fall.“
Der US-Dollar ist wie der japanische Yen derzeit eine sehr angesagte Weltwährung, auch im Fall der sogenannten Carry Trades. Dabei verschulden sich Investoren in Ländern mit niedrigen Zinsen, um das Kapital in Währungen anzulegen, die höhere Erträge bieten. Das kann über Fremdwährungskonten laufen, etwa wenn sich ein Großinvestor bei einer japanischen Bank Yen leiht, um sie dort sofort in den höher verzinsten Australischen Dollar anzulegen.
„Im Euro finden solche Geschäfte derzeit trotz des niedrigen Zinsniveaus in deutlich geringerem Umfang statt. Für die Investoren ist das Risikopotenzial der Währung zu hoch“, sagt Brokelmann.
Trotzdem muss man sich nach Meinung der meisten Analysten keine allzu großen Sorgen um die Zukunft der Gemeinschaftswährung machen. „Das Interesse am Euro als Reservewährung bleibt. Auch die Probleme der Eurozone dürften nicht zu einem massiven Abschmelzen der Euroreserven weltweit führen“, schätzt Deutsche-Bank-Volkswirtin Böttcher. „Die EU hat immerhin den politischen Willen bewiesen, den Euro zusammenzuhalten“, ergänzt Deka-Chefvolkswirt Kater. Damit seien die Ängste vor einem Zerbrechen der Währungsunion zunächst einmal passé.
Langfristig aber werden Euro und Dollar weltweit an Gewicht verlieren. „Die Aufwertung der Schwellenländer wird analog zu ihrem Wirtschaftswachstum weitergehen“, erwartet Kater. Damit werden sie höhere Zinsen bieten können als die Industrieländer, deren Fähigkeit zur flexiblen Leitzinsanpassung wegen der starken Verschuldung noch für Jahre eingeschränkt sein wird. Zu den aussichtsreichen Newcomern im künftigen Weltwährungsklub zählt Kater die Indische Rupie. „Der Währungsraum ist sehr groß, die Währung konvertibel und relativ gut gemanagt“, nennt er Kriterien für eine internationale Reservewährung. Der Brasilianische Real sei dagegen in einem zu kleinen Wirtschaftsraum verbreitet, als dass es für ihn zur Reservewährung reichen würde.
Dass sie künftig eine bedeutendere Rolle im Weltwährungssystem spielen wollen, haben die rohstoffreichen Länder wie Kanada, Australien und Südafrika bereits angedeutet. Ihre Währungen haben sich in den vergangenen anderthalb Jahren gegenüber dem Euro deutlich verteuert. Der Grund ist, dass Investoren verstärkt in diesen Währungsräumen anlegen, wenn sie auf Rohstoffe setzen. Da eine prosperierende Weltwirtschaft stärker denn je auf die Rohmaterialien angewiesen ist, dürfte die Stärke dieser lokalen Währungen auch langfristig anhalten.
Eher abgelaufen ist die Zeit für andere ehemals zentrale Weltwährungen. „Das Britische Pfund hat seine Bedeutung als Reservewährung längst verloren“, sagt Volkswirtin Böttcher. Der Schweizer Franken dürfte dagegen sein Potenzial als sicherer Hafen auch künftig ausspielen können.
Für die Anleger, so Kater, sei die wachsende Diversifikation bei den Weltwährungen eine gute Nachricht. „Konkurrenz belebt auch hier das Geschäft“, sagt er mit Blick auf die damit umso notwendigere politische Disziplin zur Sicherung der Währungsstabilität. Europa ist davon derzeit noch weit entfernt. Der nächste Plumpsack dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Investor-Info
Globale Währungsreserven: Dollar dominiert nach wie vor
Die Hauptreservewährung der Welt ist der Dollar, mit deutlichem Abstand folgt der Euro. Eine spannende Frage ist, ob die Notenbanken im Zuge der europäischen Schuldenkrise ihre Euroreserven zurückfahren. Daten zum ersten Quartal gibt es demnächst.
Currency ETCs: Long oder short auf den Euro
Seit März dieses Jahres notieren an der Deutschen Börse zehn sogenannte Währungs-ETCs von ETF-Securities. Das Kürzel ETC steht in diesem Fall für Exchange Traded Currency und bedeutet börsengehandelte Währung (üblicherweise steht ETC für Exchange Traded Commodities, also Rohstoffe). Die Papiere beziehen sich auf fünf Währungspaare. Sie erlauben jeweils ein Long- oder Short-Engagement in Euro gegenüber dem Schweizer Franken, dem Britischen Pfund, dem Japanischen Yen, der Norwegischen sowie der Schwedischen Krone. Zu beachten ist, dass diese ETCs kein Sondervermögen darstellen, sondern eine Inhaberschuldverschreibung. Um das Kontrahentenrisiko zu mindern, sind die Papiere vollständig besichert. Infos: www.etfsecurities.com
Currency Valuation ETF: Fokus auf Kaufkraftunterschiede
Von der Deutschen-Bank-Tochter db x-trackers gibt es vier Devisen-ETFs, mit denen Anleger auf unterschiedliche Währungsstrategien setzen können. Eine sehr gute Wertentwicklung seit Auflegung im Januar 2008 zeigte bisher der Currency Valuation ETF (etwa 35 Prozent Plus). Bei diesem Papier werden unterbewertete Währungen gekauft und überbewertete verkauft. Das geschieht jedes Vierteljahr auf Basis der OECD-Statistiken zur Kaufkraftparität. Langfristig, so zeigt die Statistik, bewegen sich Wechselkurse zu ihrem fairen Wert zurück.