Interview mit Henkel-Chef Rorsted: "Stehen Sie noch zu Ihren Zielen?“
Henkel-Chef Kasper Rorsted kann sich auch in der Wirtschaftskrise auf Gewinngaranten wie das Waschmittel Persil verlassen. Zufrieden ist er trotzdem nicht.
€uro: Herr Rorsted, als Henkel-Chef sind Sie der oberste Verkäufer von Marken wie Persil, Drei Wetter Taft und Pattex. Nutzen Sie selbst ausschließlich Produkte Ihres Sortiments? Oder gehen Sie auch schon mal fremd?
Kasper Rorsted: Natürlich nutze ich vor allem unsere Produkte – schon um sie zu testen. Heute habe ich beispielsweise ein Gel unserer neuen Marke Syoss im Haar. Aber ich probiere auch andere Produkte aus, weil ich wissen will, was die Konkurrenz so macht.
Henkel-Produkte werden weltweit unter 750 verschiedenen Marken verkauft. Analysten mäkeln, Ihr Unternehmen sei vor allem wegen dieser Markenfülle weniger rentabel als etwa Procter & Gamble, L’Oréal oder Unilever, die sich weniger Marken leisten. Warum braucht Henkel so viele?
Rorsted: Die brauchen wir nicht. Wir haben 2008 eine zweistellige Anzahl von Marken eingestellt. Und das werden wir 2009 wieder tun. Unsere Top-3-Marken – Persil bei Waschmitteln, Schwarzkopf in der Haarpflege und Loctite bei Klebstoffen – bringen derzeit ein Viertel des Konzernumsatzes. Die größten neun kommen auf 40 Prozent. Und weil die starken Marken auch unsere Wachstumstreiber sind, werden wir sie weiter stärken.
Bis wohin wollen Sie die Markenanzahl drücken?
Rorsted: Ich möchte keinen Zielwert nennen, weil wir auch immer wieder neue Marken auf den Markt bringen. Und ich will keine Innovationen bremsen, indem ich hier Grenzen setze.
Zwei Ihrer drei Sparten – Kosmetik/Körperpflege sowie Wasch- und Reinigungsmittel – machen rund die Hälfte des Konzernumsatzes aus, der Analysten zufolge 2009 bei 14 Milliarden Euro liegen wird. Damit ist Henkel stark vom privaten Konsum abhängig. Wie wird der sich entwickeln?
Rorsted: Ich rechne damit, dass der private Konsum wegen der wohl steigenden Arbeitslosigkeit zurückgehen wird. Henkel-spezifisch meine ich aber, dass die Leute auch weiterhin waschen, duschen und ihre Haare stylen werden. Nach dem organischen Umsatzplus der beiden genannten Sparten von jeweils mehr als drei Prozent im ersten Halbjahr 2009 werden wir hier weiter wachsen. Aber vielleicht nicht mehr so stark.
Die beiden Sparten sind krisensicher?
Rorsted: Das habe ich nicht gesagt. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass das Verkaufsvolumen bei Kosmetik/Körperpflege sowie Wasch- und Reinigungsmitteln wesentlich sinkt. Aber viele Leute überlegen sich angesichts der derzeit schwachen Wirtschaftslage schon, ob sie sich ein Shampoo für 20 oder lieber für nur fünf Euro kaufen sollen.
Lesen Sie auf Seite 2, was Henkel-Chef von Preissenkungen als Verkaufsargument hält.
Was bedeutet das für Ihre Preispolitik?
Rorsted: Gar nicht so viel. Wir versuchen unser Angebot eher über die Produktpolitik attraktiv zu gestalten. Zum Beispiel, indem wir auch starke Marken im mittleren oder niedrigeren Preissegment anbieten. Die anfangs von mir erwähnte Marke Syoss ist so eine. Die haben wir erst vor sechs Monaten in Europa eingeführt.
Wie würden Sie reagieren, wenn Ihre Rivalen mit Preissenkungen in den Konkurrenzkampf zögen?
