Nach Sieg bei US-Wahl: Biden stellt Expertenrat für Corona-Krise vor - Trump kritisiert Ergebnisverkündung
Der gewählte US-Präsident Joe Biden packt als dringlichste Aufgabe die Corona-Krise an.
Biden stellte am Montag einen Expertenrat vor, der die Politik seiner Regierung im Kampf gegen die Pandemie gestalten soll. "Ich werde mich von der Wissenschaft und von Experten informieren lassen", betonte er. Der Rat wird von früheren Regierungsexperten und Wissenschaftlern geleitet.
Der neue Expertenrat soll eine Dreierspitze aus Vivek Murthy, David Kessler und Marcella Nunez-Smith bekommen. Murthy war von 2014 bis 2017 oberster Gesundheitsbeamter der US-Regierung, Kessler leitete früher die Lebens- und Arzneimittelbehörde FDA und Nunez-Smith ist Professorin an der Yale University, wo sie unter anderem zur Gesundheitsförderung von marginalisierten Bevölkerungsgruppen forscht. Zehn weitere Mitglieder gehören dem Gremium an, viele arbeiteten bereits für frühere US-Regierungen.
Die Pandemie ist in den USA, einem Land mit rund 330 Millionen Einwohnern, weiter außer Kontrolle. Zuletzt meldeten die Behörden dort im Schnitt rund 100 000 Neuinfektionen pro Tag. Daten der Universität Johns Hopkins zufolge gab es in den USA seit Beginn der Pandemie 9,9 Millionen bestätigte Infektionen und mehr als 237 000 damit zusammenhängende Todesfälle.
US-Medien berichteten, dass Bidens Team auch eine Reihe von Verfügungen zu anderen Politikbereichen plane, die der Präsident im Januar umgehend nach seiner Vereidigung unterschreiben wolle. Unter anderem wolle er manche von Trumps strikten Einwanderungsregeln kippen und die Rückkehr in das internationale Klimaschutzabkommen von Paris veranlassen, berichtete die "New York Times".
Deutschland bot Biden ein stärkeres Engagement auf dem Feld der internationalen Politik an. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte dem Wahlsieger am Montag mit den Worten: "Wir Deutsche und wir Europäer wissen, dass wir in dieser Partnerschaft im 21. Jahrhundert mehr eigene Verantwortung übernehmen müssen." Dazu gehörten stärkere Anstrengungen, um die eigenen Überzeugungen in der Welt besser zu vertreten. Den abgewählten Präsidenten Donald Trump erwähnte die Kanzlerin bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt seit Bekanntgabe des Ergebnisses mit keinem Wort.
Die Auszählung der Stimmen ist in den USA auch knapp eine Woche nach der Wahl noch nicht beendet. Der 77 Jahre alte Biden wurde am Samstag aber bereits angesichts seine deutlichen Vorsprungs von den Medien zum Sieger erklärt. Der ehemalige Vizepräsident von Barack Obama hat deutlich mehr als die 270 Stimmen von Wahlleuten zusammen, die erforderlich sind. Trump weigert sich jedoch weiterhin, die Niederlage anzuerkennen. Der 74-Jährige will auf juristischem Weg verhindern, dass er das Weiße Haus räumen muss. Die Erfolgsaussichten gelten als sehr gering. Termin für die Amtsübernahme ist der 20. Januar nächsten Jahres.
In den USA beginnen normalerweise gleich nach der Wahl eines neuen Präsidenten die Vorbereitungen für den Machtwechsel. Trump ließ bislang jedoch nicht erkennen, dass er zu einer friedlichen Übergabe bereit ist. Nach Informationen der "Washington Post" (Montag) weigert sich die Leiterin der für Regierungsgebäude zuständigen Behörde, Bidens Übergangsteam Zugang zum Weißen Haus zu gewähren. Auf einen entsprechenden Brief mit Unterschrift der Behördenleiterin Emily Murphy warteten die Demokraten noch, berichtete das Blatt. Normalerweise bekommt der Wahlsieger sehr schnell Zugang zu Regierungsgebäuden, E-Mails, Regierungsbeamten und Computersystemen. Allerdings hat Bidens Team noch Wochen Zeit.
