Vor Tochter-IPO

SAP-Aktie im Fokus: Kleins Strategie muss ziehen - Börsengang von US-Tochter steht an

28.01.21 13:20 Uhr

SAP-Aktie im Fokus: Kleins Strategie muss ziehen - Börsengang von US-Tochter steht an | finanzen.net

Europas größter Softwarehersteller SAP hatte 2020 kein einfaches Jahr.

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Die Strategie des 40 Jahre jungen Vorstandschefs Christian Klein muss nun Früchte tragen, damit die Investoren wieder stärker an eine gewinnträchtige Zukunft des wertvollsten Dax-Konzerns glauben. Denn die Konkurrenz plant große Schritte - und könnte die Walldorfer bald alt aussehen lassen. Was beim Unternehmen los ist, was die Analysten sagen und wie die Aktie zuletzt lief.

DAS IST LOS BEI SAP:

Kaum war Christian Klein im Herbst 2019 als Co-Chef mit Jennifer Morgan die Nachfolge vom langjährigen Vorgänger Bill McDermott angetreten, da stand er vergangenen Frühling mitten in der Corona-Pandemie auch schon allein da: Nach Unstimmigkeiten musste Morgan gehen. Seitdem ist der jüngste Chef eines Dax-Konzerns vor allem mit Aufräumarbeiten beschäftigt.

Klein kann zumindest kein Zaudern vorgeworfen werden. Kurzerhand schmiss er die mittelfristigen Renditeversprechen von McDermott über Bord und sorgte damit für ein Börsenbeben beim deutschen Aktienschwergewicht.

Auch bei der US-Marktforschungstochter Qualtrics machte er kurzen Prozess: Diese soll nun in Kürze an die Börse gehen und sich außerhalb des Konzerngeflechts stärker um neue Kunden und Wachstum kümmern können als innerhalb. Dafür bekommt sie einen Großteil der Erlöse aus dem Börsengang mit auf den Weg. Bis zu 1,74 Milliarden US-Dollar könnte die Erstnotiz brutto einspielen, bei einer an der Aktienanzahl gemessenen Bewertung von rund 15 Milliarden Dollar (12 Mrd Euro). SAP hatte Qualtrics vor rund zwei Jahren für 8 Milliarden Dollar gekauft.

Für den Rest der milliardenschweren US-Cloudübernahmen aus der Ägide von McDermott hat Konzernübervater und Aufsichtsratschef Hasso Plattner dem SAP-Eigengewächs Klein aber aufgegeben, dass sie strenger auf Linie gebracht werden sollen.

Dazu gehört auch die unter dem Vorgänger lange vernachlässigte und mühsame Integration der verschiedenen Produkte. Bislang nutzen längst nicht alle Töchter die gleiche Technik und die gleiche Datenbasis, so dass es für Kunden oft kaum einen Unterschied machte, ob sie nun an einigen Stellen nicht auch Produkte der Konkurrenz verwenden. Immerhin läuft mittlerweile bei allen Töchtern die SAP-eigene Datenbanktechnik Hana unter der Haube und nicht mehr Programme der direkten Konkurrenz.

Doch Klein muss auch bei der Nutzerfreundlichkeit des Softwareangebots noch vieles tun. In dieser Woche kündigte er ein vereinfachtes Produktbündel inklusive der Übernahme des Berliner Software-Start-Ups Signavio an. Insgesamt will er den Umstieg der Kunden in die Cloud beschleunigen und vereinfachen. Denn vom Cloud-Mantra - also dass die Kundschaft die SAP-Anwendungen entweder in eigens angebotenen Rechenzentren oder aus denen von den großen Cloudservices nutzen soll - davon lässt auch Klein nicht ab.

Im Gegenteil, er hat die Gangart nochmal verschärft, was in diesem und dem kommenden Jahr noch einmal zusätzlich Investitionen erfordert und zulasten der lukrativen Lizenzverkäufe mit ihren hohen Einmalbeträgen geht. SAP verspricht sich davon eine stärkere Kundenbindung und stetigere Einnahmen.

Auch die Corona-Pandemie hat den Konzern gut durchgeschüttelt und dürfte bis mindestens zur Jahreshälfte die Nachfrage beeinflussen. An diesem Freitag will Klein zusammen mit Finanzchef Luka Mucic die Zahlen aus dem Vorjahr im Detail erläutern. Laut den bereits vorgelegten Eckdaten ist der Umsatz um ein Prozent auf 27,3 Milliarden Euro gesunken. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern legte hingegen um ein Prozent auf 8,3 Milliarden Euro zu. Für das laufende Jahr hat Klein die Anleger beim Betriebsergebnis bereits wieder auf einen Rückgang eingestellt, Wechselkurseffekte ausgeklammert.