Rorsted: Danach sieht es nicht aus. Die Markenhersteller versuchen, ihre Listenpreise hoch zu halten. Statt Preissenkungen sind Werbe-Aktionen im Trend. Da werden zum Preis von einem Liter Waschmittel schon mal anderthalb Liter verkauft. Das können wir zwar auch. Wir versuchen aber eher, über neue innovative Angebote zu wachsen. Zurzeit sind 30 Prozent unserer Produkte weniger als drei Jahre auf dem Markt.
Ihr Verkaufserfolg bei den Konsumprodukten hängt dennoch stark von der Werbung ab, beispielsweise mit dem Star-Model Heidi Klum. Sparen Sie hier aufgrund der Gewinnrückgänge im Konzern?
Rorsted: Nein. Obwohl die Werbepreise in der Krise um etwa zehn Prozent gefallen sind, haben wir unseren Marketingetat insbesondere in unseren Konsumentengeschäften gesteigert. Das werden wir auch weiter tun. Wir können nicht auf Werbung verzichten, wenn der Wettbewerb immer härter wird. Konkrete Budgetzahlen veröffentlichen wir aber nicht.
Lesen Sie auf Seite 3, wie Henkel-Chef Rorsted heute den Milliarden-Zukauf des US-Klebstoffproduzenten National Starch bewertet und wann er eine Prognose für das Gesamtjahr wagen will.
Auf die dritte Henkel-Sparte, Klebstoffe, entfällt die andere Hälfte des Konzernumsatzes. Dort bekommen Sie wegen der Krise des Großabnehmers Autoindustrie die aktuelle Wirtschaftskrise viel stärker zu spüren. Und ausgerechnet hier hatte Henkel im Frühjahr 2008 für 3,7 Milliarden Euro den Konkurrenten National Starch gekauft. War das falsch – oder zumindest zu teuer?
Rorsted: Was soll es bringen, heute noch über den Preis zu reden? Das war nun mal der Marktpreis. Heute ist entscheidend, ob dieser Kauf strategisch richtig war – und davon bin ich überzeugt. Mit dem Zukauf von National Starch haben wir erreicht, was wir in unseren konsumnahen Sparten wohl nicht erreichen werden: Wir haben unsere Position als globale Nummer 1 im Klebstoffbereich deutlich ausgebaut und sind mehr als doppelt so groß wie die Nummer 2 geworden.
Was keinen Wert an sich darstellt.
Rorsted: Aber National Starch generiert je ein Drittel des Umsatzes in Amerika, in Asien und in Europa. Henkel ist also global stärker geworden. Unseren Asien-Umsatz haben wir sogar verdoppelt. Das ist umso wichtiger, als immer mehr Firmen ihre Produktion dorthin verlagern. Auch hinsichtlich der Marktsegmente und Technologien ergänzt National Starch das Portfolio von Henkel hervorragend.
Im zweiten Quartal dieses Jahres fiel Ihr Umsatz mit Klebstoffen um 13 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) brach um die Hälfte auf 95 Millionen ein. Wie geht es hier weiter?
Rorsted: Ich rechne mit einer Stabilisierung auf diesem relativ niedrigen Umsatzniveau. Den Gewinn des Klebstoffgeschäfts konnten wir im zweiten Quartal gegenüber dem ersten zwar verdoppeln. Dennoch lag er nur halb so hoch wie im zweiten Quartal 2008. Durch unser Restrukturierungsprogramm erwarten wir aber weitere Fortschritte.
Sie erwarten nur eine Stabilisierung? Andere Firmenchefs sind aufgrund positiver Konjunktursignale doch längst optimistischer.
Rorsted: Diesen Optimismus sollte man mit Vorsicht genießen. Wir bei Henkel sehen keine Signale für einen nachhaltigen Aufschwung und halten eine gesamtwirtschaftliche Stagnation für wahrscheinlicher.
Obwohl schon fast das dritte Quartal 2009 vorüber ist, scheuen Sie eine Gesamtjahresprognose. Wann werden Sie dazu konkret?
Rorsted: Wahrscheinlich am 11. November, wenn wir auch unsere Geschäftszahlen für das dritte Quartal vorstellen.
