Rheinmetall-Aktie im Aufwind: Rüstungswerte profitieren von Nahost-Spannungen - Reise-Aktien belastet
Nach dem iranischen Raketenangriff auf sein Land hat Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu Vergeltung angekündigt. Am Markt stehen daraufhin besonders Rüstungswerte im Blick.
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Die Aktien von Rüstungsunternehmen haben am Mittwoch angesichts der Ausweitung des Nahost-Konflikts überwiegend zugelegt. Während Rheinmetall nach einem ersten Anspringen schon am Vortag weiter stieg, erlahmte bei HENSOLDT nach der Erholung der vergangenen Tage die Kaufbereitschaft. Für die zuletzt stabilisierten RENK-Titel ging es angesichts einer Aktienplatzierung bergab.
Nach dem iranischen Raketenangriff auf sein Land drohte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu mit einem Vergeltungsschlag. Wann und in welcher Form dieser erfolgen könnte, blieb zunächst offen. Bereits in der Nacht zum Mittwoch griff Israel im Kampf gegen die proiranische Hisbollah-Miliz aber erneut die libanesische Hauptstadt Beirut an. Die "New York Times" berichtete unter Berufung auf US-Beamte, in einem möglichen Szenario könnte Israel die iranischen Nuklearanlagen attackieren. Der Iran selbst warnte Israel vor einem Vergeltungsschlag und drohte seinerseits eine heftige weitere Reaktion an.
Rheinmetall legte am Mittwoch bis Handelsende um weitere 1,14 Prozent auf 516,80 Euro zu. Die Titel waren erst tags zuvor aus der Handelsspanne der vergangenen Tage nach oben ausgebrochen. HENSOLDT hingegen hatten nach ihrem Tief seit Februar vor einer Woche schon wieder den Weg nach oben gefunden. Die Kursdelle seit Mitte September ist inzwischen ausgebügelt, was einigen Anlegern schon reichte, um Gewinne mitzunehmen. Nach einem ersten Spitzenanstieg um mehr als zwei Prozent verloren die Aktien letztlich jedoch 0,13 Prozent auf 30,50 Euro.
Bei RENK stand die Kreise-Meldung im Fokus, dass Hauptaktionär Triton einen großen Teil seines Pakets zu Geld macht. Daraufhin rutschten die zuletzt stabilisierten Titel bis auf 21 Euro ab, was den tiefsten Stand seit knapp acht Monaten bedeutet. Zum Handelsschluss stand noch ein Minus von 6,25 Prozent auf 21,00 Euro zu Buche.
Die von der Fondsgesellschaft Triton kontrollierte Firma Rebecca Bidco biete RENK-Aktien für 385 Millionen Euro an, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf ihr vorliegende Dokumente. Der Preis dürfte bei 21,00 Euro je Stück liegen. Damit würden etwa 18,3 Millionen Papiere den Eigentümer wechseln. Triton hielt zuletzt 51,85 Millionen Aktien und damit die Mehrheit an RENK. Mit der Platzierung dürfte der Anteil auf rund ein Drittel sinken.
Seit Anfang Februar, als RENK zu einem Preis von 15 Euro an die Börse gegangen war, behaupten die Titel einen Gewinn von 41 Prozent. Bei HENSOLDT reichte es in diesem Zeitraum nur für ein Plus von 5 Prozent, wogegen sich die Rheinmetall-Aktionäre über einen Wertzuwachs von 58 Prozent freuen können.
Viel beachtlicher ist die Kursentwicklung von Rheinmetall und HENSOLDT seit dem russischen Angriff auf die Ukraine Ende Februar 2022. Der Aktienkurs von Rheinmetall hat sich mehr als verfünffacht und bei HENSOLDT mehr als verdoppelt. Dabei sind beide Papiere und insbesondere HENSOLDT von ihren Rekordhochs aus dem April inzwischen zurückgefallen.
Nahost-Krise belastet europäische Reisebranche
Bei Reisewerten wie etwa Aktien von Fluggesellschaften hinterlässt der zugespitzte Nahost-Konflikt seine Spuren. Der Angriff des Iran auf Israel am Dienstagabend dämpfte am Mittwoch weiter das Sektorbild, nachdem der europäische Sektorindex Stoxx Europe 600 Travel & Leisure am vergangenen Freitag noch den höchsten Stand seit April erreicht hatte. Gemessen am Sektor nehmen Anleger nun schon den dritten Tag in Folge Gewinne mit.
Für die Aktien der Lufthansa ging es am Mittwoch um 4,49 Prozent bergab, nachdem sie am Vortag ein Hoch seit Mitte Mai markiert hatten. Beim Flughafenbetreiber Fraport belief sich das Minus auf 2,69 Prozent und die Titel des Reisenanbieters TUI sanken um 4,69 Prozent. Europaweit gehörten die easyJet-Aktien mit minus 3,51 Prozent und AIR France-KLM mit minus 5,517 Prozent zu den größten Verlierern.