Die internationalen Reaktionen auf den Wahlsieg des Demokraten fielen überwiegend positiv aus. Merkel, die sich zunächst nur mit einer schriftlichen Erklärung zu Wort gemeldet hatte, sagte am Montag im Kanzleramt: "Amerika ist und bleibt unser wichtigster Verbündeter, aber es erwartet von uns - und zurecht - stärkere eigene Anstrengungen, um für unsere Sicherheit zu sorgen und für unsere Überzeugungen in der Welt einzutreten." Die Freundschaft zu den USA habe sich über Jahrzehnte bewährt. "Das ist ein gemeinsamer Schatz, wir sollten immer weiter an ihr arbeiten."
Dagegen hielten sich Russland und China - die beiden größten Kontrahenten der USA in der Weltpolitik - weiterhin auffallend zurück. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte in Moskau: "Wir halten es für richtig, bis zur offiziellen Verkündung der Ergebnisse der Wahl zu warten." Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin, sagte in Peking lediglich: "Wir haben zur Kenntnis genommen, dass Biden den Wahlsieg erklärt hat." Einen Glückwunsch gab es aus beiden Ländern in den ersten offiziellen Reaktionen nicht.
Als neue Außenministerin wird insbesondere die ehemalige UN-Botschafterin der Vereinigten Staaten, Susan Rice, gehandelt. Auch das Verteidigungsministerium könnte von einer Frau übernommen werden. Neue Vizepräsidentin wird die bisherige Senatorin Kamala Harris (56). Damit bekommen die Vereinigten Staaten erstmals in ihrer Geschichte eine Frau als Stellvertreterin des Präsidenten.
In den USA ist es üblich, dass die Präsidentenwahl auf der Basis von Prognosen großer Medienhäuser für entschieden erklärt wird - normalerweise noch in der Wahlnacht. Die amtlichen Ergebnisse kommen teils erst viel später. Wegen der Corona-Pandemie hatten Millionen Amerikaner dieses Jahr aber per Brief abgestimmt, weshalb sich die Auszählung der Stimmen hinzog. Der US-Präsident wird nur indirekt vom Volk gewählt. Die Stimmen der Wähler entscheiden über die Zusammensetzung des Wahlkollegiums, das den Präsidenten dann im Dezember wählt.
US-Behörde verweigert Biden-Team Brief für Arbeitsaufnahme
Mögliche Verzögerung für den Machtwechsel im Weißen Haus: Die Leitung der für die US-Regierungsgebäude zuständigen Behörde soll sich einem Medienbericht zufolge weigern, einen Brief zu unterschreiben, mit dem das Biden-Übergangsteam Zugang zu US-Behörden erhalten und formal diese Woche die Arbeit aufnehmen kann. Dies sei ein weiteres Zeichen dafür, das Amtsinhaber Donald Trump den Wahlsieg des Demokraten Joe Biden nicht anerkenne und die Übergabe der Macht stören könnte, schreibt die "Washington Post" in ihrer Online-Ausgabe vom Montag.
Ein solcher Brief der Behörde General Services Administration (GSA) kommt der Zeitung zufolge einer formalen Erklärung der US-Regierung über den Sieger der Präsidentenwahl gleich. Der amtierende US-Präsident Trump versucht, die Wahl mit rechtlichen Mitteln wie Klage doch noch zu gewinnen.
Die GSA, so schreibt die "Washington Post", hat nach der Wahl eines neuen Präsidenten die Rolle, mit der Erklärung des "anscheinenden Siegers" einer Präsidentenwahl dem Team des Gewinners Zugänge zu Regierungsgebäuden, E-Mails, Regierungsbeamten und Computersystemen zu gewähren, zuvor genehmigte Gelder für Gehälter und Verwaltung freizugeben und Räume in jeder US-Behörde zu schaffen. Eine neue Regierung aufzubauen, sei in diesem Jahr mit einer Summe von 9,9 Millionen Dollar (etwa 8,3 Millionen Euro) veranschlagt.
Doch Behördenchefin Emily Murphy habe auch am Sonntagabend (Ortszeit) und damit fast 36 Stunden nach der Ausrufung des Wahlsiegers durch die Medien einen solchen Brief nicht geschrieben, schreibt die "Washington Post" weiter. Und die Trump-Regierung scheine im Einklang mit Trumps Linie, Bidens Wahlsieg nicht anzuerkennen, auch keine unmittelbaren Pläne für einen solchen Brief zu haben. "Dies könnte zu einer ersten Verzögerung beim Übergang in moderne Zeiten werden - ausgenommen das Jahr 2000, als der Supreme Court (das höchste US-Gericht) im Streit um eine Nachzählung zwischen Al Gore und George W. Bush entschied", so die Zeitung.