Dann ist das Jahr schon fast vorbei!
Rorsted: Trotzdem. In der Wirtschaftskrise ist auch der Prognosehorizont unserer Kunden auf zwei, drei Monate gesunken. Ich will mich nicht von Analysten und Journalisten zu einer Prognose hinreißen lassen, die ich womöglich in ein paar Wochen wieder zurücknehmen muss. Unsere Glaubwürdigkeit ist mir wichtiger.
Lesen Sie auf Seite 4, wie der Henkel-Chef sein Ebit-Ziel von 14 Prozent bis 2012 erreichen will.
Warum halten Sie dann an Ihrem Ebit-Ziel von 14 Prozent bis 2012 fest? Im ersten Halbjahr 2009 hat Henkel gerade einmal acht Prozent geschafft. Und Sie sagen selbst, dass der aktuelle Konjunkturoptimismus womöglich verfrüht ist.
Rorsted: Dieses Margenziel beziffert unser Potenzial, das wir auf Basis intensiver Studien errechnet und im Herbst 2008 ausgegeben haben. Seither haben wir in den zwei Sparten Kosmetik/Körperpflege sowie Wasch- und Reinigungsmittel große Fortschritte gemacht. Dass im Klebstoffbereich ein so starker Einbruch folgt, konnten wir damals nicht ahnen.
Jetzt ist es aber nun mal so. Und bis 2012 sind es nur noch drei Jahre.
Rorsted: Ich glaube trotzdem, dass wir die 14 Prozent schaffen können. Jedoch resultieren unsere Renditeverbesserungen bislang vor allem aus Kosteneinsparungen – und nicht aus Umsatzwachstum. Die großen Renditesprünge schaffen wir erst, wenn die Umsätze wieder stärker steigen. Leider ist das vor allem bei den Klebstoffen noch nicht absehbar.
Heißt das, wenn die Welt bis 2012 kein deutliches Wirtschaftswachstum erlebt, werden Sie die 14 Prozent nicht erreichen?
Rorsted: Das scheint zumindest logisch. Wir haben aber noch lange nicht 2012. Deshalb ist es mir viel zu früh, heute über die Aufgabe unseres Margenziels nachzudenken.
Sollten Sie es letztlich doch aufgeben, würden Sie von Analysten und Journalisten kräftig Schelte beziehen.
Rorsted: Wenn ich keine hohen Ziele setze, werde ich doch auch gescholten. Jahrelang wurde Henkel von Analysten kritisiert, weil sich der Vorstand angeblich keine ehrgeizigen Ziele gesetzt hat. Als wir das Renditeziel von 14 Prozent kommunizierten, hieß es bereits am selben Tag, wir wären zu ehrgeizig. Also was denn nun? Ich bin davon überzeugt, dass wir als Unternehmen selbstbewusst unsere eigene Agenda setzen sollten, zu der wir auch bei Gegenwind stehen müssen.
Lesen Sie auf Seite 5, was Henkel-Chef Rorsted über die Versprechen im Bundestagswahlkampf denkt und was Deutschland von seiner Heimat Dänemark lernen könnte.
Zu Ihrer Agenda gehört auch, mehr Führungspositionen mit Frauen zu besetzen. Wie hat sich denn die Quote in den vergangenen Jahren entwickelt?
Rorsted: Wir steigern den Frauenanteil in Führungspositionen um etwa ein Prozent jährlich. Momentan liegt er bei 27 Prozent.
Ein Prozent klingt ziemlich mager.
Rorsted: Wir befördern ja auch keine Frauen, nur weil sie Frauen sind. Nicht die Quote ist der Maßstab, sondern die Führungskräftequalität. Die bekommt man nicht über Nacht ins Haus. Aber ich will eben nicht nur die besten Manager bei Henkel haben, sondern auch die besten Managerinnen. Schon deshalb, weil viele unserer Produkte von Frauen gekauft und benutzt werden. Warum sollten Männer diese Produkte besser entwickeln und verkaufen können als Frauen?
