Teuerungsdruck: Wohin laufen die Preise?
Bis vor kurzem rechneten Anleger noch mit einer baldigen Zinssenkung in den USA. Sie könnten jedoch auf dem falschen Fuß erwischt werden, meint Thomas Buckard, Vorstand der MPF AG in Essen. Denn die Inflation sinkt nicht so schnell wie erhofft.
Im Januar ist die Teuerungsrate in den USA den siebten Monat in Folge gefallen, immerhin. Seit dem Hoch vom Juni 2022 ist die Inflation von 9,1 auf 6,4 Prozent zurückgegangen. Allerdings hat sich die Entwicklung zuletzt deutlich verlangsamt. Gegenüber dem Dezember ist die Geldentwertung zuletzt gerade einmal um 0,1 Prozentpunkte gesunken. Und es ist durchaus zu befürchten, dass das Tempo langsam bleibt.
Ein wesentlicher Grund für den Rückgang der Inflationsrate waren die Preise für Energierohstoffe. Öl der Sorte WTI kostet derzeit rund 20 Prozent weniger als vor einem Jahr und wirkt damit mittlerweile deflatorisch. Seinen Höhepunkt hatte der Ölpreis im Juni 2022 erreicht - seitdem fällt er. Bis Mitte des Jahres steigt somit noch die Vergleichsbasis aus dem vergangenen Jahr - ab dann sinkt sie. Der derzeit deflatorische Effekt fallender Ölpreise dürfte sich somit über kurz oder lang ausschleifen.
Gleichzeitig sieht es danach aus, als sei der Ölpreis von einer Abwärts- in eine Seitwärtsbewegung übergegangen. Seit Anfang Dezember pendelt die Notierung für ein Barrel der Sorte WTI um die Marke von 80 Dollar. Es gibt in Wesentlichen vier Gründe, die dagegensprechen, dass der Ölpreis noch deutlich tiefer fällt.
Das spricht gegen ein weiteres Ölpreis-Minus
Erstens hat sich das Wirtschaftswachstum Chinas nach dem Ende der Lockdowns augenscheinlich schon wieder beschleunigt. Damit dürfte auch der Energiehunger der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt zunehmen. Außerdem wollen die USA ihre strategischen Ölreserven wieder auffüllen, die sie im vergangenen Jahr angezapft haben. Drittens dürfte die Ölförderung Russlands aufgrund der westlichen Sanktionen zumindest mittelfristig sinken. Und schließlich haben die westlichen Ölkonzerne in den vergangenen Jahren einfach zu wenig in die Exploration und Erschließung neuer Vorkommen investiert. Die Entwicklung bei Erdgas verläuft weitgehend analog.
Neben den Energiepreisen spielen die Lohnentwicklung und Zweitrundeneffekte bei der Inflation eine entscheidende Rolle. Im Januar stiegen in den Vereinigten Staaten die Löhne im Vergleich zum Dezember um durchschnittlich 0,3 Prozent. Aufs Jahr hochgerechnet bedeutet dies ein Plus von 3,7 Prozent. Das ist zwar verglichen mit den aktuellen Lohnforderungen in Deutschland nicht besonders viel. Doch die Steigerungen bei den Personalkosten liegen trotzdem fast doppelt so hoch wie das von der Fed angepeilte Inflationsziel von rund zwei Prozent.
Und das muss keineswegs das Ende der Fahnenstange bedeuten. In den USA herrscht derzeit Vollbeschäftigung. Im Januar nahm die Zahl der neu geschaffenen Stellen um mehr als 500.000 zu. Die Prognose lag bei weniger als 200.000 neuen Jobs. Die Arbeitslosenquote fiel auf 3,4 Prozent und damit auf den niedrigsten Stand seit mehr als 50 Jahren. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus denkbar, dass die Löhne in den USA in Zukunft noch etwas stärker anziehen als bisher.
Dazu kommen die Zweitrundeneffekte, die momentan an den Märkten beziehungsweise bei der Inflation noch nicht vollständig in der Wahrnehmung angekommen sind. Angesichts der bislang unerwartet stabilen Entwicklung des Wirtschaftswachstums in den USA und in Europa könnte es sein, dass die Unternehmen einen Teil der Preissteigerungen bei Energie und Rohstoffen aus dem vergangenen Jahr jetzt noch versuchen, an die Kunden weiterzureichen.
Jerome Powell bleibt hart
Der amerikanische Notenbank-Chef Jerome Powell hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, die Bekämpfung der Inflation sei nicht nur das wichtigste, sondern sogar das einzige Ziel. Sollte sich die Teuerungsrate also in den kommenden Monaten nicht wie erhofft in großen Schritten der Zwei-Prozent-Marke annähern, könnte sich das Ende der Leitzinserhöhungen auf das kommende Jahr verschieben.
Bislang hatten viele Marktteilnehmer bei den Leitzinsen mit einem Hoch bei fünf Prozent und einer ersten Senkung gegen Ende des Jahres gerechnet. Derzeit liegen sie bei 4,5 bis 4,75 Prozent. Nun könnten sich sowohl die Spitze der Zinsen nach oben und der Zeitpunkt der ersten Zinssenkung nach hinten verschieben.
Es hat in der Vergangenheit immer mehrere Monate gedauert, bis die Fed nach dem Erreichen des Tops bei den Leitzinsen das erste Mal wieder gelockert hat. Das ist auch diesmal zu erwarten, da anderenfalls den Geldpolitikern ein heftiger Vertrauensverlust droht. Nur bei einer scharfen Rezession könnte die Fed einen baldigen Wechsel ihrer Geldpolitik glaubhaft erklären. Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Dieses gegenüber dem bisher sehr optimistischen Erwartungshorizont geänderte Stimmungsbild ist der Grund für die derzeitige angespannte Börsensituation und die wieder anziehenden Renditen am Anleihemarkt. Das dürfte noch ein paar Wochen so bleiben und die Nerven etwas strapazieren, bietet aber für Mutige immer wieder gute Einstiegschancen.
Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Ihren Meinungen und Online-Anlagestrategien finden Sie auf https://www.v-check.de/?utm_source=finanzennet&utm_medium=ppc&utm_campaign=leuapress&utm_content=textlink
Immer mehr Privatanleger in Deutschland vertrauen bei ihrer Geldanlage auf bankenunabhängige Vermögensverwalter. Frei von Produkt- und Verkaufsinteressen können sie ihre Mandanten bestmöglich beraten. Mehr Informationen finden Sie unter www.v-bank.com.
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.