Eine Sprecherin der GSA erklärte mit Blick auf den Sieger der Wahl in einer E-Mail, es sei noch keine "Feststellung" getroffen worden. Die Behörde werde sich weiterhin an alle gesetzlichen Anforderungen halten und diese erfüllen.
Trump sieht sich weiter im Machtkampf - und geht golfen
Trotz seiner Wahlniederlage sieht sich US-Präsident Donald Trump noch immer im Machtkampf mit seinem Herausforderer Joe Biden. Nach der Siegesrede Bidens war der Mann im Weißen Haus zunächst still geblieben. Doch am Sonntag meldete er sich bei Twitter zurück und und ließ erkennen, dass er sich weiter als Opfer systematischen Wahlbetrugs sieht. In den von ihm abgesetzten Tweets schien Trump konservative Unterstützer zu zitieren, die seine Behauptungen stützen sollen. Der 74-Jährige bleibt seit Tagen stichhaltige Beweise schuldig.
US-Medien berichten unterdessen davon, dass Trumps Umfeld versucht, auf den Präsidenten einzuwirken. Besonders seinen Familienmitgliedern wird großer Einfluss auf Trump nachgesagt. Nach Darstellung des TV-Senders CNN legte First Lady Melania ihrem Mann nahe, seine Niederlage zu akzeptieren. Trumps Berater Jason Miller wies den Bericht auf Twitter als "Fake News" zurück.
Wenig später schrieb Melania Trump auf Twitter: "Das amerikanische Volk verdient faire Wahlen. Jede legale - nicht illegale - Stimme sollte gezählt werden. Wir müssen unsere Demokratie mit vollständiger Transparenz beschützen."
Auch Schwiegersohn Jared Kushner soll mit seinem Schwiegervater über das Thema geredet haben. Dem Nachrichtenportal "Axios" zufolge riet er ihm, den Rechtsweg weiter zu verfolgen. Kushner und seine Ehefrau Ivanka Trump sind offiziell Berater des Präsidenten. "Axios" zitierte eine anonyme Quelle damit, dass "unangenehme Gespräche" im Dunstkreis Trumps stattfänden und sein engster Zirkel den Wahlsieg abgeschrieben habe - doch Trump weiter darauf bestehe, gewonnen zu haben.
Einflussreiche Konservative stärkten Trump unterdessen den Rücken. "Präsident Trump sollte sich nicht geschlagen geben", sagte der Senator Lindsey Graham am Sonntag im Interview mit dem TV-Sender Fox News. "Dies ist eine umstrittene Wahl. Die Medien entscheiden nicht, wer Präsident wird. Wenn sie dies tun würden, gäbe es niemals einen republikanischen Präsidenten", sagte Graham weiter. Trump müsse vor Gericht ziehen.
Auch Trumps persönlicher Anwalt Rudy Giuliani sagte Fox News, "zu diesem Zeitpunkt" wäre es falsch für den Präsidenten, eine Niederlage einzuräumen. Es gebe Beweise, dass die Wahl in mindestens drei oder vier und womöglich sogar in zehn Bundesstaaten "gestohlen" wurde. Giuliani kündigte mehrere Klagen an. Giuliani nannte es "ziemlich wahrscheinlich", dass am Ende der Supreme Court entscheiden werde. Senator Ted Cruz meinte, er glaube daran, dass es für Trump "einen Weg zum Sieg" gebe.
Seit seiner Wahlniederlage war Trump nicht öffentlich aufgetreten, fuhr allerdings am Sonntag in seinen Golfclub im Bundesstaat Virginia. Unterdessen warb sein Wahlkampfteam in Mails an Unterstützer weiter um Spenden für Klagen. Allerdings steht im Kleingedruckten auf der Spendenseite im Internet, dass ein großer Teil der eingesammelten Mittel zur Aufwendung von Wahlkampfschulden eingesetzt werden soll.
