Institute erwarten für 2021 geringeres und für 2022 höheres Wachstum
Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Prognose für das Wachstum Deutschlands im laufenden Jahr aufgrund der Lieferengpässe in der Wirtschaft und der anhaltenden Auswirkungen der Pandemie gesenkt, die für das nächste Jahr aber angehoben.
Dann dürfte die deutsche Wirtschaft wieder Normalauslastung erreichen. Wie aus ihrem Herbstgutachten hervorgeht, erwarten sie einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um nur noch 2,4 (Frühjahrsgutachten: 3,7) Prozent in diesem Jahr und 4,8 (3,9) Prozent 2022. Für 2023 sehen sie ein Plus des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,9 Prozent.
Die Ökonomen erwarten zudem eine höhere Inflation. Sie dürfte 2021 aufgrund der Energiepreisentwicklung auf 3,0 Prozent steigen, was deutlich über der im Frühjahr projizierten Rate von 2,4 Prozent liegt. Für 2022 erwarten die Institute einen Rückgang auf 2,5 (bisherige Prognose: 1,7) Prozent und im darauffolgenden Jahr auf 1,7 Prozent.
Straffung der Geldpolitik könnte notwendig werden
Mit Blick auf den Einfluss der Zentralbanken heißt es in dem Gutachten, dass die inflationären Tendenzen schon im Prognosezeitraum so stark zunehmen könnten, dass "eine Straffung der Geldpolitik notwendig wird". Über die Preise für Rohstoffe als eine spezielle Form der Vermögensanlage "pflanzt sich die Vermögenspreisinflation schon jetzt auf Produktionskosten und Verbraucherpreise fort".
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sei seit dem Abebben des Infektionsgeschehens im Frühjahr zwar deutlich gestiegen. Allerdings behinderten im Verarbeitenden Gewerbe Lieferengpässe bei Vorprodukten die Produktion, sodass nur die konsumnahen Dienstleistungsbranchen zulegten, so die Wirtschaftsforscher.
Gebremste Erholung im Winterhalbjahr
Das dürfte die Erholung im Winterhalbjahr 2021/2022 weiter bremsen. In der kalten Jahreszeit werde die Aktivität im Dienstleistungsbereich auch bei geringem Infektionsgeschehen unter dem üblichen Niveau bleiben. Für 2022 setzen die Institute auf eine allmähliche Überwindung der Beeinträchtigungen durch Pandemie und Lieferengpässe, sodass die Normalauslastung wieder erreicht werde.
Aktuell sei weltweit der Mangel an Halbleitern ein "beschränkender Faktor, besonders in der Automobilindustrie". Das dürfte nach Meinung der Institute noch längere Zeit bedeutsam bleiben, da die Chiphersteller ihre Produktion nur langsam an die höhere Nachfrage anpassen könnten. Rascher auflösen könnten sich dagegen andere Engpässe, etwa bei Baumaterialien oder Chemiegrundstoffen.
Haushaltsdefizit verringert sich bis 2023 spürbar
Beim Blick auf die Finanzlage des Staates sehen die Konjunkturforscher eine relative Entlastung. Das Defizit der öffentlichen Haushalte dürfte von 4,9 Prozent des BIP in diesem Jahr auf 2,1 Prozent im Folgejahr zurückgehen und 2023 nur noch 0,9 Prozent betragen. Angesichts der kräftigen Zunahme des nominalen BIP werde die öffentliche Schuldenstandsquote voraussichtlich von 71 Prozent 2021 auf 67 bzw 65 Prozent für 2022/2023 sinken.
Mit dem Abflauen der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise werden allerdings andere Belastungsfaktoren spürbar werden. "Die Herausforderungen des Klimawandels und das demografisch bedingt absehbar niedrigere Wirtschaftswachstum führen zu geringeren Konsummöglichkeiten", sagt Oliver Holtemöller, Vizepräsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).
Weltproduktion wächst langsamer, lebhafter Warenhandel
Auch weltweit dürften die Lieferengpässe spürbare Auswirkungen zeigen. Die Institute haben ihre Schätzung für den Zuwachs der Weltproduktion in diesem Jahr auf 5,7 von 6,3 Prozent gesenkt und für 2022 nur um 0,1 Punkt auf 4,2 Prozent hochrevidiert. Der weltweite Warenhandel dürfte - trotz der nur schwachen Zunahme im Verlauf - um 10,9 Prozent, im kommenden Jahr aber nur noch um 3,1 Prozent wachsen.
Arbeitslosenquote sinkt schrittweise und kontinuierlich
Die Tendenz am Arbeitsmarkt werten die Forscher positiv. Nach dem Rückgang der Erwerbstätigkeit als Folge des Konjunktureinbruchs 2020 steigt sie inzwischen. Das sollte sich fortsetzen, sodass die Arbeitslosenquote in diesem Jahr auf 5,7 von 5,9 Prozent im Vorjahr zurückgehen dürfte. Für 2022 und 2023 werden weitere Rückgänge auf 5,3 bzw 5,1 Prozent erwartet.
BERLIN (Dow Jones)
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