Korrekturmonat Mai
Die Börsenrallye macht eine Pause. Schuld ist mal wieder Trump. Hat er sich die Börsenregel "Sell in May and go away" zu Herzen genommen?
Dass die schöne Jahresanfangsrallye mal ein Ende haben würde, war absehbar. Mit Mai beginnt für die Börse meist eine saisonal schwierige Zeit. Daraus hat sich auch der Börsenspruch "Sell in May and go away" abgeleitet. Der Monat Mai gehört jedoch nach der Statistik nicht zu den schlechtesten Börsenmonaten.
Just kumulieren sich aber seit zwei Wochen wieder die Krisenmeldungen - angefangen mit dem leidigen Dauerthema Handelskrieg. Vor allem der Verhandlungsmarathon zwischen USA und China entwickelt sich zu einem erratischen Jojo aus vagen Erfolgsaussichten und neuen Drohungen und Verschärfungen. Viele Wochen blieb der Nachrichtenflow aus dem Weißen Haus eher unspektakulär, jetzt aber schießt Trump wieder aus allen Rohren - gegen China, gegen Europa, gegen Iran, gegen Russland, gegen die Türkei, gegen Venezuela, gegen die OPEC. Nur mit Kanada hat sich die USA nun über die Abschaffung der Stahl- und Aluminium-Zölle tatsächlich geeinigt - erstaunlicherweise zu den kanadischen Bedingungen, den Agrarsektor außen vor zu lassen.
Vielleicht ist das ein Hoffnungsschimmer für die Europäer. Auf alle Fälle lassen Trumps unberechenbare Tweets die Börsen seit zwei Wochen Achterbahn fahren mit wilden Gaps up and down (Kurslücken zum Vortagesschlusskurs). Die Halbwertzeit seiner 280 Zeichen ist so kurz, dass sich kein nachhaltiger Trend bilden kann.
Die Verluste halten sich jedoch noch in Grenzen; der mittelfristige Aufwärtstrend ist immer noch intakt und das Potential nach oben scheint noch nicht ausgereizt. Bis jetzt haben die Bullen gegen den Ansturm der Bären immer mal kräftig dagegen gehalten. Die Hauptgefahr für Europa - eine Verschärfung der Exportzölle Richtung USA, vor allem für den KfZ-Bereich - ist zunächst sechs Monate nach hinten verschoben. China hat für Trump zunächst Priorität. Für die Handelsgespräche zwischen Europa und China kann das nur gut sein, denn wenn Trump mit seinem Stoßtrupp die vordersten Palisaden der Chinesen schon mal niedertrampelt, wird auch der Verhandlungsspielraum der Europäer größer. Am Ende werden die Europäer Trump noch dankbar sein müssen, aber mal abwarten.
Auch wenn der US-Präsident jeden Mini-Erfolg zum Jahrhundert-Deal hochstilisiert, ist in Realität der bisherige Output oder die alles in Frage stellende US-Außenpolitik sehr dürftig. Besonders China scheint Trump massiv zu unterschätzen. Das ist kein kleiner Emerging-Market-Staat mehr, den man herumschubsen kann. Mit seinem riesigen USA ebenbürtigen Binnenmarkt ist China zu einer wirtschaftlichen Gegenmacht aufgestiegen. Trump könnte hier seinen Meister gefunden haben. Die nächsten Wochen bleiben spannend.
Von Dr. Marc-Oliver Lux von Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München
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