Untersuchungsausschuss

Wirecard agierte in Bayern weitgehend unbehelligt - Bafin-Chef Hufeld verlässt Behörden-Spitze

29.01.21 16:54 Uhr

Wirecard agierte in Bayern weitgehend unbehelligt - Bafin-Chef Hufeld verlässt Behörden-Spitze | finanzen.net

Im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestages hat sich bei seiner Sitzung in Berlin nach Angaben des Bundestags-Pressedienstes die Erkenntnis verfestigt, dass die "institutionelle Verantwortung für ein Unternehmen wie Wirecard sich kaum eindeutig zuordnen" lässt.

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Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sah den Angaben zufolge nach den Ereignissen um Wirecard deshalb erheblichen Reformbedarf. "Bei dieser Angelegenheit sind Lücken zutage getreten", sagte Herrmann. "Es wäre sinnvoll, dass ein Unternehmen wie die Wirecard AG einer umfangreichen Aufsicht unterliegt." Bisher sei die Zuständigkeit zersplittert - oder gar nicht vorhanden.

Die Regierung von Niederbayern, die zwischenzeitlich als zuständige Geldwäschestelle im Gespräch war, sei tatsächlich nicht zuständig gewesen. Wirecard sei nicht unter die entsprechenden Definitionen gefallen. Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) sei nicht zuständig gewesen. Ein ebenfalls geladener Beamter aus der Praxis bestätigte laut den Angaben Herrmanns Darstellung. "Finanzorientierte DAX-Konzerne hatten wir nicht in Bearbeitung", sagte Martin Mulzer, der in der Bezirksregierung Niederbayern für Geldwäscheprävention verantwortlich ist. Als Probleme bei Wirecard erkennbar wurden, habe er bei der Bafin in Frankfurt um Koordination gebeten - jedoch mehrere Monate lang keine Antwort erhalten.

Im Ausschuss sei klar geworden, dass tatsächlich "die Strukturen in Bayern und die Größenordnung des Unternehmens nicht zusammen" gepasst hätten, schrieb der Bundestags-Pressedienst. Die Beamten der Geldwäscheprävention in der Bezirksregierung hätten sich für gewöhnlich mit Geschäftsleuten deutlich kleineren Kalibers beschäftigt. Typischerweise sprächen sie Gebrauchtwarenhändler, Juweliere oder andere Kaufleute an, die mit Bargeld hantierten. Es sei rein um die erste Stufe Prävention gegangen, mit konkreten Ermittlungen gegen Kriminelle habe seine Behörde nichts zu tun, so Mulzer. Er sei auch gar nicht auf die Idee gekommen, für den DAX-Konzern Wirecard zuständig zu sein. Es habe daher auch bis Februar 2020, also fast bis zur Insolvenz, keinen Kontakt seiner Behörde zu Wirecard gegeben.

Die Bafin in Frankfurt habe sich allerdings ebenfalls nicht zuständig gefühlt. "Wenn Sie nicht zuständig waren, war also gar niemand zuständig?", fragte FDP-Finanzsprecher Florian Toncar den Angaben zufolge. "Das kann man so sagen", antwortete Mulzer. "Hier gab es eine Lücke", bestätigte Herrmann. Der ehemalige bayerische Landespolizeipräsident Waldemar Kindler, der fünf Jahre lang bei Wirecard unter Vertrag stand, gab in der Sitzung außerdem laut den Angaben zu, Hilfestellung beim Antrag auf einen Waffenschein für den Personenschützer von Wirecard-Chef Markus Braun geleistet zu haben. Er habe beispielsweise Tipps dazu gegeben, die nötigen Unterlagen zusammenzustellen, sagte Kindler - aber er habe keinen Einfluss auf Behörden genommen.

Das Engagement für einen betrügerischen Konzern durch einen so gut vernetzten Beamten, zumal den obersten Verbrechensbekämpfer in Bayern, löste im Ausschuss Unbehagen aus. "Sie können nicht bestreiten, dass das unter heutigen Vorzeichen Bedenken hervorruft", sagte der Vize-Ausschussvorsitzende Hans Michelbach (CSU). Auch die Opposition übte nach der Sitzung Kritik. "Die Befragungen heute haben gezeigt, dass die Staatsregierung und die Aufsichtsbehörden in Bayern Teil der kollektiven Verantwortungslosigkeit im Fall Wirecard gewesen sind", sagte Grünen-Finanzsprecherin Lisa Paus. Gerade bei der Geldwäscheaufsicht hätten sich erhebliche Missstände im Freistaat offenbart. Der Fall von Ex-Polizeichef Kindler habe unterstrichen, "dass der Wirecard-Skandal auch ein Lobbyismus-Skandal ist".

Bafin-Chef Hufeld verlässt Behörden-Spitze

Der Präsident der Finanzaufsicht Bafin, Felix Hufeld, verlässt die Spitze der Behörde im Zuge einer Neuaufstellung wegen des Wirecard-Skandals. "Der Skandal um die Wirecard AG hat offenbart, dass die deutsche Finanzaufsicht eine Reorganisation braucht, um ihre Aufsichtsfunktion effektiver erfüllen zu können", erklärte das Finanzministerium. Bei einem Gespräch mit Hufeld sei man "einvernehmlich zu dem Entschluss gekommen, dass es dafür neben organisatorischen Veränderungen auch einen personellen Neustart an der Spitze der Bafin geben sollte".

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) bedankte sich in der Mitteilung "ausdrücklich bei Felix Hufeld für sein großes Engagement an der Spitze der Bafin in den vergangenen acht Jahren". Er habe die Finanzdienstleistungsaufsicht in Deutschland und Europa in dieser Zeit maßgeblich geprägt und entscheidend vorangebracht. "Die geplante organisatorische Reform der Bafin verbinden wir mit einem personellen Neuanfang." Hufeld erklärte, nun gelte es Aufgaben anzupacken, für deren Bewältigung er seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin "nur das Beste wünsche".

DJG/ank/cln

BERLIN (Dow Jones)

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Bildquellen: CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images

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