Trump kritisiert System zum Ausrufen von Wahlsieger in den USA
US-Präsident Donald Trump hat sich nach seiner Niederlage über das in den USA seit dem 19. Jahrhundert etablierte System beklagt, dass große Medienhäuser einen Wahlsieger ausrufen. "Seit wann bestimmen die Lamestream-Medien, wer unser nächster Präsident sein wird?", schrieb Trump am Sonntag auf Twitter. "Wir alle haben in den vergangenen zwei Wochen viel gelernt." "Lamestream-Medien" ist ein Kunstbegriff Trumps, der die von ihm kritisierten Mainstream-Medien und "lame" (lahm) verquicken soll.
In den USA ist es üblich, dass die Präsidentenwahl auf der Basis von Prognosen großer Medienhäuser entschieden wird. Eine herausragende Stellung kommt dabei der amerikanischen Nachrichtenagentur AP zu: Das Unternehmen steckt viele Ressourcen in die Wahl und wird für seine Unabhängigkeit und Genauigkeit geschätzt. AP hat nach eigenen Angaben seit 1848 bei Präsidentenwahlen in den USA den Gewinner vermeldet.
Auf Grundlage ihrer eigenen Berechnungen verkünden auch große US-Fernsehsender wie CNN oder Fox News einen Wahlgewinner. AP und alle wichtigen Sender hatten Trump-Herausforderer Joe Biden am Samstag zum Gewinner der Präsidentenwahl ausgerufen. Trump spricht von Betrug, hat dafür aber keine Beweise vorgelegt. Er hat seine Niederlage bislang nicht eingeräumt.
Hintergrund des Systems in den USA ist, dass es dort auf Bundesebene kein Wahlamt und keinen Bundeswahlleiter gibt, der als verbindliche und unabhängige Autorität zeitnah das letzte Wort hätte. Stattdessen gibt es 51 Wahlleiter: Die Bundesstaaten und die Hauptstadt Washington sind jeweils mit eigenen Gesetzen und Vorschriften für die Organisation der Wahl und das Auszählen der Stimmen verantwortlich.
OSZE-Wahlbeobachter sehen in USA keine Hinweise auf Wahlbetrug
Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) haben bei der US-Präsidentenwahl keinen Wahlbetrug festgestellt. "Wir haben Fehler gesehen, wir haben vereinzelte Mängel gesehen, das ist im Bereich des Normalen. Aber wir haben keine Hinweise auf Betrug oder gar Fälschungen gesehen", sagte der Leiter der Beobachtermission, Michael Georg Link (FDP), am Montag im Radioprogramm SWR Aktuell.
Link wollte nicht ausschließen, dass es teilweise zu Fehlern gekommen sei oder jemand zweimal gewählt haben könnte. Das könne in jedem Wahlsystem passieren, auch wenn es nicht passieren sollte. "Das ist aber noch kein systematischer Betrug", sagte der FDP-Politiker. Wenn der amtierende Präsident Donald Trump mit seinen Wahlfälschungsvorwürfen durchkommen wolle, müsse er aber genau das beweisen.
WHO-Chef freut sich auf enge Zusammenarbeit mit Biden
Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Joe Biden zu seinem Wahlsieg beglückwünscht. "Wir gratulieren dem zukünftigen Präsidenten Joe Biden und der zukünftigen Vizepräsidentin Kamala Harris, und wir freuen uns auf eine sehr enge Zusammenarbeit mit ihrer Administration", sagte Tedros Adhanom Ghebreyesus bei der Jahrestagung der WHO-Mitgliedsstaaten am Montag.
Unter US-Präsident Donald Trump haben die USA ihren Austritt aus der WHO eingereicht. Trump warf der Organisation vor, zu spät über die Gefahr des Coronavirus informiert zu haben. Anders als Trump will Biden aber mit der WHO weiter zusammenarbeiten.
"Es ist an der Zeit, dass die Welt heilt - von den Verwüstungen dieser Pandemie und den geopolitischen Spaltungen, die uns nur noch weiter in den Abgrund einer ungesünderen, unsichereren und ungerechteren Zukunft treiben", sagte Tedros weiter.
Die WHO sei bemüht, sich zu ändern und damit effizienter und weniger bürokratisch zu werden. Während die Erwartungen der Mitgliedsstaaten stiegen, müsse aber auch die Finanzierung der Organisation deutlich erhöht werden.
WASHINGTON (dpa-AFX)
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