Nach dem iranischen Angriff auf Israel mit fast 200 Raketen warnte Bundeskanzler Olaf Scholz vor einer weiteren Eskalation im Nahen Osten. "Iran riskiert damit, die ganze Region in Brand zu setzen - das gilt es unter allen Umständen zu verhindern", erklärte der SPD-Politiker in Berlin. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu kündigte Vergeltung an. In Erwartung eines Gegenangriffs hat der Iran die Sperrung seines Luftraums verlängert.
Netanjahu kündigt Vergeltung an
"Der Iran hat heute Abend einen großen Fehler gemacht - und er wird dafür bezahlen", sagte Netanjahu nach Angaben seines Büros. Wann ein Vergeltungsschlag auf den Iran erfolgen könnte, blieb zunächst offen. Bereits in der Nacht zum Mittwoch griff Israel im Kampf gegen die proiranische Hisbollah-Miliz aber erneut die libanesische Hauptstadt Beirut an. Der Iran selbst warnte Israel indes vor einem Vergeltungsschlag und drohte seinerseits eine heftige weitere Reaktion an. Angesichts der eskalierenden Lage in Nahost soll der UN-Sicherheitsrat heute (16:00 Uhr MESZ) zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen.
Der Iran hatte Israel am Dienstag mit rund 180 Raketen angegriffen. Die meisten wurden laut israelischem Militär von Israel und einer von den USA geführten Verteidigungskoalition abgefangen. Ein Todesopfer gab es im Westjordanland, zwei Verletzte in Tel Aviv. Im Zentrum und im Süden Israels wurden Einschläge registriert. Medienberichten zufolge hatte der Iran zwei israelische Luftwaffenstützpunkte und das Hauptquartier des israelischen Geheimdienstes Mossad ins Visier genommen. Millionen Israelis suchten Zuflucht in Schutzräumen. Es war nach April der zweite Angriff des Irans auf Israel in diesem Jahr.
Wie reagiert Israel?
Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari sagte, der Iran habe "eine schwerwiegende Tat" begangen, die den Nahen Osten in Richtung Eskalation treibe. "Wir werden zu dem Zeitpunkt und an dem Ort handeln, den wir bestimmen, und zwar in Übereinstimmung mit den Anweisungen der politischen Ebene. Diese Ereignisse werden Konsequenzen nach sich ziehen." Wie genau ein Vergeltungsschlag aussehen könnte, sagte er nicht.
Die "New York Times" berichtete unter Berufung auf US-Beamte, in einem möglichen Szenario könnte Israel die iranischen Nuklearanlagen angreifen. Insbesondere die Anreicherungsanlagen in Natanz, dem Herzstück des iranischen Programms, könnten im Visier stehen.
Hagari kündigte weitere Angriffe an. "Die Luftwaffe ist nach wie vor voll einsatzfähig und wird heute Abend im Nahen Osten weiterhin mit voller Kraft zuschlagen, so wie sie es im vergangenen Jahr getan hat", sagte er in der Nacht zum Mittwoch. Die iranischen Raketenangriffe hätten keine Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit der Luftwaffe. Netanjahu bezeichnete Irans Angriff als gescheitert.
Die Armee teilte am frühen Mittwochmorgen mit, es würden "terroristische Ziele in Beirut" attackiert. Details nannte das Militär zunächst nicht. Es seien mindestens fünf israelische Angriffe auf die südlichen Vororte von Beirut verübt worden, wie Medien unter Berufung auf eine libanesische Sicherheitsquelle berichteten.
Und was macht der Iran?
Der Iran drohte Israel, falls es einen Vergeltungsschlag starte. "In diesem Fall wird unsere Antwort stärker und kräftiger ausfallen", schrieb der iranische Außenminister Abbas Araghchi auf der Plattform X. "Unsere Aktion ist abgeschlossen, es sei denn, das israelische Regime beschließt, zu weiteren Vergeltungsmaßnahmen aufzurufen."
Die iranischen Revolutionsgarden erklärten, die Attacke sei eine Vergeltung für die Tötung von Hamas-Auslandschef Ismail Hanija, Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah sowie eines iranischen Generals, hieß es im Staatsfernsehen. Im Iran feierten Tausende Menschen den Raketenangriff auf Israel.
Wie schätzen Experten die Lage ein?
Grant Rumley, ein ehemaliger Pentagon-Beamter, sagte der "New York Times", im Gegensatz zu dem Angriff im April, bei dem Israel tagelang vorgewarnt war und seine Verteidigung mit Verbündeten in der Region koordinieren konnte, sei der Angriff am Dienstag nur wenige Stunden im Voraus angekündigt worden. "Daher ist es schwer, diesen neuen Angriff als rein symbolisch zu betrachten", sagte Rumley. "Es sieht auf jeden Fall nach einer Eskalation durch den Iran aus."