Mit Ihrer damenfreundlichen Einstellung dürften Sie bei seit Mitte September amtierenden neuen Aufsichtsratschefin Simone Bagel-Trah, einer Ur-Ur-Enkelin des Firmengründers Fritz Henkel, Pluspunkte sammeln. Ist das Kalkül?
Rorsted: Das überschätzen Sie. Auch ihr geht es nicht um Quoten, sondern um eine zukunftsorientierte Personalstrategie. Und die heißt bei uns Diversity, also Vielfalt. Mir ist es im Grunde wirklich egal, ob jemand jung oder alt, männlich oder weiblich, Deutscher oder Nichtdeutscher ist. Ich will die beste Personalqualität. Da kommt der Mix von ganz alleine. Schauen Sie nur unseren Vorstand an: Der besteht aus zwei Deutschen, einem Belgier, einem Österreicher und mir, einem Dänen. Auf der nächsten Managementebene arbeiten rund 30 Kollegen, wovon höchstens die Hälfte Deutsche sind. Wenn wir als globale Firma auftreten wollen – über 80 Prozent unserer rund 52000 Mitarbeiter sind außerhalb Deutschlands beschäftigt – müssen wir in Bezug auf Alter, Nationalitäten und Geschlechter diese Vielfalt leben.
Stichwort Globalisierung: Wie bewerten Sie die Politik der Bundesregierung in der Finanz- und Wirtschaftskrise?
Rorsted: Kurzfristig gesehen hat sie einige gute Maßnahmen ergriffen, um die Krise einzudämmen. Aber wie die deutsche Politik einen Rahmen schaffen will, der das Land im globalen Wettbewerb der Wirtschaftsstandorte attraktiver für in- und ausländische Investoren macht, ist unklar. Und das bremst Investoren. Es muss endlich mehr darüber diskutiert werden, wie Deutschland seinen Wohlstand auch mittel- und langfristig sichern kann. Der aktuelle Krisen-Fokus greift viel zu kurz.
Im Bundestagswahlkampf war doch zu hören, wie viele Millionen Jobs die Parteien schaffen wollen.
Rorsted: Diese Formulierung ist nicht ganz korrekt. Die Politik kann allenfalls die Rahmenbedingungen setzen. Arbeitsplätze können nur die Firmen schaffen.
Und werden die Firmen welche schaffen?
Rorsted: Das lässt sich noch nicht sagen. Mit neuen Gesetzen, die den Arbeitsmarkt immer mehr verkomplizieren, wird das allerdings nur schwer funktionieren.
Wie kann es anders funktionieren?
Rorsted: Ich bin schon viele Jahre nicht mehr in Dänemark zuhause und habe mir meist verkniffen, meine Heimat als Vorbild für Deutschland herzunehmen. Aber die dänische Politik hat in den 1990er Jahren den Arbeitsmarkt des Landes stark flexibilisiert, wodurch die Arbeitslosigkeit deutlich gefallen ist. Und heute, in der globalen Wirtschaftskrise, leidet Dänemark weit weniger als Deutschland – obwohl es auch ein Exportland ist.
Herr Rorsted, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte €uro-Redakteur Mario Müller-Dofel.
Kasper Rorsted wurde am 24. Februar 1962 in Aarhus, Dänemark, geboren. Nach dem Studium an der International Business School in Kopenhagen startete er seine Karriere im Vertrieb des US-Softwareherstellers Oracle. 1995 wechselte er zum US-Computerbauer Compaq, dessen Europa-Chef er 2001 wurde. 2002 wurde Compaq vom Rivalen Hewlett-Packard (HP) übernommen, und Rorsted stieg zum Europa-Chef des Gesamtkonzerns auf. Im Sommer 2004 verließ er HP und heuerte im April 2005 als Vorstand für Personal, Einkauf und IT beim familiendominierten DAX-30-Konzern Henkel an. Drei Jahre später wurde er Vorstandschef des 55 000-Mitarbeiter-Unternehmens. Der 47-Jährige ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Hobbysportler Rorsted, der in seinen Jahren bei HP mit seiner Familie in München lebte, ist Anhänger des FC Bayern.
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Bildquellen: Axel Griesch
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