Unter dem Strich stand vergangenes Jahr aber ein satter Gewinnanstieg um 57 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro. Ein Jahr zuvor hatte SAP unter anderem deutlich mehr Geld ausgeben müssen für die aktienbasierte Vergütung von Mitarbeitern wegen des damals deutlich anziehenden Kurses der Aktie. Das wiederholte sich mit dem Kursrutsch im Oktober 2020 so nicht.

Auf mittlere Sicht ist der Konzern aber weiter optimistisch. 2025 sollen mehr als 36 Milliarden Euro Erlös erzielt werden, über 22 Milliarden davon aus der Cloud. Ob das dann noch für die Spitze bei Unternehmenssoftware reicht, ist fraglich: Denn der große US-Rivale Salesforce will im Geschäftsjahr 2025/26 (Ende Januar) mehr als 50 Milliarden Dollar (heute 41 Mrd Euro) Umsatz machen.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Von den 16 im dpa-AFX-Analyser seit Oktober erfassten Analystinnen und Analysten empfehlen vier das Halten der Papiere - der Rest rät zum Kauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 120 Euro, also rund 10 Euro über dem aktuellen Kurs.

Der geplante und in Kürze erwartete Börsengang der Tochter Qualtrics sei positiv für den Softwarehersteller, schrieb Analyst Mark Moerdler von Bernstein Research nach einer Umfrage unter Investoren. Für die Kursentwicklung von SAP sollte sich der Schritt günstig auswirken. Michael Briest von der UBS rechnete aus, dass jeder Dollar mehr oder weniger beim Aktienkurs von Qualtrics sich rechnerisch 30 Eurocent bei der SAP-Aktie bedeuteten.

Mit dem Start des neuen Bündelangebots zum Umstieg der Kunden in die Cloud habe der Konzern nun auf Kundenseite das umgesetzt, was sich mit dem Abschied von den mittelfristigen Margenprognosen im vergangenen Herbst schon finanziell angekündigt habe, schrieb Charles Brennan von der Credit Suisse. Es bleibe die Frage, wie schnell Kunden sich auf das neue Produkt einließen. Aber die Strategie, Kunden ein einheitlicheres Kernprodukt in der Cloud anzubieten, mache SAP stärker.

Das Markt- und Wettbewerbsumfeld sei gut auf den erneuten Vorstoß des Softwarekonzerns zur Umstellung von Kunden auf die Cloud ausgerichtet, schrieb Analyst Julian Serafini von Jefferies.

Die Walldorfer hätten zum Jahresende etwas besser abgeschnitten als gedacht und einen sehr starken freien Mittelzufluss erzielt, schrieb Analyst Laurent Daure von Kepler Cheuvreux zu den vorläufigen Zahlen.

SO LIEF DIE AKTIE:

Das hatten sich SAP-Anleger nach dem erfolgreichen Vorjahr anders vorgestellt: Die SAP-Aktie verlor über das Kalenderjahr 2020 knapp 11 Prozent. 2019 hatte sie 38 Prozent an Wert gewonnen. SAP ist zwar nach wie vor mit gut 133 Milliarden Euro deutlich mehr wert als die Dax-Konkurrenten auf den folgenden Plätzen - die um das abgespaltene Energiegeschäft verschlankte Siemens kommt auf knapp 110 Milliarden, Linde auf 105. Software-Rivale Salesforce wird hingegen mit knapp 206 Milliarden Dollar (170 Mrd Euro) taxiert.

Mit gut 143 Euro war das SAP-Papier im vergangenen September auch schon einmal deutlich mehr wert als aktuell mit etwas weniger als 107 Euro. Allein am 26. Oktober, als Klein die Mittelfristziele kassierte, gingen rund 33 Milliarden Euro Börsenwert flöten. McDermott hat in seiner Amtszeit von Februar 2010 bis Oktober 2019 (bis Mai 2014 als Co-Chef, danach allein) den Kurs von knapp über 30 Euro auf rund 115 Euro nach oben gebracht und hatte noch deutlich mehr anvisiert. Bevor auch Klein das angehen kann, muss er zunächst die Aufräumarbeiten hinter sich bringen.

Größte Aktionäre von SAP sind noch immer die Mitgründer, Aufsichtsratschef Plattner und der als Biotech-Investor und Fußball-Mäzen bekannte Dietmar Hopp. Plattner hält knapp sechs Prozent der Anteile und Hopp rund fünf Prozent. Beide zählen wegen des Erfolgs des 1972 gegründeten Unternehmens zu den reichsten Deutschen.

/men/ngu/mis

WALLDORF (dpa-AFX)

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Bildquellen: nitpicker / Shutterstock.com

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