Das Heft des Handelns liegt nach Einschätzung von Experten nun bei Israel. Mohanad Hage Ali, stellvertretender Direktor des Malcolm H. Kerr Carnegie Middle East Center, einem Forschungsinstitut in Beirut, sagte dem "Wall Street Journal", Irans Angriff gebe Israel Anlass, direkt auf iranisches Territorium zurückzuschlagen, was einen regionalen Krieg auslösen könnte.
Ähnlich schätzt Bilal Saab, ein ehemaliger Pentagon-Beamter und jetzt bei der Denkfabrik Trends Research and Advisory, die Lage ein. Er sagte: "Die Möglichkeit einer weiteren Eskalation dieses regionalen Konflikts hat mehr damit zu tun, was Israel will und weniger damit, was der Iran tut." Er fügte hinzu: "Israel sieht hier eine einmalige Gelegenheit, all seinen Gegnern zu schaden und ihnen möglicherweise einen tödlichen Schlag zu versetzen."
Wie reagiert die internationale Gemeinschaft?
US-Präsident Joe Biden wirbt dafür, die Reaktion auf den iranischen Raketenangriff gut abzuwägen. Auf die Frage, wie Israel auf den Iran reagieren sollte, antwortete Biden im Weißen Haus in Washington: "Das ist momentan eine laufende Diskussion. Wir müssen uns alle Daten genau ansehen. Wir sind in ständigem Kontakt mit der israelischen Regierung und unseren Partnern, und das bleibt abzuwarten." Nach dem derzeitigen Stand scheine der Angriff abgewehrt und unwirksam gewesen zu sein. Die USA stünden voll und ganz hinter Israel. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bezeichnete den iranischen Raketenangriff als "verabscheuungswürdigen Akt der Aggression". "Wir fordern den Iran auf, alle weiteren Angriffe einzustellen, auch von seinen Stellvertreter-Terroristengruppen", sagte er.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verurteilte den Angriff auf der Plattform X "auf das Allerschärfste". Sie schrieb weiter: "Wir haben Iran vor dieser gefährlichen Eskalation eindringlich gewarnt." Die EU verurteilte den Angriff ebenfalls. "Der gefährliche Kreislauf von Angriffen und Vergeltungsmaßnahmen droht, außer Kontrolle zu geraten", so der Außenbeauftragte Josep Borrell auf X.
Der Élysée-Palast teilte nach einer Sitzung des Verteidigungs- und Sicherheitsrats mit, die französische Regierung habe ihre militärischen Mittel im Nahen Osten mobilisiert, um die iranische Bedrohung abzuwehren. Laut Großbritanniens Verteidigungsminister John Healey beteiligte sich das britische Militär am Abend an Versuchen, eine weitere Eskalation im Nahen Osten zu verhindern.
Warum eskaliert die Lage immer weiter?
Schon im April hatten Irans Revolutionsgarden (IRGC) zum ersten Mal in der Geschichte der Islamischen Republik einen direkten Angriff auf Israel ausgeführt. Dabei feuerten die IRGC-Luftstreitkräfte mehr als 300 Drohnen, Raketen und Marschflugkörper auf ihren Erzfeind - als Reaktion auf die Tötung von Generälen durch einen mutmaßlichen Angriff Israels in Syrien. Der Angriff wurde erfolgreich abgewehrt.
Israels Militär und Geheimdienste hatten zuletzt Irans Verbündete in der Region erheblich geschwächt. Ende Juli wurde der Auslandschef der islamistischen Hamas in Teheran getötet. Irans Staatsführung schwor daraufhin Rache. Am Freitag wurde mit Hisbollah-Chef Nasrallah ein zentraler Verbündeter Teherans getötet. Zuvor hatten explodierende Pager Hunderte Hisbollah-Funktionäre verletzt und etliche auch getötet. Es war seither unklar, ob und wie Irans militärische Führung darauf reagieren würde.
Am Dienstag kam ein weiterer Schritt des israelischen Militärs hinzu: Erstmals seit fast zwei Jahrzehnten drangen israelische Bodentruppen wieder in den Libanon ein. Rund ein Jahr nach Beginn des Gaza-Kriegs verlagerte sich damit der Schwerpunkt der Kämpfe in Richtung des nördlichen Nachbarlandes.
Seit der Revolution von 1979 gelten die USA und Israel als Erzfeinde der Islamischen Republik. Mit Ausbruch des Gaza-Kriegs vor knapp einem Jahr drohte mehrfach, dass sich der Schattenkonflikt zu einem Flächenbrand entwickelt. Der Iran erkennt das Existenzrecht Israels nicht an und strebt dessen Auslöschung an. Er hat jahrelang paramilitärische Organisationen unterstützt, die sich als Teil seiner Achse des Widerstands gegen Israel stellen. Irans Revolutionsgarden sind die Elitestreitmacht des Landes und gelten als deutlich schlagkräftiger als die reguläre Armee.
/hme/DP/zb
TEL AVIV (dpa-AFX)
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